Deutschlands größter Fleischkonzern Premium Food Group (PFG) wehrt sich gegen eine Verbotsentscheidung des Bundeskartellamts. Die Wettbewerbsbehörde hat dem früher als Tönnies bekannten Familienunternehmen kürzlich untersagt, das deutsche Rindfleischgeschäft des niederländischen Konkurrenten Vion Food Group mit insgesamt vier Schlacht- und Zerlege- sowie zwei Häuteverarbeitungsbetrieben in Süddeutschland zu übernehmen.
Dagegen hat PFG nun Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. „Wir haben eine andere Meinung zur Entscheidung des Kartellamts und sind bereit, diese Auseinandersetzung gerichtlich auszutragen“, sagte Maximilian Tönnies, der Geschäftsführende Gesellschafter von PFG, vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf (WPV). Zudem zieht das Unternehmen auch weitere Schritte in Erwägung, etwa die Beantragung einer Ministererlaubnis.
Das Kartellamt begründet sein Verbot mit der dominierenden Marktstellung, die PFG durch die geplante Übernahme erlangen würde. Tönnies indes hält die Bewertung der Marktposition für falsch: „Weil wir ein Angebot gemacht haben, das ausreichend Wettbewerb geschaffen hätte.“ Zudem gebe es ein überragendes Gemeinwohlinteresse. „Es geht um nichts weniger als die Zukunft der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Süddeutschland.“ Seit der negativen Entscheidung des Kartellamts habe es zahlreiche Hilferufe von Landwirten, aber auch von anderer Seite gegeben.
Tatsächlich gibt es nicht mehr viele große Rinder-Schlachthöfe in Süddeutschland. In der bayerischen Landesregierung kommt daher die Sorge vor Versorgungsengpässen und einem Strukturbruch auf. Denn Vion will sich im Zuge einer strategischen Neuausrichtung aus dem wettbewerbsintensiven deutschen Markt zurückziehen und sich stattdessen stärker auf die Benelux-Länder konzentrieren. Und damit könnten bei einem gescheiterten Verkauf auch Schließungen drohen.
„Anstatt froh zu sein, dass ein deutsches Unternehmen Schlachthöfe übernimmt und in die Zukunft investiert, schiebt das Kartellamt den Riegel vor. Dieser Schritt ist für mich absolut nicht nachvollziehbar“, beklagt Michaela Kaniber, die bayerische CSU-Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. „Wir wollen kurze Transportwege, eine sichere Ernährungsversorgung und die Wertschöpfung möglichst im eigenen Land behalten.“
Dass es kartellrechtlich schwierig werden könnte, dürfte allen Beteiligten indes klar gewesen sein. Immerhin ist Tönnies das mit Abstand größte Schlachtunternehmen hierzulande und Vion hinter Westfleisch die Nummer drei im Markt. Um Bedenken auszuräumen, wollte PFG dem Vernehmen nach im Zuge der geplanten Übernahme einen Betrieb abgeben und einen weiteren verpachten. Das allerdings hat dem Kartellamt nicht ausgereicht. „Diese Zusagen waren nicht geeignet, die Entstehung, beziehungsweise Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung auf den betroffenen Märkten abzuwenden“, heißt es von der Behörde.
Dagegen habe sowohl die konkrete Ausgestaltung der Zusagen als auch die fehlende Unabhängigkeit der geplanten Erwerber von der Tönnies-Gruppe gesprochen. Nun könnte aber nochmal Bewegung in die Sache kommen. Denn PFG will parallel zum angestrengten Gerichtsverfahren wieder mit dem Kartellamt sprechen und scheint dabei zu zusätzlichen Zugeständnissen bereit zu sein. Das jedenfalls hat Konzernchef Tönnies vor der WPV angedeutet.
Wohl auch, weil mit Westfleisch plötzlich ein Wettbewerber Interesse an den Vion-Standorten im Süden anmeldet. Man prüfe strategische Optionen für einen Markteintritt in Süddeutschland, heißt es von der Genossenschaft aus Münster. Am offiziellen Vion-Verkaufsprozess im vergangenen Jahr hatte sich Westfleisch derweil nicht beteiligt. Branchenexperten sprechen den Westfalen ohnehin die nötige Finanzkraft für eine Übernehme ab, genau wie anderen denkbaren Käufern wie der Müller-Gruppe aus Baden-Württemberg oder Danish Crown. PFG-Chef Tönnies zeigt sich entsprechend überrascht. „Es muss ja gute Gründe geben, warum die Prozessbeteiligten Westfleisch nicht als Alternative gesehen haben, beziehungsweise warum sich Westfleisch nicht vorher intensiv bemüht hat.“
PFG erwägt auch Antrag auf Ministerentscheid
Gleichwohl hat PFG erst einmal weiter das Zugriffsrecht. „Wir haben einen gültigen Vertrag“, sagt Tönnies. Und der gelte auch während des nun angestrengten Gerichtsverfahrens. „Gehen Sie davon aus, dass wir genug Zeit haben.“ Wie lange dieses Verfahren dauert, vermag der Unternehmer nicht zu prognostizieren. Monate werden es aber mindestens sein, sagen Beobachter, möglicherweise Jahre. Schon die Fusionskontrolle hat rund neun Monate in Anspruch genommen.
Vion bemüht sich derweil, keine Panik bei Lieferanten und Kunden aufkommen zu lassen. „Die Entscheidung des Kartellamts hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Tagesgeschäft“, haben die Niederländer bereits klargestellt. „Auch wenn das Ergebnis anders ausgefallen ist als geplant, bin ich voll und ganz davon überzeugt, dass wir unsere Märkte bedienen können, während wir die Bewertung des Bundeskartellamts analysieren und die besten nächsten Schritte festlegen“, wird Tjarda Klimp zitiert, die Vorstandschefin der Vion Food Group.
