In den vergangenen Monaten setzt Russland westliche Vermögenswerte in Milliardenhöhe fest. Investoren erhalten Insidern zufolge jetzt in der EU eingefrorene russische Gelder als Entschädigung. Das ist durch eine Änderung der Nutzungsbestimmungen für die Sanktionen gegen Russland möglich.

Der zentrale europäische Wertpapierverwahrer Euroclear gibt Insidern zufolge eingefrorene russische Gelder in Milliardenhöhe an westliche Investoren frei. Diese sollten dafür entschädigt werden, dass Russland Barmittel westlicher Anleger beschlagnahmt habe, sagten drei mit den Vorgängen vertraute Personen. Euroclear werde rund drei Milliarden Euro russischer Gelder unter der Kontrolle der Verwahrstelle weitergeben. Das in Brüssel ansässige Clearinghaus habe von den belgischen Behörden dafür im März die Erlaubnis erhalten.

Zwei der Insider sagten, das Geld sei Teil eines Pools von zehn Milliarden Euro, die unter EU-Sanktionen stehenden Gesellschaften und Personen aus Russland gehörten. Aus einem Dokument vom 1. April geht zudem hervor, dass Euroclear die betreffenden Investoren über die anstehende Auszahlung informiert hat. Euroclear habe von der für die Clearinggesellschaft zuständigen Behörde die Erlaubnis erhalten, auf die eingefrorenen Gelder zuzugreifen und sie auszuzahlen, heißt es auch dort. Investoren hatten Euroclear dazu gedrängt, die Mittel freizugeben.

EU änderte Bestimmungen für Russland-Sanktionen

Zwei der Insider sagten, das Verfahren komme einer Art Tausch gleich: In Russland festgesetztes Vermögen westlicher Investoren werde gegen in der EU eingefrorene russische Mittel getauscht. In den vergangenen Monaten habe Russland drei Milliarden Euro Barmittel beschlagnahmt, die von Euroclear bei einer Depotbank in Russland gehalten worden waren. Der nun den Kreisen und dem Dokument zufolge anstehende Schritt von Euroclear stellt eine neue Stufe im Umgang Europas mit den russischen Vermögenswerten dar.

Bisher wurden diese Gelder für Kredite und Zahlungen an die Ukraine genutzt und von Russlands Präsident Wladimir Putin als Diebstahl kritisiert. Die Sanktionen wurden wegen des von ihm befohlenen Angriffskriegs auf die Ukraine verhängt. Doch nach der Beschlagnahmung von milliardenschweren Vermögenswerten westlicher Investoren in Russland hat sich das Blatt gewendet und die EU die Bestimmungen für ihre Sanktionen gegen Russland geändert. Euroclear hat deutlich gemacht, dass es als Verwahrer von Wertpapieren selbst Sanktionen umsetzt, aber keine Entscheidung über deren Form oder Ende trifft.

Kritik an Vorhaben

Clearinghäuser verwahren Wertpapiere wie Aktien und Anleihen und wickeln Transaktionen derselben ab. Der zur Deutschen Börse gehörende Wertpapierverwahrer Clearstream befindet sich einem Insider zufolge in einer ähnlichen Situation wie Euroclear. Auch Clearstream werde eingefrorene Gelder aus Russland an westliche Investoren auszahlen - allerdings in einem kleineren Rahmen. Hier gehe es um mehrere hundert Millionen Euro.

Zu dem nun erstmals ausführlich von den Insidern geschilderten Vorgehen lehnten Clearstream und auch die belgische Regierung eine Stellungnahme ab. Das russische Finanzministerium reagierte nicht auf eine Anfrage. Wessen Vermögenswerte beschlagnahmt und ausgezahlt werden, konnte die Agentur nicht ermitteln. Dasselbe gilt für die Frage, welche westlichen Investoren davon profitieren.

Das mutmaßliche Vorgehen löst auch Kritik aus: "Russisches Vermögen zu beschlagnahmen und es westlichen Investoren zu überlassen, wäre moralisch verwerflich", sagte etwa Jacob Kirkegaard, Sanktionsexperte bei der Washingtoner Denkfabrik Peterson Institute for International Economics. "Es käme einer politischen Entscheidung gleich, westlichen Unternehmen Vorrang vor den Steuerzahlern zu geben." Schließlich müssten für den Wiederaufbau der Ukraine die Steuerzahler für jene Anteile einspringen, die nun nicht dem überfallenen Land, sondern den Investoren zugutekämen.

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