96.613 Barren oder rund ein Drittel der deutschen Goldreserven lagern bei der Federal Reserve in New York. Angesichts der Versuche Donald Trumps, sich die Notenbank zu unterwerfen, nehmen die Sorgen um diesen Milliarden-Schatz zu. Forderungen werden laut, das Gold komplett nach Deutschland zu holen. Im Interview mit ntv.de erklärt Johannes Beermann, ehemaliger Vorstand der Bundesbank, warum das keine gute Idee sei.
Sie haben als zuständiger Bundesbankvorstand die deutschen Goldreserven mit eigenen Augen gesehen. Wie sieht es aus in diesen Lagern?
In Frankfurt wird es in großen Gelassen auf dem Gelände der Bundesbank in Kisten gelagert. Genaueres darf ich aus Sicherheitsgründen nicht sagen. In New York City können sogar Touristen, nach Voranmeldung, den Goldkeller der Federal Reserve besuchen. Allerdings kommen diese Besucher nicht in die Räume, in denen das Gold lagert. Die Bundesbank hat das Privileg, dass sie dort eigene Räume für ihr Gold hat. Das ist nicht bei jedem Land beziehungsweise jeder Notenbank, deren Reserven bei der Fed lagern, der Fall. In diesen Kellerräumen, einer neben dem andern, sind die Goldbarren quasi vom Boden bis zur Decke gestapelt.
Die Bundesbank besitzt eine riesige Menge Gold, allein in New York sind es mehr als 1700 Tonnen. Wie wird überprüft, dass wirklich nichts fehlt? Muss man sich das vorstellen wie eine Inventur im Supermarkt?
Das ist tatsächlich ein passender Vergleich. Insgesamt verfügt die Bundesbank über exakt 267.682 Goldbarren. Davon befinden sich 136.637 in Frankfurt. In New York sind es 96.613 und bei der Bank of England in London liegen 32.432 Barren. In größeren Abständen wird eine Gesamtaufnahme gemacht. Jeder Barren ist einzeln erfasst, gescannt und mit einer Nummer versehen. So dass man exakt weiß, wo welcher Barren liegt. Außerdem muss die Bundesbank ja jedes Jahr eine Bilanz vorlegen, die von Wirtschaftsprüfern geprüft wird. Alles, was darin aufgeführt wird, also auch das Gold, müssen die Wirtschaftsprüfer kontrollieren. Die gehen auch nach New York, überprüfen die Goldbarren anhand der Liste. Die Liste der Goldbarren wird einmal im Jahr veröffentlicht und ist auf der Homepage der Bundesbank einsehbar.
Halten Sie es theoretisch für möglich, dass der Bundesbank durch irgendeine Art von Täuschung oder Betrug etwas von diesem Gold abhanden kommen kann?
Ich halte das für unmöglich, mir fehlt die Fantasie, wie das jemand machen könnte. Also selbst der physische Diebstahl ist nicht so einfach, jeder Barren wiegt über zwölf Kilo. Außerdem sind die Sicherheitsvorkehrungen, auf die ich aus offensichtlichen Gründen nicht näher eingehen kann, sehr hoch. Mir ist nicht bekannt, dass überhaupt schon einmal etwas aus den Tresoren der Fed gestohlen wurde.
Donald Trumps erklärtes Ziel ist es, die Unabhängigkeit der Federal Reserve zu beenden. Müssen wir uns da nicht Sorgen machen, dass es dann mit der Verlässlichkeit bei der Aufbewahrung unseres Goldes bald nicht mehr weit her ist?
Die Lagerung von Gold ist nie ganz ungefährlich. Ursprünglich wurden die Reserven der Bundesbank deshalb nicht in Deutschland selbst gelagert, weil es hier im Kalten Krieg zu nah am Eisernen Vorhang und daher im Kriegsfall bedroht war. Gold und sein Besitz ist immer mit Ängsten verbunden. Wer könnte es stehlen? Ist es wirklich sicher gelagert? Diese Fragen stellen sich immer, in erster Linie aber nicht aus politischen Gründen.
Was heißt das für die Sicherheit am Standort New York?
Seit vielen Jahrzehnten schon liegt dort ja nicht nur unseres, sondern das Gold vieler Zentralbanken. In dieser langen Zeit ist da noch nie etwas passiert. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.
Ursprünglich wurde das deutsche Gold auch aus Sicherheitsgründen im Ausland gelagert. Was spricht heute dafür, unsere Goldreserven so weit weg aufzubewahren?
Dafür spricht, dass Gold ein Teil der Währungsreserven ist. Diese Reserven bestehen teilweise aus anderen Währungen und eben Gold. Falls der Euro stark an Wert verlieren würde, könnte die Bundesbank unter anderem mit ihrem Gold intervenieren. Das heißt, sie müsste das Gold verkaufen. Und das kann sie nur an einem internationalen Handelsplatz und zwar einem, an dem andere Zentralbanken vertreten sind und vor allem Gold gehandelt wird. Das ist nur in New York und London der Fall. Frankfurt, wo über die Hälfte des Goldes der Deutschen liegt, ist kein Platz, an dem Gold gehandelt wird. Da eine solche Intervention schnell gehen müsste, ist es für die Funktion des Goldes als Teil der Währungsreserve wichtig, dass das Gold an diesen Handelsplätzen direkt vor Ort ist.
Soweit ich weiß, hat die Bundesbank zumindest seit der Euroeinführung nicht am Devisenmarkt interveniert, also ihre Reserven und das Gold darin gar nicht genutzt. Heißt das, dass das Gold nutzlos war bisher?
Allein dadurch, dass es da ist und man es nutzen könnte, hat das Gold eine Funktion erfüllt. Gold ist ein Vertrauensanker. Dadurch, dass die Bundesbank in Deutschland mit über 3300 Tonnen die zweitgrößten Goldreserven der Welt hat, schaut man auch ein bisschen mit Ruhe nach Frankfurt und auf unsere Währung: "Da steckt eben ein bisschen was dahinter." Die Bilanz der Bundesbank im vergangenen Jahr belief sich auf etwa 2,4 Billionen Euro, daran hat das Gold mit 270 Milliarden einen Anteil von etwas mehr als zehn Prozent. Das ist zwar im Verhältnis also gar nicht viel. Aber ich glaube, dass Gold hier eine wichtige psychologische Rolle spielt, um das Vertrauen der Menschen in die Währung zu stärken.
Die Rolle von Gold als Vertrauensanker und Reservewert für Zentralbanken und auch andere Institutionen und Privatpersonen ist in den letzten Jahren wieder größer geworden. Das spiegelt sich unter anderem im stark gestiegenen Goldpreis wider. Andererseits glauben manche, dass künftig Bitcoin als "digitales Gold" diese Funktion übernehmen könnte. Die digitale Währung hätte den Vorteil, dass man keine teure Lagerung in Tresoren bräuchte. Was halten Sie von der Idee, dass Gold durch digitales Gold abgelöst werden könnte?
Digitales Gold gibt es nicht, denn Gold ist einmalig. Gold ist das, was man in der Hand hat, was man um den Hals trägt. Gold ist das, was weltweit als wertvoll anerkannt wird und das ist schon seit ewigen Zeiten so. Ich glaube nicht, dass sich diese einmalige haptische Stellung des Elements Gold in die digitale Welt übertragen lässt.
Mit Johannes Beermann sprach Max Borowski.
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