Dass BMW das Label "Neue Klasse" wiederbelebt hat, birgt eine coole Seite. Andererseits kann dieses historische Zitat aber auch zur Bürde werden. Denn mehr Erwartung kann man kaum erzeugen. ntv.de durfte nun den neuen iX3 im Entwicklungsstadium fahren.

Wenn man den BMW-Ingenieuren zuhört, muss das zuletzt eine schwere Zeit gewesen sein. Gemeint ist die Zeit, in der die Neue Klasse entstanden ist. Logisch, der Druck muss enorm sein. Wenn du quasi eine Plattform auf einem weißen Blatt Papier komplett neu entwirfst, muss alles stimmen. Vor allem, wenn es auch noch eine elektrische Plattform ist. Das später auf die Straße rollende Auto muss ein Volltreffer sein, denn Druck kommt von allen Seiten. In Europa verschmäht das Gros der Autokunden elektrische Antriebe, China überzieht den Globus mit einer elektrischen Neuheit nach der anderen - und der US-amerikanische Markt war auch mal verlässlicher. Zölle und so. Und Geld sollte ja am Ende auch noch irgendwie hängenbleiben.

Also darf BMW bei dem neuesten Elektroauto nicht patzen. Die Münchener starten vorsichtshalber mal mit ihrem Mittelklasse-SUV. Weil das Fahrzeugsegment läuft. Und normalerweise ist es ja so, dass man den Zugang zu einem neuen Auto erst einmal über seine Optik bekommt. Doch in dieser frühen Phase ist der iX3 noch getarnt. Kleiner Spoiler: Die schmale historische Niere kommt so in der Serie, das sieht man ja auch schon bei der verfremdeten Flotte. Hier und heute geht es aber weniger um das Design, stattdessen gibt es einen Intensivkurs in Infotainment und Technik vom Antrieb über das Fahrwerk bis hin zu den Regelsystemen.

Freude am Fahren ist hier Programm

Doch wer aufmerksam durch die Workshops streift, bekommt einen kleinen Bonbon. Denn bei der Demo des neuen Interfacedesigns auf dem zentralen Touchscreen taucht plötzlich der komplett ungetarnte iX3 als ziemlich realistisch gestaltete Grafik auf. BMW kann froh sein, dass fotografische Gedächtnisse selten sind. Aber Vorfreude soll ja die größte Freude sein. Und Freude gibt es im Kontext mit der Neuen Klasse sowieso in großen Mengen. Allein das Display-"Band" namens Panoramic iDrive zwischen Armaturentafel und Frontscheibe (von A-Säule zu A-Säule) ist ein Fest für Digital Natives. Und es lässt sich vielfältig konfigurieren mit den persönlich bevorzugten Themen, also mit Dingen wie dem aktuellen Musiksender oder der Höhenanzeige. Doch auch nicht grenzenlos. Höhenanzeige und Tageskilometerzähler gleichzeitig? Beispielsweise nicht vorgesehen.

Doch das Unverständnis dafür ist schnell verflogen beim Test der Fahrdynamikregelsysteme. Also ab mit dem Brocken auf die Teststrecke und ein bisschen um die Ecken wetzen. Schwergewicht? Ist derzeit bloß eine Vermutung (Daten folgen) bei derart viel Akku, dass die Reichweite-Anzeige selbst bei weniger als 100 Prozent State of Charge noch über 700 Kilometer anzeigt. Aber wirklich Notiz von der Masse nimmt der Fahrer nicht. So leichtfüßig wie der iX3 Kurven umrundet, ist das schon benchmarkverdächtig. Und dabei besticht die Lenkung mit einer bisher ungeahnten Mischung aus Leichtgängigkeit und Präzision. Wer (oft zurecht) kritisiert, dass elektrische Antriebe wegen ihres fehlenden Motorsounds an Emotionalität einbüßen, könnte hierin eine Kompensation finden. Wer ambitioniert mit diesem BMW unterwegs ist, merkt in der Faszination über die Querdynamik gar nicht mehr, dass er in einem Elektroauto sitzt. Klingt übertrieben? Ist es aber nicht.

Nur vier Steuergeräte

Und wer bei dem SUV durch schwere Lastwechsel einen Heckschwenk provoziert, wird je nach Fahrprogramm etwas früher oder eben später eingefangen, aber immer durch eine betont sanfte Regelung. In "Sport" wird die Lenkung merklich straffer, ist verbindlicher. Welche Einstellung mehr Spaß macht, bleibt Geschmacksache. Abgerundet wird der Eindruck von einer gut dosierbaren, präzisen Bremse, deren Wirkung hauptsächlich durch Rekuperation erzeugt wird, um Bewegungsenergie in Strom zurückzuwandeln. Als kleines Gimmick moduliert die Anlage das Bremsmoment bis zum Stillstand. Heißt im Klartext, dass der iX3 beim Abbremsen an der Ampel selbsttätig kurz vor dem Stehenbleiben noch einmal Moment herausnimmt, um den berühmten Ruck zu vermeiden. Außer, man steht wirklich mit dem ganzen Gewicht auf dem Pedal, dann wird aber auch die Reibbremse aktiv.

All diese Steuerungen sollen auf das Konto des "Heart of Joy" gehen, so nennt BMW das elektronische Nervensystem der Plattform - gebündelt in vier Steuergeräten. An dieser Stelle ein kleiner Gruß an die Kritiker mit dem Faible für Teslas berühmte Entwirrung bei der Komplexität der Steuerung. Ein einziges zentrales Herz wie bei den Amerikanern wäre bei BMW angesichts der Fülle an Funktionen aber nicht möglich gewesen. Apropos Dynamik: Nicht nur auf der kurvigen Landstraße macht der iX3 Tempo.

Kleiner Stopp an der Ladesäule bestätigt denn auch, dass der neue Rundzellen-Akku (20 Prozent höhere Energiedichte als bisher) in irrer Geschwindigkeit Strom aufnimmt. Klar, bei BMWs Versuchsaufbau hier auf dem Testgelände in Miramas könnte man jetzt eine schön optimierte Batterietemperatur plus perfekt gepufferte Ladesäule unterstellen - die Ladeleistung bei der Demo verharrt etliche Minuten im 400-Kilowatt-Bereich. Andererseits ist eine solche Ladeperformance schon nicht unrealistisch bei einem gut gemachten 800-Volt-System. Doch das werden spätere Praxistests herausarbeiten.

Und sonst so? BMW wäre nicht BMW, hätten die Techniker nicht auch bei der Assistenz draufgesattelt. Wichtigste Neuerung: Vereinfachung der Einparkautomatik. Im Grunde kannst du dich jetzt ziemlich wild vor eine potenzielle Parklücke stellen, also ruhig ein bisschen schief oder versetzt. Kurz auf das Display touchen und checken, ob das System die Lücke erkennt (was wahrscheinlich ist), und dann geht es ab. In stoischer Gelassenheit parkt das Superhirn die Mittelklasse - nötigenfalls in mehreren Zügen - ein.

Ein paar Punkte wären da noch abzuhandeln - wie viel Strom nimmt die Batterie eigentlich genau auf? Verrät BMW noch nicht. Wie steht es um die Höchstgeschwindigkeit? Bitte abwarten, bis das Datenblatt geschrieben wurde. Gleiches gilt für das Thema, welche Varianten kommen werden. Vielleicht eine M-Version? Nicht ausgeschlossen, spekulieren darf man ja. Erstmals zu sehen bekommen Interessenten das ungetarnte Fahrzeug übrigens im September auf der IAA Mobility.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.