Die USA verlangen ab sofort 50 Prozent Strafzoll für die Einfuhr von Stahl und Aluminium. Per kurzfristiger Anordnung hat US-Präsident Donald Trump damit den bereits im März drastisch erhöhten Aufschlag nochmals verdoppelt – und damit bei den Herstellern, vor allem aber bei den Stahlverarbeitern in Deutschland für Entsetzen gesorgt. „Stahlharte US-Zölle treffen Zulieferer mit voller Wucht“, steht über einer aktuellen Meldung des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung (WSM).

Rund 5000 Unternehmen gibt es in der Branche hierzulande, die meisten davon sind kleine und mittelständische Betriebe. Zusammengenommen haben sie fast 500.000 Beschäftigte und damit im Schnitt 100 pro Unternehmen. Und diese Firmen stecken jetzt in einem riesigen Dilemma, wie WSM-Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer betont: „US-Produzenten werden versuchen, Zulieferer aufzutun, die nicht von den Zöllen betroffen sind.

Werden sie fündig, ist der deutsche Lieferant vermutlich raus. Werden sie nicht fündig, weil das Teil zu speziell ist, beginnt das zermürbende Ringen um die Mehrkosten.“ Aber schon Teile der Zoll-Zusatzkosten könnten angesichts niedriger Gewinnspannen zu einem Existenzproblem werden. „Niemand hat die Margen, diese bodenlosen Zölle aufzufangen“, so Vietmeyer.

Zahlreiche Stahl- und Metallverarbeiter liefern zum Beispiel Stanz- und Biegeteile oder Federn in die USA. Dort werden sie dann in Fahrzeugen verbaut. Das jüngste Szenario macht diesen Export zum Fiasko und reduziert die aufgrund von Konjunkturproblemen und schlechten Standortbedingungen ohnehin angeschlagene Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nochmals, meldet der WSM. Deutschland und die EU müssten nun mit aller Kraft eine Lösung finden.

Die EU-Kommission verhandelt derzeit mit den USA über ein Handelsabkommen. Die aktuelle Zollerhöhung auf Stahl und Aluminium während dieser Gespräche nannte der zuständige Kommissar Marcos Sefcovic am Rande eines Treffens mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer „zutiefst bedauerlich“. Damit würden die laufenden Bemühungen um eine Verhandlungslösung untergraben. Dennoch gibt sich Sefcovic zuversichtlich. „Wir machen zügige Fortschritte in die richtige Richtung.“ Vergeltungsschritte seien allerdings ausgearbeitet.

Bislang hält sich die EU mit Gegenmaßnahmen zurück, nachdem Washington kurz nach der Ankündigung pauschaler Importzölle im April eine 90-tägige Pause der geplanten Maßnahmen verkündet hatte. Damit sollten die Verhandlungen nicht belastet werden. Diese Frist läuft noch bis in den Juli. Angesichts der Störfeuer aus den USA raten Wirtschaftsexperten inzwischen auch zu einer Anpassung des bisherigen Kurses. „Die EU muss bei ihrer Gegenstrategie einen Gang hochschalten“, sagt Samina Sultan, Außenhandelsexpertin am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Auch wenn das am Ende ein schwieriger Balanceakt sei. „Die EU will eine Eskalation im Handelsstreit mit den USA vermeiden, muss jedoch gleichzeitig Stärke zeigen.“

Ohnehin wundert sich Sultan über Trumps Anordnung, nicht nur verhandlungstaktisch. „Die Verdoppelung der Zölle könnte sich als zweischneidiges Schwert für die USA erweisen“, sagt die Expertin. Zustimmung kommt von Cyrus de la Rubia. „Trump sorgt an der Zollfront unverdrossen weiter dafür, dass seinem Land Schaden zugefügt wird“, meint der Chefökonom der Hamburg Commercial Bank. Mit nahezu „prohibitiv hohen Zollsätzen“ seien die Autoindustrie, Maschinenbauer und der Bausektor auf teure Stahlprodukte angewiesen. „So wird es nicht gelingen, die US-Industrie wettbewerbsfähiger zu machen und neue Arbeitsplätze zu schaffen.“

