Seit 2021 führt Hanjo Runde, 45, das Unternehmen HanseYachts mit Sitz in Greifswald. HanseYachts ist, gemessen am Umsatz von 185 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2023/24) derzeit nach der französischen Beneteau-Gruppe der zweitgrößte Hersteller von Segelyachten weltweit und zudem ein führender Hersteller von Motorbooten. Im zurückliegenden Geschäftsjahr fertigte das Unternehmen 568 Boote der Segelyacht-Marken Hanse, Dehler und Moody sowie der Motorboot-Marken Fjord, Sealine und Ryck. Nach der Pandemie ist der Sportbootmarkt wieder geschrumpft. Und auch die erratische Politik von US-Präsident Donald Trump belaste das internationale Geschäft der Bootshersteller, sagte Runde der WELT AM SONNTAG.

WELT AM SONNTAG: Herr Runde, die Pandemie hat dem Boots- und speziell auch dem Yachtsport in Deutschland von 2020 an einen Aufschwung beschert. Wie ist die Auftragslage bei HanseYachts heutzutage?

Hanjo Runde: Während der Pandemie gab es einen deutlichen Anstieg der Nachfrage – gleichzeitig waren die Kapazitäten in der Industrie aufgrund der gestörten Lieferketten und fehlender Fachkräfte begrenzt. Dieser Boom ist nun vorbei. Im vergangenen Jahr hat sich die Nachfrage auf ein Vor-Corona-Niveau normalisiert. Seit dem Amtsantritt von Donald Trump im Januar wiederum beobachten wir einen deutlichen Rückgang der Nachfrage, ausgelöst durch globale Verunsicherung. Unser Orderbuch hat aktuell noch eine Reichweite von drei bis sechs Monaten – je nach Produktionsband. Wir hoffen natürlich alle auf bessere weltpolitische Rahmenbedingungen – auch um deutliche Einschnitte zu vermeiden.

WAMS: Fürchten Sie vor allem Umsatzeinbußen am US-Markt selbst?

Runde: Nein, der für uns größere Effekt ist die indirekte, globale Verunsicherung für die Wirtschaft und deren Akteure, ausgelöst durch Trumps Wirtschafts- und Handelspolitik. Der direkte Effekt in den USA wird auch für uns kaum spürbar sein, wir machen dort etwa zehn Prozent unseres Umsatzes. In den ersten drei Monaten dieses Jahres erleben wir jedoch einen deutlichen Auftragsrückgang, was ich auf genau diese globale Verunsicherung durch Trump zurückführe. Ich hoffe aber und halte es für wahrscheinlich, dass sich bald eine Besserung einstellt, denn dieser Handelskonflikt ist für keine Seite sinnvoll.

WAMS: Es gibt in Deutschland und Europa sehr viele wohlhabende „Babyboomer“, die sich am Ende eines langen Berufslebens ein Boot gönnen könnten. Und es gibt einen großen Kreis von Erben in Deutschland, der ein Potenzial für ein Boots- und Yachtbauunternehmen wie HanseYachts darstellt. Ist das nicht ein enorm starkes Fundament für Ihr Geschäft?

Runde: Absolut. Insgesamt steigt in weltweit die Anzahl der sogenannten ,High Net Worth Individuals‘, gemäß neuen Studien um etwa sieben Prozent. Auch die aktuellen Marktstudien zur Yachtindustrie gehen von einem langfristigen Wachstum um die sieben Prozent aus. Wir können also mit Zuversicht in die Zukunft schauen.

WAMS: Kann die aktuell schwierige Wirtschaftslage eine weitere Konsolidierung der Yacht- und Bootsbranche beschleunigen? HanseYachts zählt ja zu den Treibern einer stärkeren Markenkonzentration im Bootsbau.

Runde: Ich glaube, wir werden eine weitere Konsolidierung unserer Branche mit Zukäufen, Übernahmen und Fusionen sehen.

WAMS: Es gibt immer noch sehr kleine Werften im Segelyachtbau wie etwa Sirius in Plön oder Nordborg in Süddänemark. Welche Rolle spielen diese Unternehmen?

Runde: Sie bauen ein bis zwei Dutzend Boote im Jahr und haben ein anderes Geschäftsmodell als wir mit mehreren Hundert Booten im Jahr. Wenn man das auf die Automobilbranche übertragen würde, könnte man als ein Beispiel für die sehr kleinen Werften den Roadster-Hersteller Wiesmann nehmen. Es wird immer Menschen geben, die das ganz besondere schätzen und dafür auch einen sehr deutlichen Aufpreis zahlen. Für einen Serienhersteller wie uns ergibt es aber keinen Sinn, für sehr kleine Stückzahlen in anderen Produktionskonzepten zu denken.

WAMS: Spielt das Thema Lebenszyklus für Ihr Geschäftsmodell eine Rolle, also die Service-Betreuung Ihrer Yachten oder eines Motorbootes über Jahrzehnte hinweg?

Runde: Bei uns spielen die Innovationszyklen die vordringliche Rolle, Modellwechsel alle fünf bis acht Jahre, um die neusten Trends auf das Wasser zu bringen. Bei 400 bis 600 Booten im Jahr und einem weltweiten Markt steht der Lebenszyklus für uns nicht so stark im Vordergrund.

