Wenn politisch auf Ungarn Verlass ist, dann vor allem mit Blick auf seine europafeindliche und russlandfreundliche Agitation. Der Donaustaat nimmt die Fördermittel aus Brüssel gern mit, um die Europäische Union zugleich bei jeder Gelegenheit zu attackieren. Ministerpräsident Viktor Orbán hofiert den Kreml, trotz des russischen Krieges gegen die Ukraine.

Die Logistikbranche betrachtet Ungarn allerdings durch eine völlig andere Brille. Metrans legte am Montag in Szeged südöstlich der Hauptstadt Budapest den Grundstein für einen neuen Güterbahnterminal. „Der Terminal in Szeged erweitert das Metrans-Netzwerk in Ungarn und ergänzt den seit 2017 bestehenden Terminal in Budapest. Als südliches Tor des Landes wird er ein zentraler Logistik-Knotenpunkt im Korridor Mitteleuropa – Balkan“, teilt Metrans mit.

Auf einer Fläche von rund zehn Hektar entstehen unter anderem vier 330 Meter lange Gleise und zwei ferngesteuerte elektrische Portalkräne. Die Anlage ist darauf ausgelegt, täglich sechs Zugpaare und jährlich bis zu 300.000 Containereinheiten (TEU) abzufertigen. Der Güterbahnterminal soll künftig speziell auch die neue Fabrik für Elektroautos des chinesischen Weltmarktführers BYD in Szeged versorgen.

Metrans ist ein Tochterunternehmen des Hamburger Hafenlogistik-Konzerns HHLA. Mit einem Netz von 20 Terminals in 13 europäischen Ländern, vor allem in Südosteuropa, und mit wöchentlich 650 Zugverbindungen ist Metrans eines der erfolgreichsten privatwirtschaftlichen Güterbahnunternehmen in Europa – und ein wesentlicher Erfolgsfaktor auch für den Hamburger Hafen mit dessen enger Bahnanbindung an den Kontinent. Gegründet worden war Metrans nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Prag, dort sitzt die Unternehmenszentrale bis heute.

„Der Beginn der Bauarbeiten für unseren zweiten Terminal in Ungarn ist ein wichtiger Schritt, der unser langfristiges Engagement für die Weiterentwicklung des Intermodalverkehrs unterstreicht. Jahre der Zusammenarbeit und Erfolge haben Ungarn für Metrans zu weit mehr als einem Investitionsstandort gemacht“, sagt Peter Kiss, der Vorstandsvorsitzende von Metrans. „Das erwartete Wachstum der internationalen Güterströme, starke inländische Investitionen und ein investitionsfreundliches Umfeld schaffen ideale Voraussetzungen für die gemeinsame Entwicklung.“ Als „Intermodalverkehr“ bezeichnet die Logistikbranche Gütertransporte kombiniert über mehrere Verkehrsträger, etwa vom Schiff auf die Güterbahn und von dort auf den Lkw oder umgekehrt.

Mit Terminals wie jenem in Szeged geht es Metrans nicht nur um Ungarn selbst, sondern um Südosteuropa im weiteren Sinne, auch um die Slowakische Republik oder um Balkanstaaten wie Serbien – allesamt Staaten mit wirtschaftlichem Potenzial. Auch die Slowakische Republik zählt zu jenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die sich regelmäßig an der EU abarbeiten. Das schmälert indes nicht ihre Attraktivität für die Wirtschaft. „Diese Region hier wächst wirtschaftlich rasant, vor allem auch wegen alter und neuer Industrieansiedlungen“, sagt Metrans-Chef Kiss über seine Heimat. „In den vergangenen Jahren ist hier gut eine Million Quadratmeter neue Lagerfläche entstanden.“

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten über die maritime Wirtschaft und auch über deren Anbindungen an die Inlandslogistik.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.