Eine Hängepartie will PFG gleichwohl vermeiden. Deshalb erwägen die Ostwestfalen parallel zum Gerichtsverfahren und neuen Gesprächen mit dem Kartellamt auch eine politische Lösung. „Wir sind als Unternehmen in der Pflicht, jede Möglichkeit zu prüfen. Dazu gehört logischerweise auch ein Ministerentscheid.“ Auch wenn das natürlich der Weg sei mit den höchsten Hürden.
Bei diesem Verfahren kann das Bundeswirtschaftsministerium eine vom Kartellamt untersagte Fusion doch noch erlauben, etwa wenn ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Genutzt wurde dieses Instrument seit Einführung der Fusionskontrolle äußerst selten. Der letzte große Fall war 2016 die nachträgliche Erlaubnis des damaligen Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD), der die Übernahme der Supermarktkette Tengelmann durch Konkurrent Edeka unter Auflagen und gegen den Willen der Wettbewerbshüter durchgewunken hat. Zwar hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Ministererlaubnis aufgrund einer Klage von Rewe, Norma und Markant wieder außer Kraft gesetzt. Nach einem Interessenausgleich zwischen den Beteiligten, in dem Fall einer Aufteilung der Filialen, wurden die Klagen zurückgezogen und die Ministererlaubnis bestandskräftig.
Tönnies sieht für sich das öffentliche Interesse und glaubt damit eine Offenheit seitens der Politik. Denn die Sorge vor einem Strukturbruch und „dass Schlachthöfe dort langfristig nicht mehr existent sind“, wie er es ausdrückt, sei groß in der betroffenen Region. „Sollte es dort zu Schließungen kommen, werden die Transportwege für die Tiere bis zum nächsten Schlachthof deutlich weiter. Das aber steht dem Tierwohl-Thema entgegen und verursacht zudem noch hohe Logistikkosten, die an die Verbraucher weitergegeben werden müssen“, ordnet die Landwirtschaftskammer Niedersachsen ein.
Tönnies wiederum betont die Bedeutung seines Unternehmens für den Lebensmittelhandel. „Wir sind einer der großen Produzenten von SB-Fleisch und Lieferant sämtlicher Bedientheken in Deutschland vom Supermarkt über Metzgereien bis zu Caterern.“ Gemessen an den Nettoumsätzen ist PFG derzeit nach eigenen Angaben sogar der größte Lieferant für den deutschen Lebensmittelhandel insgesamt, noch vor Konzernen wie Oetker, Coca-Cola, der Molkerei Müller oder Ferrero. Den Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück bezeichnet Tönnies als „größten Fleischbetrieb in Europa“ mit Schlachtung, Zerlegung und Weiterverarbeitung. 2024 lag der Umsatz seines Unternehmens bei fast acht Milliarden Euro.
Und es gibt weitere Expansionspläne. „Wir sind offen für Investitionen jeglicher Art in der Lebensmittelbranche“, sagt Eigentümer Tönnies. Dazu könne zum Beispiel der Wachstumsbereich Geflügel gehören. Bislang ist PFG lediglich Verarbeiter von Geflügelfleisch, hat in diesem Segment aber keine Kapazitäten für Schlachtung und Zerlegung. „Wenn man da Richtung Osteuropa denkt, gibt es sicherlich große Möglichkeiten.“ In Deutschland sei es dagegen eher schwierig.
Jenseits des klassischen Fleischgeschäfts mit Schweinen und Rindern ist PFG bereits tätig in Bereichen wie Tierfutter, alternative Proteine, also vegane Produkte, Insekten-Nahrungsmittel, Bio-Kerosin, Logistik und Lagerhaltung für Ultrafrische- und Tiefkühlprodukte oder auch KI und Versicherungen. Zweitgrößtes Standbein aber ist das Thema Wurst mit der Konzerntochter Zur-Mühlen-Gruppe, dem hierzulande größten Hersteller in diesem Segment. Und auch da gibt es aktuell Bewegung und ein mögliches Kartellthema. Denn PFG will als Investor bei seinem größten, aktuell aber angeschlagenen Konkurrenten The Family Butchers (TFB) einsteigen. Geplant ist die Übernahme von knapp 49 Prozent der Anteile – wenn das Kartellamt zustimmt.
Wobei Tönnies keine Probleme sieht, wie er vor der WPV betont hat. „Der Wurstmarkt ist komplett anders aufgestellt als der Fleischmarkt“, begründet der Sohn von Firmenmitgründer Clemens Tönnies. So komme erst gar nicht zur Grundthematik des Schlacht-Themas. „Fleisch wird europa-, bei Geflügel weltweit eingekauft, irgendwohin transportiert und dann ein Produkt erzeugt.“
Und da gebe es ausreichend Wettbewerb mit in Deutschland rund 250 mittelständisch geprägten Wurstfabriken und dazu eigenen Werken des Lebensmittelhandels mit allein fast sechs Milliarden Euro Umsatz. „Deswegen sehen wir dort keine Hemmnisse für eine Kartellfreigabe.“ Behörden-Chef Andreas Mundt hält sich derweil bedeckt. Eine Einschätzung wollte er kürzlich bei der Vorlage der Jahresbilanz des Kartellamts nicht geben. Der entsprechende Antrag sei aber auch noch nicht eingegangen.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.