Die katholischen Bischöfe in Deutschland kritisieren die Rentenpolitik der Bundesregierung und fordern Reformen, um die Sozialsysteme langfristig zu stabilisieren. Man halte die gerade vom Bundestag beschlossene Rentenreform für einen „schwierigen Kompromiss“, sagte der Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer. „Es kann nicht sein, dass die Lasten unverhältnismäßig auf die jüngeren Generationen abgewälzt werden. Und auf der anderen Seite darf es nicht sein, dass ältere Menschen, die ein ganzes Leben lang gearbeitet haben und eingezahlt haben, anschließend eine Rente erhalten, die sie in die Altersarmut entlässt.“
Die Koalition aus Union und SPD hatte mit ihrer Mehrheit vergangene Woche im Parlament beschlossen, das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent stabil zu halten, außerdem wurde die Ausweitung der Mütterrente und die sogenannte Aktivrente beschlossen. Die sogenannte Junge Gruppe innerhalb der Unionsfraktion hatte die Vorhaben vorher scharf kritisiert.
Die Bischöfe schließen sich dieser Kritik an. „Die Generationengerechtigkeit ist in Schieflage geraten“, sagte Weihbischof Anton Losinger aus Augsburg. Er warnte vor einer drohenden gesellschaftlichen Spaltung, die den Sozialstaat in Gefahr bringen würde: „Wenn der Opa den Enkel nicht mag und umgekehrt, dann ist ein Drei-Generationen-System im Umlageverfahren nicht möglich.“
Die Bischöfe stören sich daran, dass für die Rentenreform zwar mit der Angst vor Altersarmut argumentiert wurde, die Änderungen nun aber Rentnern mit besonders hohen Renten mehr nützt als denjenigen an der Armutsgrenze. Im Zuge wirklicher Reformen müsse man die Sicherungssysteme so austarieren, „dass niemand unten durchfällt“, forderte Losinger. Er verwies auf die Grundlagen der katholischen Soziallehre, die auch das Fundament der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland sind. Demnach ist der Sozialstaat vor allem dafür da, Armut zu verhindern und Bürger gegen Lebensrisiken abzusichern.
Aus dieser Perspektive sieht die katholische Kirche auch die Ausweitung der Mütterrente kritisch. Die Richtung stimme, sagte Wilmer. „Wir waren als Bischöfe schon immer dafür, dass Erziehungszeiten anerkannt werden, auch gesellschaftlich, auch pekuniär.“ Er kritisierte aber, dass die Leistungen nach dem Gießkannenprinzip an alle verteilt werden. „Mütter, die in einer besonderen finanziellen Herausforderung stehen, sollten wir genauer unterstützen und kräftig unterstützen, sodass bestimmte Kreise nicht in Not geraten.“ Stattdessen fließt das Geld, finanziert aus Steuermitteln, nun an alle Mütter – auch an diejenigen, denen es wirtschaftlich sehr gut geht. Durchgedrückt hatte diese Reform die CSU.
Für längere Lebensarbeitszeit
Angesichts knapper werdender Mittel und des demografischen Wandels plädieren die Bischöfe für eine stärkere Priorisierung auch im Bereich der Sozialausgaben. Zwar wäre es wünschenswert, Rentner besser abzusichern, Pflegeleistungen zu erhöhen, Familien zu entlasten oder Beratungsdienste auszubauen. „Wenn dies aber nicht alles zugleich geht, muss priorisiert werden“, heißt es dazu in einem Papier der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Bischofskonferenz. Im Mittelpunkt solle die Absicherung gegen Grundrisiken des Lebens stehen, sagte Losinger.
In der kommenden Woche will die Bundesregierung eine Rentenkommission einsetzen, die Vorschläge für eine Reform im nächsten Jahr erarbeiten soll. Mitglieder sollen Vertreter der Koalitionsparteien und acht unabhängige Wissenschaftler sein. Die Bischöfe sprechen sich mit Blick auf die kommende Reform für eine längere Lebensarbeitszeit aus, außerdem können sie sich Umverteilung zwischen ärmeren und reicheren Rentnern vorstellen. Besonders die Armen müssten in den Blick genommen werden.
Dass in der öffentlichen Debatte utopische Forderungen gestellt werden, betrachte man mit Sorge, sagte Wilmer. Ohne die AfD zu nennen, kommentierte er den Vorschlag der Partei, das Rentenniveau auf 70 Prozent für alle zu steigern. Solche populistischen Versprechungen seien „völlig unrealistisch, utopisch und Wolkenkuckucksheime, die unserer Demokratie nicht guttun“, warnte der Bischof. Er forderte mehr Respekt voreinander und eine menschlichere Debatte, einen Streit in der Sache. Auch im öffentlichen Diskurs müsse der Hoffnung Raum gegeben werden. „Wir brauchen Hoffnung“, sagte Wilmer. „Ohne Hoffnung geht unsere Demokratie kaputt.“
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzcenter von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.
Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur in Berlin und berichtet für WELT über Wirtschafts- und Energiepolitik, Digitalisierung und Staatsmodernisierung.
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