Zivile Schiffe sind bei militärischen Angriffen ungeschützt. Irina Haesler ist beim Verband Deutscher Reeder für maritime Sicherheitspolitik zuständig. Im Interview erklärt sie, warum Reedereien angesichts des Kriegs zwischen Israel und Iran trotzdem "nicht in Panik" verfallen und auch die Straße von Hormus weiter befahren.

Frau Haesler, wären Sie Kapitänin auf einem Containerschiff, würden Sie derzeit durch die Straße von Hormus fahren?

Irina Haesler: Ja.

Aber der Iran hat doch gedroht, die Meerenge zu blockieren oder zu verminen. Trotz Waffenstillstand ist dieses Szenario weiter möglich. Warum würden Sie sich das trotzdem trauen?

Es ist nicht das erste Mal, dass der Iran gedroht hat, die Straße von Hormus zu blockieren. Diese Drohung kommt seit vielen Jahren immer wieder. In der Schifffahrt haben wir viele geopolitische Herausforderungen - wenn wir bei jeder Drohung den Schiffsverkehr lahmlegen, geben wir den Drohenden zu viel Macht. Eine Sperrung der Straße von Hormus würde auch dem Iran und seinen Verbündeten schaden. Ich will das nicht runterspielen, wir beobachten die Situation mit unseren Mitgliedsunternehmen sehr genau und stehen im engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden, aber verfallen nicht direkt in Panik.

Was hören Sie von Ihren Mitgliedern und den Crews in der Region?

Derzeit fahren unsere Mitglieder weiter durch die Straße. Es gibt ein paar Abweichungen, manche passieren zum Beispiel nicht mehr nachts. Die deutsche Marine hat uns Warnhinweise geschickt und rät zu erhöhter Wachsamkeit. Das Risiko wird derzeit als "elevated", also erhöht, eingestuft, aber noch nicht "high" - so wie es bei den Angriffen durch die Huthi-Terroristen im Roten Meer war. Allerdings ist die Situation im Nahen Osten wahnsinnig volatil.

Tatsächlich gab es auch nach Beginn der Waffenruhe Angriffe beider Seiten. Und für die Schiffe besteht auch die Gefahr durch die Huthi-Rebellen weiter. Wie können sich die Crews schützen?

Gar nicht. Wenn Sie mit Raketen oder Drohnen angegriffen werden, haben Sie keinen Schutz. Bei den Huthis haben die meisten Reedereien beschlossen, die Region zu umfahren. Und natürlich werden zuvor Sicherheitsanalysen gemacht und die Lage beobachtet. Niemand fährt los, wenn kurz zuvor Raketen geflogen sind. Aber sich als Crew gegen militärische Angriffe schützen? Das ist unmöglich.

Könnten die Schiffe bei der Straße von Hormus auf eine andere Route ausweichen?

Nein, diese Meerenge ist eine Art Sackgasse. Dort liegen die Ölstaaten, aus denen das Öl abtransportiert wird und die Schiffe müssen da durch. Da gibt es keine Ausweichroute.

Der Konflikt hat auch finanzielle Auswirkungen, die Versicherungskosten der Schiffe sollen massiv gestiegen sein.

Das ist in so einer Situation normal. Je gefährlicher, desto stärker steigen die Versicherungsraten. Allerdings hatten wir in der Straße von Hormus - und hoffentlich bleibt es so - noch keinen Angriff auf ein Schiff. Deswegen sind die Versicherungsraten noch nicht auf dem Level, wie sie es zu Höchstzeiten der Huthi-Angriffe waren. Am Ende des Tages werden diese Ausgaben auf die Gesamtkosten umgelegt.

Das heißt, bei uns werden Produkte knapper und teurer?

Dass Waren knapp werden, ist unwahrscheinlich. Einen solchen Fall hatten wir nicht einmal, als der Suezkanal blockiert war. Bei der Straße von Hormus ist zunächst einmal der Ölpreis gestiegen - allerdings bald danach schon wieder gesunken. Und nicht einmal der Kriegseintritt der USA hat daran groß etwas geändert. Wenn die Straße von Hormus jetzt natürlich doch langfristig blockiert würde, dann wären die Folgen größer. So weit ist es aber noch nicht.

Mit Irina Haesler sprach Kilian Schroeder.

Dieser Text erschien zuerst auf capital.de.

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