Die Erwartungen hellen sich auf - die aktuelle Lage ist weiter trübe. Analysten und Investoren blicken deutlich zuversichtlicher auf die Wirtschaftsentwicklung in den nächsten sechs Monaten. Grund sind die Zollpause und Hoffnungen auf Impulse durch die neue Bundesregierung. Doch einen Stimmungsumschwung zeigt die Umfrage nicht.
Die Pause im Zollstreit hebt den Optimismus der Börsenprofis beim Blick auf die deutsche Wirtschaft. Das Barometer für die Konjunkturaussichten in den kommenden sechs Monaten schnellte im Mai um 39,2 Punkte auf plus 25,2 Zähler nach oben. Das teilte das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zu seiner Umfrage unter 191 Investoren und Analysten mit. Ökonomen hatten nur einen Anstieg auf 11,9 Punkte erwartet. Allerdings lag das an den Finanzmärkten viel beachtete Barometer im Februar und März noch höher, ehe die von US-Präsident Donald Trump verkündeten Zölle im April für einen Absturz sorgten - der jetzt teilweise wettgemacht wurde.
"Die Erwartungen hellen sich auf", sagte ZEW-Chef Achim Wambach. "Die Bildung der neuen Bundesregierung, die Bewegung in den Zollstreitigkeiten sowie eine sich stabilisierende Inflationsrate tragen zu dem gestiegenen Optimismus bei."
Das Barometer für die aktuelle Lage fiel dagegen um 0,8 auf minus 82,0 Zähler. Hier hatten Ökonomen eine Verbesserung auf minus 77,0 Punkte vorausgesagt. In keinem anderen Euro-Land sei ein schlechterer Wert ermittelt worden. "Die Lagebeurteilung zeigt, dass der Blick auf den künftigen Konjunkturverlauf trist bleibt", sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. "Ein nachhaltiger Stimmungsumschwung dürfte nur mit Strukturreformen erreichbar sein."
Trump hatte den 2. April zum "Tag der Befreiung" erklärt und gegen zahlreiche Handelspartner hohe Zölle verhängt - auch gegen die Europäische Union. Er setzte die Zölle später für zunächst 90 Tage aus. Die Aufschläge von 25 Prozent auf Stahl, Aluminium und Autos sowie die zehnprozentigen Basiszölle auf sämtliche andere Produkte blieben für die EU in Kraft.
"Die erratische Politik des US-Präsidenten hinterlässt auch entsprechende volatile Spuren bei den Konjunktureinschätzungen", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Die am Vortag zwischen den USA und China verkündete Einigung im Zollkonflikt nähre die Hoffnung, dass es auch mit anderen Handelspartnern zu einer Einigung kommen könne - etwa mit der EU. "Die deutsche Konjunktur wird möglicherweise weit weniger unter den Zollquerelen leiden als ursprünglich zu befürchten war", sagte Gitzel.
Die Vereinigten Staaten sind das wichtigste Abnehmerland von Waren "Made in Germany". Die Abhängigkeit der deutschen Exporteure von dem durch hohe Zölle bedrohten US-Geschäft ist so groß wie seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr: Die Ausfuhren in die weltgrößte Volkswirtschaft summierten sich im vergangenen Jahr auf gut 161 Milliarden Euro. Das war gut ein Zehntel aller deutschen Ausfuhren und damit der höchste Anteil seit 2002.
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