Der Goldmarkt ist zwar kleiner als der Aktien- oder Anleihemarkt. Im Zuge des Booms der vergangenen Jahre haben sich aber Risiken angesammelt. Die seien eine Gefahr für die Finanzstabilität im Euroraum insgesamt, heißt es in einer Analyse der EZB.
Die Rally am Goldmarkt hat historische Ausmaße angenommen. Seit rund eineinhalb Jahren klettert das Edelmetall von einem Rekordhoch zum nächsten. Innerhalb der vergangenen fünf Jahren hat sich der Preis für eine Feinunze etwa verdoppelt. Aus Sicht der Europäischen Zentralbank (EZB) ist das nachvollziehbar. In unsicheren Zeiten nutzten Anleger Gold als sicheren Hafen für ihr Geld, auch Notenbanken kauften Gold für ihre Reserven, heißt es in einer Analyse von EZB-Ökonomen. Doch die Experten warnen: Die jüngste Entwicklung des Goldmarktes könnte die Finanzstabilität bedrohen.
In den vergangenen Monaten, so heißt es in der Analyse, die im Rahmen des Finanzstabilitätsberichts der EZB veröffentlicht wurde, sei das Volumen von Gold-Derivaten im Euro-Raum auf eine Billion Euro gestiegen. Unter Derivaten werden alle möglichen Finanzpapiere verstanden, die sich auf handelbare Werte beziehen.
Im Fall des Goldes stellen die EZB-Experten aktuell eine "bemerkenswerte Präferenz für physisch abzuwickelnde Gold-Futures-Kontrakte" fest. Das heißt, Marktteilnehmer spekulieren auf den künftigen Goldpreis und verpflichten sich dabei, die entsprechende Menge Gold am vereinbarten Ort und Zeitpunkt bereitzustellen. Das ist deshalb bemerkenswert, weil viele Terminkontrakte an den Börsen reine Finanzwetten sind, bei denen nur Geld, aber kein physisches Gut bewegt wird. Zudem sind laut EZB-Analyse viele dieser Goldwetten gehebelt. Das bedeutet, sie sind schuldenfinanziert. Das ermöglicht den Investoren, mit relativ wenig Einsatz von Eigenkapital große Gewinne zu erzielen - bei ebenfalls großem Verlustrisiko.
Zudem beobachten die Experten, dass ein Großteil dieser Goldderivate nicht an Börsen gehandelt wird, sondern "over the counter" (OTC), also meist direkt zwischen den beteiligten Finanzinstituten. Daher sind das genau Ausmaß und die sich daraus ergebenen Risiko für die EZB als Bankenaufsicht nicht transparent.
Gefahr eines "Squeeze out"
Aus diesen Besonderheiten des Gold-Booms ergeben sich der Analyse zufolge mehrere Gefahren, die im Fall von "extremen Ereignissen" die nicht nur beteiligten Institutionen, sondern den Finanzsektor insgesamt gefährden könnte. So könnte es zu Engpässen bei den physischen Lieferkapazitäten kommen. Aufgrund der Intransparenz der OTC-Geschäfte ist nicht klar, wann welche Verkäufer an welchen Orten wie viel Gold brauchen. Bei Abschluss der Termin-Kontrakte besitzen die Verkäufer das Gold in der Regel nicht, sondern spekulieren darauf, dass sie es später günstig kaufen können.
Zudem wird ein Großteil der Terminkontrakte nicht dort abgewickelt, wo das Gold lagert. Teilweise muss es über den Atlantik von London nach New York geflogen werden. Einem Bericht des "Handelsblatts" zufolge, kam es dabei in den vergangenen Monaten schon zu kurzzeitigen Engpässen. Solche Engpässe können zu einem "Squeeze out" führen, warnen die EZB-Experten. Das ist ein extremer Preisanstieg in kürzester Zeit, der eintritt, wenn Verkäufer sich etwa bei Terminkontrakten verpflichten, haben zu einem bestimmten Zeitpunkt zu liefern, das zu liefernde Gold am entsprechenden Ort aber gar nicht in ausreichender Menge vorhanden ist.
Bei einem solchen "Squeeze out" drohen den beteiligten Finanzinstitutionen, oft Investmentbanken, unvorhersehbare Verluste. Wenn der entsprechende Terminkontrakt gehebelt ist, kommt zudem das Risiko von Sicherheitsnachforderungen der geldgebenden Banken hinzu. Als dies könnte, wie es in dem EZB-Papier heißt "zu Liquiditätsengpässen bei Marktteilnehmern führen und den Schock potenziell auf das breitere Finanzsystem übertragen".
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