Die Sorge um die Meinungsfreiheit in Deutschland zieht mittlerweile internationale und auch durchaus skurrile Kreise. US-Präsident Donald Trump und seine rechtspopulistische „Make America Great Again“-Bewegung (MAGA) zum Beispiel sorgen sich um die Debattenkultur in Europa und speziell auch in Deutschland so sehr, dass sie verstärkt Parteien wie die AfD unterstützen wollen. Das machte Trump erst dieser Tage wieder in einem Interview mit Politico deutlich, das wie WELT zum Haus Axel Springer gehört.

Der Streit um das konservative Politikmagazin „Klar“ mit der Moderatorin Julia Ruhs, das der Norddeutsche Rundfunk (NDR) und der Bayerische Rundfunk (BR) gemeinsam produzieren, hatte eine politisch hochbrisante Bedeutung, nicht nur mit Blick auf mögliche Einmischungen ausländischer Regierungen und Staaten in die demokratische Meinungsbildung in Deutschland. Auch hierzulande gibt es viele Menschen, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen und den Rundfunk für teuer und ineffizient halten – und zudem für chronisch „linkslastig“ –, und die die Abschaffung oder zumindest drastische Verkleinerung dieses gebührenfinanzierten Systems fordern.

Hendrik Lünenborg ist seit September Intendant des NDR. Beim Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten widersprach er am Dienstag der These, dass die „Klar“-Redaktion um Ruhs im NDR von politisch vermeintlich eher „linken“ Journalisten wie der TV-Moderatorin Anja Reschke „weggemobbt“ worden sei. Der NRD lässt die für „Klar“ produzierten Folgen von 2026 an von der früheren „Bild“-Chefredakteurin und Fokus-Kolumnistin Tanit Koch moderieren, einer ausgewiesen konservativen Journalistin. Der BR setzt weiterhin auf Julia Ruhs als Moderatorin.

„Links‘ oder ,rechts‘, ,progressiv‘ oder ,liberal‘ sind keine Kategorien für Journalismus, den ich mir vorstelle“, sagte Lünenborg. „Auch die Zeiten für ,linke‘ oder ,rechte‘ Chefredakteure sind bei der ARD Gott sei Dank längst vorbei. Ich muss in Redaktionen Debatten von Menschen mit unterschiedlicher politischer Meinung zulassen.“

Indirekt ließ Lünenborg durchaus durchblicken, wo es Verbesserungsbedarf in den Redaktionen des NDR gibt. „Man muss in den Redaktionskonferenzen wieder einen großen Grad an Freiheiten haben“, sagte er. „Und dafür braucht es psychologische Sicherheit.“ Eine intensive und gute Debattenkultur bedeute vor allem auch, „dass niemand Angst haben muss, und bei uns muss niemand Angst haben, der seine Meinung äußert“. Insgesamt sei der Streit um die Sendung „Klar“, so Lünenborg, „völlig aus dem Ruder gelaufen“.

In den kommenden Jahren soll der NDR mit rund 3400 Angestellten weiter an seiner wirtschaftlichen Effizienz arbeiten und die regionale Präsenz vertiefen. Dazu zählen aus Lünenborgs Sicht vor allem auch temporäre Studios für das Radio und Fernsehen vor Ort. „Wir müssen wieder mehr nach draußen gehen, direkt zu den Menschen, und den Beruf des Reporters wieder stärken. Was sie vor Ort sehen und hören, tragen die Kolleginnen und Kollegen zurück in die Redaktionen, und das prägt und verändert dann die Debatten“, sagte Lünenborg in Abgrenzung zu wie auch immer vorgegebenen „Debattenkulturen“ von Medien.

Generell werde der NDR mehr und mehr Mittel aus dem linearen Fernsehen umwidmen, um die weitere Digitalisierung der Programme und der Formate zu finanzieren. Nur so könne es zum Beispiel gelingen, die jüngeren Zielgruppen dauerhaft an die Programme der öffentlich-rechtlichen Sender zu binden. „Wir brauchen auf Dauer eine unabhängige Finanzierung. Ob sie so hoch sein muss wie jetzt, ist eine andere Frage“, sagte Lünenborg zum latenten politischen und gesellschaftlichen Streit um die Höhe der Rundfunkgebühren. Der NDR sei „kein wachsendes System, im Gegenteil, seit vielen Jahren werden Planstellen abgebaut.“

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland.

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