Das Wetter ist perfekt, als Sigrun Maxzin-Weigel die Korvette „Augsburg“ tauft. Die Leiterin des Evangelischen Kinder- und Jugendhilfezentrums repräsentiert an diesem Nachmittag ihre namensgebende bayerische Stadt bei der Zeremonie auf der Werft Blohm+Voss in Hamburg.
Die rund 89 Meter lange „Augsburg“ ist bereits die vierte Korvette K130 aus der aktuellen Bauserie, jede kostet rund 400 Millionen Euro. Seit 2022 wurde jedes Jahr eines der „Boote“ getauft, wie die Deutschen Marine diese Klasse von Kriegsschiffen nennt. Doch die „Köln“, die „Emden“ und die „Karlsruhe“ liegen noch immer neben der „Augsburg“ an den Piers von Blohm+Voss. Gebaut werden sie von der Arbeitsgemeinschaft K130 der Marinewerften Naval Vessels Lürssen (NVL), ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und German Naval Yards Kiel. Federführend ist NVL, zu dem auch Blohm+Voss gehört.
Lange vor dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hatte das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) fünf weitere Korvetten K130 bei den Werften bestellt, die ersten fünf waren bereits seit 2008 in Dienst gestellt worden. Doch der Ukrainekrieg hat alles verändert. Der Bedarf an diesen, wie man bei der Marine sagt, „Arbeitspferden“ ist mit den Spannungen zwischen Russland und der Nato noch einmal deutlich gestiegen, speziell für den Einsatz in der Ostsee.
Zugleich aber verzögert diese neue Lage die Auslieferung der Boote an das BAAINBw und die Indienststellung bei der Marine um Jahre. Denn die komplexe und hochsensible Informationstechnik an Bord der Kriegsschiffe muss gegen die mittlerweile viel aggressiveren Hackerangriffe und Cyberattacken der russischen Seite deutlich besser abgeschirmt werden. „Die Abschirmung der IT-Systeme muss professionell nachgearbeitet werden“, sagte NVL-Geschäftsführer Tim Wagner der WELT AM SONNTAG. „Wir haben einen sehr langen Abnahmeprozess mit der Marine. Dieser Prozess braucht Zeit, und daran mangelt es heutzutage.“
Durch den Ukrainekrieg wurde die Entwicklung neuer Waffen erheblich beschleunigt, vor allem von Drohnen, mit denen Systeme des Gegners beschädigt, zerstört oder ausspioniert werden können. Im Schwarzen Meer etwa versenkte die ukrainische Armee seit 2022 mehrere russische Kriegsschiffe auch mithilfe sogenannter „Kamikazedrohnen“, darunter zwei russische Korvetten.
Besonders die Deutsche Marine steckt derzeit in einem Rüstungsdilemma. Schiffe sind die komplexesten Waffen überhaupt, ihr Bau dauert im Normalfall schon jahrelang. Würden die neuen Korvetten zu früh in Dienst gestellt, wären sie an unnötiger Stelle angreifbar. Bleiben sie länger auf der Bauwerft, kann die Marine sie nicht in die Flotte integrieren und die Besatzungen an Bord schulen. „Wo Drohnen fliegen, muss auch Drohnenabwehr möglich sein“, sagt Wagner. Er räumt aber auch ein: „Manchmal machen wir es uns selbst schwer, wenn wir uns zu sehr in Details verlieren.“ Die Industrie, die Marine und das BAAINBw müssten gemeinsam daran arbeiten, die Beschaffungsprozesse zu modernisieren: „Wir brauchen mehr Flexibilität. Ich wage zu bezweifeln, dass wir künftig noch solche Spezifikationen bekommen werden wie in den vergangenen Jahrzehnten.“
Das nächste Großprojekt der Deutschen Marine, der Bau der Fregatten des Typs F126, läuft bereits, Generalunternehmer ist hier das niederländische Unternehmen Damen Naval, die Endmontage der Fregatten wird bei Blohm+Voss stattfinden. Zugleich bereiten NVL und TKMS ihre Bewerbung für die übernächste Fregattengeneration F127 vor.
Flottillenadmiral Andreas Czerwinski, Abteilungsleiter See beim BAAINBw, sagte, je zwei Korvetten sollen 2026 und 2027 von der Industrie an das BAAINBw übergeben werden, die fünfte Korvette der aktuellen Serie im Jahr 2028. Zudem soll eine der bereits fahrenden Korvetten aus der ersten Serie technologisch auf das Niveau der zweiten Serie nachgerüstet werden. „Irgendwas an Bord“, sagte Czerwinski, „ist immer kaputt.“ Bei einem komplexen System wie einem Kriegsschiff sei das unvermeidbar – deshalb gebe es an Bord redundante Systeme etwa zur Navigation.
Voraussichtlich im Frühjahr 2026 soll auch die fünfte und letzte Korvette der aktuellen Serie getauft werden, auf den Namen „Lübeck“. Und bis dahin ist ja vielleicht auch eines ihrer vier Schwesterboote bereits im Dienst der Deutschen Marine unterwegs.
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit Jahrzehnten auch über die Marinerüstung.
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