WAMS: Welche Synergien nutzen Sie bei HanseYachts zwischen dem Bau von Motorbooten und der Fertigung von Segelyachten?

Runde: Wir profitieren davon, beide Marktsegmente zu bedienen, wobei der globale Markt für Motorboote wesentlich größer ist als der Markt für Segelyachten. Bei der Herstellung des Rumpfes, beim Innenausbau oder bei der Elektronik ist vieles ähnlich und vergleichbar. Daraus ergeben sich Chancen für die Übertragung cleverer Lösungen zwischen unseren Marken.

WAMS: Welche Innovationen erwarten Sie beim Bau von Segelyachten?

Runde: Wir sehen einen Trend hin zu mehr Komfort, mehr Technik und der Integration von Systemen an Bord. Auch wird sich noch viel tun, zum Beispiel bei der selektiven Verwendung nachhaltiger Materialien. Ich erwarte auch, dass es darum gehen wird, das Segelerlebnis stärker zu vereinfachen und zu automatisieren, etwa das An- und Ablegen. Die Einstiegsbarriere in den Segelsport werden auch durch neue Besitzkonzeptionen weiter gesenkt werden. Bei den Motorbooten stellt sich besonders die Frage, welche Innovationen es bei den Antriebssystemen geben wird. Wir warten bei den Motorenherstellern noch auf technologische Fortschritte bei den Elektroantrieben.

WAMS: Sie haben seinerzeit viel Erfahrung als Manager aus verschiedenen Unternehmen und Branchen mit zu HanseYachts gebracht. War das in dieser Situation von Vorteil, speziell auch im Vergleich zu einer Führungsperson, die schon viele Jahre lang im Bootsbau gearbeitet hat?

Runde: Die Frage ist immer, zu welchem Zeitpunkt braucht welches Unternehmen welchen Managertyp. Verschiedene Erfahrungen sind hilfreich. Viele Prinzipien, die heute bei uns Anwendung finden, habe ich vorher in anderen Unternehmen in Perfektion erlebt, zum Beispiel die Produktion bei Airbus. Mein COO Stefan Zimmermann und ich haben hier in der Produktion vieles verändert. Wir haben den Materialfluss verändert, Modulbauweisen weiterentwickelt und deutlich mehr Qualitätskontrollen eingeführt. Bei SieMatic und bei Hilti habe ich sehr viel mit Premiumvermarktung zu tun gehabt. Auch das hat uns hier im Marketing sehr geholfen, zum Beispiel bei der Einführung von Digitalisierungskonzepten, auch gemeinsam mit den Händlern.

WAMS: HanseYachts tritt dezidiert für Werte ein – von Klimaschutz und Nachhaltigkeit bis hin zu Diversität in der Belegschaft – die gerade in AfD-starken Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern politisch extrem attackiert werden. Hat Ihr Unternehmen damit zu kämpfen, oder überwiegen die Vorteile bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter?

Runde: Der Unternehmenszweck und die Unternehmenskultur sind für mich das Fundament von HanseYachts. Wir erfüllen Lebensträume – das ist es, was wir wirklich tun. Wir haben eine klare Strategie. Die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten – das ist meine Definition von Unternehmenskultur –, wird darüber entscheiden, ob wir erfolgreich sind. Deshalb haben wir signifikant in die Art und Weise unserer Zusammenarbeit investiert, und dieses Investment ist einer der Gründe für unseren Erfolg in den vergangenen dreieinhalb Jahren.

WAMS: Bekommen Sie dafür auch Unterstützung speziell aus der Politik Ihres Bundeslandes?

Runde: Die Industriepolitik in Mecklenburg-Vorpommern ist für uns ein weiterer entscheidender Faktor. HanseYachts wird vom Land und seinen Entscheidungsträgern seit der Gründung klug und nachhaltig unterstützt. Wir haben zudem internationale Kunden und eine vielfältige Belegschaft. Natürlich hat man große Sorge, dass extremistische Tendenzen gesellschaftliche Strukturen zerstören und industriepolitisch auf Abgrenzung setzen. Wir erleben gerade in den USA, was eine zu nationalistisch geprägte Politik verursacht. Ich habe aber auch großes Vertrauen in die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern und in die Demokratie in Deutschland. HanseYachts steht für Vielfalt, Weltoffenheit und einen respektvollen Umgang.

Der gebürtige Hamburger Hanjo Runde, 45, studierte an der Nordakademie, der ETH Zürich und der Harvard Business School. Als Manager arbeitete er beim Küchenhersteller SieMatic, dem Werkzeughersteller Hilti und beim europäischen Flugzeugkonzern Airbus, bevor er 2021 die Führung des – seinerzeit defizitären – Segelyacht- und Motorbootherstellers HanseYachts in Greifswald übernahm. Runde, einer der beiden Söhne des früheren Hamburger Ersten Bürgermeisters Ortwin Runde (SPD), ist verheiratet und hat drei Kinder.

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet regelmäßig auch über die norddeutschen Werften für Segelyachten.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.