Zum Auftakt des Webinars widmeten sich die beiden Moderatoren Kevin Castor, TÜV SÜD, und Steven Zielke, Geschäftsführer mobilApp, der zentralen Frage: Wie unterscheidet sich der Einsatz klassischer KI-Tools wie ChatGPT von spezialisierten Agentensystemen im Kontext Autohandel?

Die Referenten zeigten auf, dass der wirkliche Mehrwert für Autohäuser in sogenannten KI-Agenten liegt – also spezialisierten Systemen, die kontextbezogen auf Datenquellen und Prozesse im Unternehmen zugreifen können. Ein Agent kann zum Beispiel automatisch auf ein Beschwerdeschreiben reagieren, weil er nicht nur den Inhalt des Schreibens versteht, sondern gleichzeitig CRM-Daten, Fahrzeughistorie oder Zuständigkeiten auslesen kann.

Um solche Prozesse ordentlich aufzusetzen, benötige man ein "geschlossenes" KI-System, das auf eigenen Servern oder durch Open-Source-Lösungen wie OpenWebUI oder Ollama betrieben wird. Das schafft nicht nur die technische Kontrolle, sondern erleichtert auch die Integration in bestehende Systeme – vom DMS bis zum CRM.

Die Installation dieser Lösungen können die IT-Spezialisten in Autohäusern selbst vornehmen. Die gängigen Programme haben in der Regel ein Rechte- und Rollenkonzept, mit dem der Zugriff auf sensible Daten wie Provisionen und Personaldaten verwaltet werden kann. Spezialisten seien erst hinzuzuziehen, sobald spezielle Anwendungen wie Voicebots mit den vorhandenen Daten aufgesetzt werden sollen.

So wird KI erfolgsbringend umgesetzt

Wie sich KI in der Praxis auswirkt, zeigte Alexander Kropf, Leiter Digitalisierung, Marketing und PR sowie Mitglied der Geschäftsleitung bei der Glinicke Gruppe. Er präsentierte drei konkrete Projekte, die dort bereits im Einsatz sind:

AI-Mailer: Dabei handelt es sich um eine automatisierte, personalisierte Kundenkommunikation – basierend auf einem eigenen, geschlossenen LLM. Dadurch wird die Tonalität des Unternehmens gewahrt, rechtliche Sicherheit geschaffen und dem Verkaufsteam viel Vorarbeit abgenommen. Die finale Nachricht liegt jedoch in der Verantwortung eines Mitarbeiters, um Qualität und Wahrhaftigkeit zu sichern.

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Outbound-Voicebot: Bei Aktionen im Autohaus übernimmt der Bot die telefonische Erstansprache von Kunden, priorisiert Leads und entlastet so das Call Center. Zwar kam es in der Anfangsphase auch zu "Halluzinationen", also fehlerhaften Antworten, diese wurden jedoch durch Training und Feedback zunehmend minimiert. Website-Vektorisierung: Die hauseigene Website dient als dynamische Wissensquelle für die KI. Dadurch ist es möglich, Kundenanfragen mit verlässlichen Informationen aus dem eigenen Content zu beantworten – ohne Rückgriff auf externe Quellen.

Ein zentrales Learning aus der Glinicke-Erfahrung ist folgendes: KI-Projekte benötigen klare Ziele, Zeit und Geduld. Von der Idee bis zum ersten Piloten vergingen bei Glinicke etwa sechs Monate. Die gesammelten Erfahrungen dienen heute dazu, dass neue KI-Projekte schneller umgesetzt werden können. Alexander Kropf geht inzwischen von zwei bis drei Monaten plus dreimonatiger Pilotphase für neue KI-Projekte aus.

Kundenkommunikation mit Voicebots

Einen Einblick in den aktuellen Stand der Voicebot-Technologie gab Sven Reis von der Wellerruppe gemeinsam mit Steven Zielke. Die Referenten betonten, dass moderne Voicebots mehr sind als klassische IVR-Systeme (z. B. "Drücken Sie die 1 für …") – sie ermöglichen eine natürliche, kontextbezogene Kommunikation.

In einer Filiale von Weller läuft derzeit ein Versuchsprojekt: Dort geht der Voicebot direkt ans Telefon. Rund 80 Prozent der Gespräche führen dort zu einem Ticket, das einen Rückruf auslöst. In anderen Filialen bleibt derzeit das klassische Call Center bestehen – Dabei sei das Ziel, ein Gleichgewicht zwischen Erreichbarkeit und Kosten pro Filiale zu erreichen. So werden die Statistiken der verschiedenen Filialen gegenübergestellt und individuelle Lösungen an jedem Standort entwickelt. Somit gebe es keine Standardisierung um jeden Preis. Inzwischen sind bei der Wellergruppe 41 unterschiedliche Voicebots mit speziellen Aufgabenbereichen im Einsatz.

DSGVO – keine Blockade, sondern Rahmenbedingung

Ein Thema, das viele Autohäuser bei KI-Projekten verunsichert, ist der Datenschutz. Dr. Christian Wolf, Geschäftsführer compolicy GmbH, gab im Webinar jedoch Entwarnung: Wer sich an die Spielregeln hält, kann KI rechtssicher einsetzen – auch in Verbindung mit personenbezogenen Daten.

Wichtig sei eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA), transparente Kommunikation mit Mitarbeitenden und – sofern vorhanden – die Einbindung des Betriebsrats. Für viele Anwendungen ist nicht einmal eine ausdrückliche Einwilligung der Kunden notwendig, ein Hinweis genügt. Auch der Betrieb von ChatGPT über europäische Server ist möglich, um rechtliche Hürden zu vermeiden.

"Man muss keine Panik vor der DSGVO haben", betonte Wolf. Entscheidend sei, eine klare Richtlinie im Unternehmen zu etablieren und die Belegschaft mitzunehmen.

Ausblick: Zwischen assistierenden Systemen und autonomen KI-Prozessen

Zum Abschluss wagten die Experten einen Blick in die Zukunft. Klar ist: Die Geschwindigkeit der KI-Entwicklung nimmt weiter zu. In zwei Jahren, so die Einschätzung von Castor und Zielke, könnten KI-Systeme in der Lage sein, eigenständig zu lernen und direkt in zentrale Systeme wie CRM oder DMS zu schreiben – ohne dass der Mensch jeden Schritt mitgestalten muss.

Bis dahin gilt: Prozesse definieren, Schnittstellen nutzen, mit kleinen Projekten starten. Die Kosten sind stark abhängig vom Projektumfang, aber der Mehrwert – etwa durch Zeitgewinn im Service oder effizientere Kundenansprache – ist nachweisbar. Autohäuser müssen das Rad nicht neu erfinden, sondern bestehende Abläufe KI-tauglich machen.

Das Webinar zeigte, dass es sich bei: Künstlicher Intelligenz nicht mehr nur um einen Trend handelt – sie ist in vielen Autohäusern bereits produktiver Alltag. Doch statt einer "Alles-oder-nichts-Haltung" braucht es realistische Strategien, gezielte Anwendungen und einen verantwortungsvollen Umgang. Die Technik ist da – jetzt liegt es an den Betrieben, daraus echte Innovation zu machen.

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