Die Weihnachtsmänner sind kaum noch zu sehen, genauso wenig die Marzipankartoffeln und Schoko-Kugeln. Im Edeka-Markt auf der Dürener Straße im Kölner Stadtteil Lindenthal haben die klassischen Naschereien derzeit einen schweren Stand. Denn der Aufsteller im Gang zwischen Gemüseabteilung und Kühlregalen wird verdeckt von einem weiteren Sonderposten: den Adventskalendern. 

Bis zu zwei Meter hoch türmen sich dort in einem Pappregal etliche Varianten: ein Lindt-Adventskalender mit Pralinen, Kugeln und Schoko-Figuren, einer von Niederegger mit Marzipan-Spezialitäten, einer von Haribo mit Fruchtgummitütchen oder auch ein Kalender der Exit-Spiel-Reihe mit Rätseln wie im Escape Room.

Wer trotzdem nicht fündig wird, muss nur in die umliegenden Geschäfte, sei es zum Drogeriemarkt dm mit Kalendern voller Cremes und Lotionen der Eigenmarke Balea oder vom Naturkosmetik-Marktführer Weleda, in den Lotto-Laden mit dem Rubbellose-Adventskalender oder zu Rewe, wo es Kalender von Kinder, Milka und Nutella gibt und sogar von der Konzerntochter Zoo Royal für Hund oder Katze.

In nahezu jeder Branche lassen sich heutzutage etliche Marken finden, die den alten christlichen Brauch vom Adventskalender aufgreifen, dessen Ursprünge sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Zumal sich die Zielgruppe längst nicht mehr nur auf Kinder beschränkt. Das zeigt eine aktuelle YouGov-Umfrage. Rund zwei Drittel der gut 2000 befragten Erwachsenen kaufen oder basteln in diesem Jahr einen Adventskalender.

Auf die Frage, für wen er bestimmt ist, antworten die meisten „Für mich selbst“, und an dritter Stelle folgt „Für Partner oder Partnerin“. „Der Adventskalender ist längst mehr als eine Kindheitstradition – er ist ein fest etabliertes Konsumritual in der Vorweihnachtszeit“, sagt YouGov-Konsumforscherin Petra Süptitz. Dass sich Erwachsene dabei selbst beschenken, vor allem Frauen und jene unter 35 Jahren, sei zunehmend auffällig. „Der Kalenderkauf wird zum kleinen, kalkulierten Luxusmoment im Alltag.“ 

Es gibt allerdings eine Schmerzgrenze: 85 Prozent der Bundesbürger kalkulieren mit maximal 50 Euro für einen fertigen Adventskalender, meldet YouGov. Die mit Abstand meisten Käufer planen 20 bis 30 Euro ein. Über 100 Euro geben gerade mal zwei Prozent aus. Der einfache wie günstige Klassiker mit 24 kleinen Schokoplättchen in der flachen Pappschachtel mit aufgedrucktem Weihnachtsmotiv scheint immer mehr zum Auslaufmodell zu werden. Auch im Edeka-Regal liegt er ganz unten, so dass sich die Kunden danach bücken müssen.

Am beliebtesten sind dennoch mit weitem Abstand Adventskalender mit Schokolade – die Verkaufszahlen stiegen von 2020 bis 2024 von 21,9 auf 26,4 Millionen Stück – oder anderen, eher höherwertigen Süßigkeiten als Füllung. Für 60 Prozent der Befragten ist das die erste Wahl. Auf Platz zwei folgt Kosmetik mit 20 Prozent Zustimmung vor Kalendern mit Getränken wie Kaffee und Tee oder Bier und Wein mit 16 Prozent. Beliebt sind aber auch Varianten mit anderen Lebensmitteln und Feinkost, mit Lifestyle- und Dekoartikeln, mit Spielwaren oder schlicht mit Bildern und Worten wie Gedichte und Sprüche.

Unabhängig vom Inhalt lassen sich die Hersteller ihre 24 Türchen gut bezahlen. „Viele Adventskalender enthalten Produkte, deren Preis deutlich über dem regulären Sortiment liegt – teils mehr als das Doppelte oder Dreifache“, meldet die Verbraucherzentrale Hamburg und nennt das „dreist“. Die Hersteller begründen die Aufschläge mit der Verpackung, die in geringer Auflage, mit wesentlich größerem Aufwand und teils in Handarbeit produziert werde.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.

Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.

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