Angst vor Umlenk-Effekten

Tatsächlich sind die USA der weltweit größte Importeur von Stahl. Jahr für Jahr benötigt das Land Millionen Tonnen, weil die Produktion im eigenen Land weder ausreicht, noch alle passenden Güter hergestellt werden. Rund ein Viertel des in Amerika genutzten Stahls und die Hälfte des Aluminiums kommen aus dem Ausland. Den Stahl liefern vor allem Kanada, Brasilien, Mexiko, Südkorea und Vietnam.

Das Aluminium kommt vorrangig aus Kanada, aber auch aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und China. „Zahlen werden den Aufschlag am Ende also die Verbraucher, weil die Zölle einfach durchgeleitet werden und Produkte entsprechend teurer machen“, sagt ein Stahl-Manager. Damit werde die Inflation in den USA weiter angeheizt. Zumal auch die heimischen Anbieter ihre Preise erhöhen werden, weil sie weniger Konkurrenz aus dem Ausland haben.

Auch deutsche Unternehmen machen Geschäfte in den USA, liefern etwa Rohre, Bleche, Brammen und Coils. 2024 summierten sich die Exporte der hiesigen Erzeuger auf rund eine Million Tonnen, weitere drei Millionen Tonnen gehen aus den übrigen EU-Ländern in Richtung Übersee. Damit liegt der Amerika-Anteil an den Exporten der EU-Staaten bei rund 18 Prozent. Das entspricht einem Zwanzigstel der Rohstahlproduktionskapazitäten in den USA, die sich laut Statistik auf etwa 81,4 Millionen Tonnen belaufen.

Obwohl speziell die deutschen Stahlkonzerne unter dem Strich vergleichsweise wenig US-Geschäft haben, ist die Unruhe dennoch groß. Denn eine ganz andere Folge der Trump-Zölle könnte die Branche noch hart treffen: sogenannte Umlenkeffekte. „Stahl, der bisher in die USA verkauft wurde, vor allem aus dem asiatischen Raum, wird jetzt verstärkt nach Europa kommen“, sagt Gunnar Groebler, der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Dadurch werde der ohnehin schon hohe Importdruck weiter verschärft. Aktuell stammt schon jeder dritte in der EU verarbeitete Tonne Stahl aus Staaten von außerhalb der Gemeinschaft. Groebler, im Hauptberuf Vorstandschef des Branchenriesen Salzgitter, fordert deswegen von der EU eine Anpassung der Schutzmaßnahmen gegen Billig-Importe, in der Fachsprache Safeguards genannt.

Zumal die Branche ohnehin in einer schweren Krise steckt. Von Januar bis April ist die Rohstahlproduktion in Deutschland um zwölf Prozent auf knapp 11,5 Millionen Tonnen gesunken, meldet die Wirtschaftsvereinigung Stahl. Deutschlands Marktführer Thyssenkrupp steht derzeit vor einer Restrukturierung seiner Stahlsparte, Konkurrent Salzgitter hat zuletzt sein Sparprogramm verschärft. Der Verband spricht in diesem Zusammenhang von einer „krisenhaften Konjunktur“, was die befürchteten Zoll-Effekte nach Angaben von Präsident Groebler in der jetzigen Zeit „dramatisch“ machen würde.

Geschäft und damit Einnahmen werden aber dringend benötigt, steckt die Branche doch mitten in der grünen Transformation: weg von Koks und Kohle, hin zu umweltfreundlicheren Fertigungsverfahren mit sogenannten Direktreduktionsanlagen und Elektroöfen, die im Idealfall mit grünem Wasserstoff betrieben werden.

Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.

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