Kia beweist mit dem EV3, dass Elektromobilität auf bodenständigem Level möglich ist, ohne zu darben. Dabei zeigt der formal eigentlich der Kleinwagenklasse zugehörige Allrounder wenig Schwächen und viel Flexibilität.

Man kann der Meinung sein, dass Kia einen großen Fehler macht. Gut, wollen wir mal nicht übertreiben. Aber immerhin einen Fehler: Der Konzern mit den frühen Ambitionen, ziemlich schnell laden zu können, kappt bei den kleinen und kompakten Elektrobaureihen einfach mal das rasante Charging - so nutzt der stylish gezeichnete Kleinwagen EV3 bloß 400 Volt Spannung. Klar, man muss auch so realistisch sein und wissen, dass das in diesem Segment weitgehend in Ordnung ist.

Jetzt kann man anbringen, dass auch Mercedes CLA und Smart #5 als bürgerliche Offerten mit 800 Volt um die Ecke kommen, aber hier sind eben auch andere Kurse im Spiel. Kurzer Blick in die EV3-Preisliste: Ab 35.990 Euro startet der Koreaner und bietet dafür immerhin 204 PS, jede Menge Ausstattung und reichlich Platz.

Was möchte man noch haben, wenn Dinge wie LED-Scheinwerfer, Navi, Parksensoren, Rückfahrkamera, schlüsselloses Schließsystem und adaptiver Tempomat bereits an Bord weilen? Anschließend folgt ein Blick auf die Abmessungen - und mit 4,30 Metern Länge wildert der EV3 fast schon im Kompaktsegment. Nimmt man den Radstand von 2,68 Meter als Maßstab, liegt er gar drüber. Selbst der gerade enthüllte Volkswagen T-Roc bietet bloß 2,63 Meter. Entsprechend großzügig fällt die Kniefreiheit in der zweiten Reihe aus.

EV3 als Hauptauto für die Family? Kein unrealistisches Szenario. Wobei man das Gepäckraumvolumen ambivalent betrachten muss. Einerseits reichen 460 Liter bei aufgestellten Lehnen für das Transportieren hinreichend vieler Urlaubskoffer. Andererseits sind 1251 Liter Maximalkapazität vielleicht für das Segment okay, aber ob Häuserbesitzer mit Garten hier nicht eher mehr wollen, sei dahingestellt.

Warum nicht weniger Leistung?

Mehr Leistung hingegen braucht es wohl kaum, und hier liegt auch ein bisschen die Elektroauto-Krux. Denn ehrlicherweise käme eine bodenständige Familienkutsche auch locker mit 150 PS aus. Warum also nicht eine Leistungsstufe darunter anbieten zum günstigeren Kurs? Am Ende ist es spekulativ, aber die Margen in der batterieelektrischen Szene scheinen eben doch geringer auszufallen. Und außerdem es ist einfach zu verlockend, viel zumindest kurzzeitig verfügbare Power aus einem elektrischen Aggregat zu schöpfen. Man hat keine Probleme mit Abgas oder Gemischaufbereitung oder eben der Optimierung des Turboladers.

Und so kommt es, dass der brave Fronttriebler so kräftig beschleunigt wie früher mal sportliche Autos. Siebeneinhalb Sekunden genügen, um Landstraßentempo zu erreichen. In der Praxis macht der 1,8-Tonner allerdings einen eher souverän-moderaten Eindruck, als besonders sportlich zu wirken. Dazu agiert die Lenkung zu leichtgängig, ist eher darauf ausgelegt, das SUV möglichst bequem in die enge Parklücke zu bugsieren.

Kurven möglichst rasant nehmen zu können, ist nicht die vorwiegende Aufgabe eines EV3. Eher schon das Wegbügeln schlecht geglätteter Fahrbahnoberflächen. Fällt allerdings zunehmend schwerer, desto größer die Felgen ausfallen. Also lieber ruhig mal zu den 17-Zöllern greifen, wenn es ausgeprägt sanft sein soll.

Beim Testwagen müssen es freilich 19 Zoll sein, sonst sind Beschwerden zu erwarten, warum das Auto lediglich so kleine Räder habe. Optik geht eben vor Komfort. Und wirklich unkomfortabel gleitet auch ein mit 19-Zoll-Leichtmetallrädern bestückter EV3 nicht über Bodenwellen. Zum entspannten Ankommen auch an weiter entfernte Ziele tragen freilich auch ganz ordentlich konturierte Sitze bei; allerdings schmeicheln die vorderen Stühle dem Allerwertesten mehr als das hintere Mobiliar, was irgendwie auch dem Segment geschuldet ist.

