Am Ende ging es doch schneller als von vielen erwartet: Am 1. Juli startet nach Recherchen von WELT am Landgericht München I einer der spannendsten Wirtschaftsprozesse in diesem Jahr. Dabei geht es um Betrugsvorwürfe gegen mehrere prominente Manager, Berater und Anwälte im Zusammenhang mit der Textilfirma Sympatex.

Konkret wird den beiden früheren Star-Beratern Stefan Sanktjohanser und Stephan Goetz vorgeworfen, gemeinsam mit fünf weiteren Beschuldigten zahlreiche Anleger, die 2017 Geld in Sympatex gesteckt hatten, mit falschen Behauptungen um Millionen gebracht zu haben. Die Beschuldigten streiten das ab. Am 1. Juli startet nun die Verhandlung gegen insgesamt vier Beschuldigte, geplant sind bis zu zwei Verhandlungstage die Woche, heißt es aus Justizkreisen. Den Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft Betrug in 97 Fällen vor. Ein weiteres Verfahren gegen Goetz soll später folgen, dem Vernehmen nach wohl erst im kommenden Jahr.

Otto-Clan unter Druck gesetzt

Noch brisanter als die Vorwürfe selbst ist etwas anderes: Wie „Business Insider“ enthüllt hatte, gehen die Ermittlungen auf die Strafanzeige einer dubiosen Münchner Unternehmerfamilie um den Münchner Geschäftsmann Christian Poetis zurück. Deren Firma Powergroup hatte Geschäfte mit Sympatex machen wollen, die jedoch nicht zustande kamen. Trotzdem war die Familie in der Folge mehrmals mit Schadensersatzforderungen zivilrechtlich gegen Sympatex vorgegangen, scheiterte aber vor Gericht.

Aus den Ermittlungen versuchte die Familie Poetis schließlich im vorigen Jahr Kapital zu schlagen, wie Business Insider berichtete. Demnach setzte sie in mehreren persönlichen Schreiben die Familie von Stephan Goetz unter Druck und behauptete, auf die Ermittlungen Einfluss zu haben. Goetz ist verheiratet mit Ingvild Goetz, eine bedeutende Kunstsammlerin und vermögende Otto-Erbin. Mehrfach forderte Familie Poetis Geld von Goetz oder der Familie Otto – bis zu knapp 100 Millionen Euro. Die Milliardärsfamilie fühlte sich bedroht, von erpresserischem Vorgehen ist die Rede. Die Familie Poetis wies das über ihren Anwalt zurück.

Verbindungen zur Münchner Staatsanwaltschaft

Hatte die Familie wirklich Einfluss auf den Prozess? Fakt ist: Bei dem Druck, den Familie Poetis auf Goetz und den Otto-Clan ausübte, halfen ihr Verbindungen zur früheren bayerischen Justiz- und Europaministerin Beate Merk und der heutigen Pressesprecherin der Münchner Staatsanwaltschaft. Zu beiden hat die Familie eine persönliche Verbindung, wie sie auf Anfrage bestätigten. Merkwürdig auch: Zwischenzeitlich vertrat ein Kanzlei-Kollege von Merk die Firma Powergroup, versuchte mit Ingvild Goetz‘ Bruder Michael Otto über Schadensersatz zu verhandeln. Seine Frau war jedoch auch Ermittlungsrichterin im Fall Sympatex.

Dass die Staatsanwaltschaft möglicherweise instrumentalisiert wurde, wiesen alle Beteiligten auf Anfrage von „Business Insider“ weit von sich. Alles sei rechtlich sauber. Doch der Rechtfertigungsdruck der Staatsanwaltschaft dürfte im nun startenden ersten Sympatex-Prozess steigen. Dem Vernehmen nach sind die Umstände der Ermittlungen inzwischen aktenkundig.

Lars Petersen ist Leiter National im Investigativ-Team von WELT, Business Insider Deutschland und Politico Deutschland und kümmert sich seit Jahren um Machtkämpfe und Affären hinter den Kulissen von Wirtschaft und Politik. Sie haben Hinweise für ihn? Dann melden Sie sich gerne beim Autor, auch vertraulich – per E-Mail oder über den verschlüsselten Messenger Threema (WTJPZ7PN).

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