Bei Tesla bricht der Absatz ein. Doch die Anleger verlieren die Hoffnung nicht. Sie setzten darauf, dass Elon Musk einen neuen kommerziellen Durchbruch schafft: diesmal mit selbstfahrenden Taxis. Anders als bei den Elektroautos vor einigen Jahren ist Tesla beim autonomen Fahren allerdings kein Vorreiter.
Die schlechten Nachrichten für Tesla kamen zuletzt im Monatstakt: In China ging der Absatz von Elon Musks E-Autokonzern im Mai zurück. In Europa brachen die Verkaufszahlen im April sogar um 50 Prozent ein. Tesla verlor die Weltmarktführerschaft bei batteriebetriebenen Autos an den chinesischen Rivalen BYD. "Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Markt für E-Autos gerade deutlich wächst, sind die jüngsten Absatzzahlen wirklich katastrophal", sagt der Autoexperte und langjährige Analyst Jürgen Pieper im Gespräch mit ntv.de.
Schon im letzten Jahr konnte Tesla kein Wachstum mehr bei Umsatz und Gewinn verbuchen. Diese Schwierigkeiten haben sich zu einer handfesten Krise ausgeweitet. Tesla hat seine Vorreiterrolle verloren, so Pieper. "Die großen Autokonzerne, allen voran die deutschen, sind in den vergangenen Jahren aus ihrer Lethargie beim Thema E-Mobilität erwacht." Die Zeiten, in denen Tesla weitgehend allein mit attraktiven E-Autos, einem dichten Ladenetz und gutem Service aus dem Markt hervorstach, sind vorbei.
Zumindest mittelfristig ist nicht absehbar, wie Tesla die verlorenen Marktanteile zurückgewinnen kann. Tesla könnte versuchen, mit einem neuen Billigmodell für den Massenmarkt den Absatz zu steigern. Doch das dürfte zu Lasten der Marge gehen. Denn in diesem Marktsegment lasse sich schwerer Geld verdienen, sagt Frank Schwope, Dozent für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands Hannover. Absurd wirkten schon immer die Ankündigungen Musks zum angestrebten Wachstum bei Tesla. "Vor wenigen Jahren noch hat er ein Absatz-Wachstum von durchschnittlich 50 Prozent pro Jahr in Aussicht gestellt", erinnert sich Schwope, wenngleich diese Ziele nicht mehr gelten.
An der Börse allerdings scheint der Kontrast zwischen Musks Versprechungen und den aktuellen Absatzschwierigkeiten kaum eine Rolle zu spielen. Tesla ist nach wie vor einer der wertvollsten Konzerne der Welt. Aktuell wird der Autobauer mit über einer Billion Dollar bewertet. Zwar sank der Aktienkurs nach einem zwischenzeitlich extremen Anstieg nach der US-Präsidentschaftswahl 2024 wieder deutlich. In den vergangenen zwei Monaten - während die negativen Schlagzeilen zu den Verkaufszahlen nicht abrissen - legte der Kurs allerdings wieder um rund 50 Prozent zu. Innerhalb von zwölf Monaten hat sich der Aktienkurs etwa verdoppelt.
Zu erklären ist die Börsenbewertung von Tesla nur mit der Hoffnung auf künftige, riesige Gewinne in ganz neuen Geschäftsfeldern. Vor wenigen Jahren hatte Musk viele Beobachter ins Staunen versetzt. Während andere Unternehmen mit der Entwicklung von E-Autos noch Milliarden verbrannten, hatte er als erster bewiesen, dass es überhaupt möglich ist, mit Batteriefahrzeugen hohe Gewinne zu machen. Während Absatz und Gewinn aktuell wieder zurückgehen, hoffen die Telsa-Anleger offenbar darauf, dass Musk eine solche unternehmerische Pioniertat wiederholen kann - diesmal mit autonomen Robotaxis.
Neue Zukunftshoffnungen stehen schon bereit
Nachdem Musk seit Jahren schon davon spricht, dass eine Flotte von Millionen selbstfahrender Fahrzeuge, inklusive per Software-Update nachgerüsteter älterer Teslas, unmittelbar davor sei, den Betrieb aufzunehmen, soll es in diesem Monat endlich so weit sein: In Austin in Texas sollen schon in wenigen Tagen die ersten Tesla-Robotaxis auf den öffentlichen Straßen rollen. Ob sich diese Technik bewährt und die Tesla auf dem gerade erste entstehenden Markt für autonome Fahrzeuge durchsetzen kann, wird sich allerdings erst langfristig zeigen, glaubt Autoexperte Pieper. "Da wird es sicherlich erstmal Erfolgsmeldungen geben, wenn die ersten Fahrten dort gebucht und absolviert werden".
Anders als vor einigen Jahren mit seinen damaligen E-Auto-Modellen hat Tesla beim autonomen Fahren allerdings keinen technologischen Vorsprung, sondern ist im Gegenteil eher ein Nachzügler. Das Google-Schwesterunternehmen Waymo betreibt bereits seit Jahren autonome Taxis an der US-Westküste. Auch die deutschen Autobauer seien technologisch in diesem Bereich ebenbürtig, sagt Pieper. Die seien langsamer in der Entwicklung, dafür aber gründlicher. Da Tesla für die selbstfahrenden Autos ausschließlich auf Kameras und nicht wie andere Hersteller zusätzlich auf Lidarsensoren und Radar setzt, könnte sich als Nachteil erweisen. "Tesla dürfte mit seinen Robotaxis auf einige Märkte in den USA und Asien beschränkt bleiben, weil diese Technologie wahrscheinlich nicht die Sicherheitsstandards erfüllt, die künftig in Europa gefordert werden."
Um seine Börsenbewertung im Vergleich zu anderen Autoherstellern, die deutlich mehr verkaufen und verdienen, auch nur annähernd zu rechtfertigen, muss Tesla in den kommenden Jahren bei den Robotaxis allerdings auf riesige Stückzahlen kommen.
Wenn Tesla mehrere Hunderttausend Exemplare pro Jahr auf die Straße bringen kann, wäre das ein kommerzieller Erfolg, sagt Schwope. Das aber sei sehr ambitioniert.
Dass der Aktienkurs einbricht, falls sich Teslas Robotaxis nicht durchsetzen, ist allerdings keineswegs sicher. Musk hat schließlich auch in der Vergangenheit Ankündigungen und Versprechen immer wieder nicht eingehalten oder um Jahre verschoben, ohne dass die Investoren nachhaltig abgeschreckt wurden. Neue Zukunftshoffnungen für die Tesla-Aktionäre stehen schon bereit. So spricht Musk immer wieder davon, dass Tesla als Anbieter Künstlicher Intelligenz auch für andere Unternehmen Geld verdienen will. Zudem soll in den nächsten Jahren der humanoide Roboter Optimus auf den Markt kommen. In dem, so behauptete Musk schon vor mehreren Jahren, stecke für Tesla ein noch größeres Potenzial als im Autogeschäft.
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