Kleiner EV3 mag auch Langstrecke

Und wenn ich jetzt eine Diskussion darüber beginne, wie gut man den EV3 zum Kilometerfressen einsetzen kann, werden manche Leser sicherlich die Stirn runzeln. Aber das Kapitel sollte dennoch angegangen werden, denn es wird EV3 geben, die ihre Besitzer auch mal in die Ferien begleiten sollen. Und hey, Kia selbst scheint das auch so zu sehen, denn nicht umsonst bieten die Koreaner den Kleinen mit verhältnismäßig gewaltigen 81,4 kWh Batteriekapazität an. Dann sollten lange Strecken wirklich kein Problem mehr darstellen.

Aber so einfach hat es sich ntv.de natürlich nicht gemacht. Hier liegt der Fokus ja auf möglichst geringen Kosten. Also darf es nur der kleine Akku mit 58,3 kWh sein. Damit ist die Realreichweite dann tatsächlich etwas eingeschränkt - um die 300 Kilometer stehen bei ordentlich gefüllter Batterie auf der Uhr. Zieht man noch ein bisschen ab, darf man für eine Fahrt quer durch Deutschland (rund 1000 Kilometer) ruhig mal 60 bis 90 Minuten Ladezeit einplanen.

In der Praxis haben 30 Minuten ausgereicht, um den Speicher von 7 auf 77 Prozent zu bringen. Das Werk nennt 29 Minuten für den Hub von 10 auf 80 Prozent bei maximaler Ladeleistung von 101 kW - passt. Apropos Laden, hier haben ja auch Smartphones Bedarf. Wer den EV3 entert, entdeckt unverzüglich die gut zugängliche kabellose Ladeschale. Und reicht die nicht aus von der Ladegeschwindigkeit, kein Problem - zwei USB-Anschlüsse sind nicht weit entfernt. Digital Natives dürften die große Kommandozentrale in Form eines großen Touchscreens schätzen. Zum Glück mit einem recht intuitiven Menü. Physische Tasten für die Regelung der Innenraumtemperatur sind löblich, die architektonisch schicke Menüleiste mit Schaltflächen hingegen weniger, denn haptisch fein ist anders.

Kosten, Kosten, Kosten - das wird sich Kia bei der Überlegung gedacht haben, die Wärmepumpe für das Grundmodell wegzulassen (gegen Aufpreis aber möglich). Schlecht wäre sie nicht, um den Stromverbrauch bei kalter Witterung nicht in unangenehme Höhen steigen zu lassen. Bei milder Witterung sind um die 17 kWh je 100 Kilometer bei gemischter Fahrweise realistisch.

Datenblatt Kia EV3 58,3 kWh

Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)

4,30 / 1,85 / 1,57 m

Radstand

2,68 m

Leergewicht (DIN)

1800 kg

Sitzplätze

5

Ladevolumen

460 bis 1251 l

Motorart

Eine Elektromaschine

Getriebe

Eine Übersetzung, fest

Systemleistung

204 PS (150 kW)

Antrieb

Vorderradantrieb

max. Drehmoment

283 Nm

Beschleunigung 0-100 km/h

7,5 s

Höchstgeschwindigkeit

170 km/h

Akkukapazität

58,3 kWh

Maximale Ladeleistung (Gleichstrom)

101 kW

Ladeleistung (Wechselstrom)

11 kW

Verbrauch (kombiniert)

14,9 bis 15,8 kWh

kombinierte WLTP-Reichweite

414 bis 436 km

CO₂-Emission kombiniert

0 g/km

Grundpreis

Ab 35.990 Euro

Fazit: Der Kia EV3 mit Basisakku darf als solider Allrounder bezeichnet werden. Er besticht durch gutes Packaging und bietet viel Platz auf kompaktem Raum. Auch längere Strecken macht der Koreaner souverän, der Fahrkomfort geht in Ordnung. Wer jedoch den kleinen Akku wählt, sollte das mit Bedacht tun, denn die Reichweite ist in diesem Fall begrenzt - ebenso die Ladepower. Vor allem letzterer Punkt ist die große Schwäche dieses Kia. Andererseits muss man das Ladegeschehen im Kontext mit dem Segment sehen. Und dann wird das Bild wieder stimmig.

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