Heute sind es massige Crossover, die sich trotz Coupé-artiger Linien vergeblich um sportliche Leichtigkeit bemühen. Welch ein Kontrast zum coolen Coupé-Jahrgang 1995: Nie wieder war die Formenvielfalt bei den zweitürigen Dynamikern so groß. Sie schwelgten von Alfa bis Zagato in beschwingter Extravaganz für jedes Budget.
Alles fast wie heute, damals vor 30 Jahren: Deutschland brauchte neuen Schwung, um aus einer Talsohle zu fahren. "Milliardengrab Aufschwung Ost", "rote Zahlen bei Daimler-Benz", "Weltklima-Gipfel der Katastrophen", "Populismus statt Politik", lauteten 1995 die Schlagzeilen - und die Autobauer antworteten mit einer beispiellosen Vielfalt kreativer Gute-Laune-Coupés und schneller Gänsehaut-Garanten, die auch zum IAA-Slogan "Auto, echt gut!" passten. Der Begriff SUV war damals noch ein Fremdwort, stattdessen versprachen neben den üblichen konventionellen Kompakten und Kombis vor allem Coupés verführerisch viel Spaß und Stil für jedes Budget.
Ob Alfa GTV, Opel Tigra oder asiatischer Ferrari-Jäger, rund 100 Zweitürer zeigten sich mal fit wie Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher, mal schrill wie die populären, neongrellen Sportanzüge, Plateau-Sneaker und Slip-Dresses. Den Drive der bunten 1990er versprühen die automobilen Dynamiker von damals noch heute.
Neue H-Kennzeichen-Klassiker
Als neue H-Kennzeichen-Klassiker zeigen die 30-Jährigen, wie nach den kantigen Yuppie-Coupés der 1980er die organischen Bioformen in Mode kamen, aufblendende Klappscheinwerfer zum letzten Mal die linke Spur räumten, Japaner die wahren Autohits im Sportcoupé-Quartett wurden und die Deutschen und Italiener stilistische Siegertypen für das süße Leben an Roms Via Veneto oder Berlins Unter den Linden lancierten. Nicht zu vergessen die Amis: Die Ära der Downsizing-Cruiser war vorbei wie das nationale 55-Meilen-Speedlimit, US-Coupés wie der Ford Mustang zeigten wieder V8.
In den 1980ern waren es noch deutsche Typen wie Ford Capri, Opel Manta, VW Scirocco oder das kantige Audi Coupé, die den harten Racer spielten, aber viel lieber als brave Familiencoupés reüssierten. Zehn Jahre später waren die Kult-Coupés von einst zu eher peinlichen Spoiler-Prolos mutiert und die Nachfolger Ford Probe, Opel Calibra, VW Corrado und Audi Coupé (Typ 89) versuchten vergeblich, in Europa die Invasion adrenalinhaltiger Asia-Ware einzudämmen.
"Der Preis ist heiß"
Während die CD-Radios - optional mit frühen Navis wie dem Bosch TravelPilot kombiniert - Chartbreaker spielten wie Vangelis und sein "Conquest of Paradise" oder "Cotton Eye Joe" von Rednex, versuchte sich das Hyundai S-Coupé am Spiel "Der Preis ist heiß". Das erste flotte, viersitzige Korea-Coupé kostete sogar weniger als der winzige, neue Opel Tigra, dessen sportives Image dafür die fünffache Schwimm-Europameisterin Franziska "Franzi" van Almsick polierte. Scharfe Sushi-Erlebnisse - in den 1990ern noch eine exotische Delikatesse - statt profaner Currywurst mit Pommes versprachen derweil die vielen Japan-Coupés.
"Neues Denken im Automobilbau kann neue Märkte erschließen", lautete ein Mazda-Slogan zum Sportcoupé MX-3 mit weltweit kleinstem Downsizing-V6-Triebwerk. Bei der anvisierten Zielgruppe der DINKS (Mazda: "DINKS? Double income, no kids!") kam der MX-3 sogar besser an als Rivalen wie Nissan 100 NX und VW Corrado 16V: Bis zu einem Jahr Lieferzeit für einen Japaner, das akzeptierten die Kunden sonst nur beim Kultroadster MX-5.
Ganz anders der größere, 4,62 Meter lange Mazda MX-6 mit unkonventioneller Vierradlenkung und 2,5-Liter-V6. Nur 2.700 Käufer gewann der schwungvoll gezeichnete Mazda in Deutschland, dabei sollte er laut Werbung "zu moderaten Preisen den touch of first class feeling" vermitteln. Dann doch lieber das Prestige eines neuen BMW 3er Coupés (E36) kaufen, dachte offenbar die Klientel.
Japanische Supercars
Zu hoch flogen auch die japanischen Supercars: die dritte und letzte Generation des Wankelmotor-Renners Mazda RX-7, die mit dem Rückenwind des Wankel-Siegs in Le Mans in Supersportwagen-Gefilden wildern wollte. Preisforderungen für den Kreiskolben-Mazda fast auf dem Niveau von Porsche oder Maserati schienen Sportwagenfans zu ambitioniert, und so stand der schnellste Serien-Mazda aller Zeiten im Abseits, wo er auf andere zu teure und deshalb gescheiterte Super-Samurai à la Honda NSX, Nissan 300 ZX, Mitsubishi 3000 GT oder Toyota Supra traf.
Immerhin: Maranello, Modena und Zuffenhausen zeigten die Japaner, wie heiß das Feuer im Mount Fuji brennt. Was die Karriere der schnellen Samurai in angesagten Konsolenspielen nur beschleunigte. Das galt auch für den Allrad-Gran-Turismo Subaru SVX im Giugiaro-Design.
Kein Kribbeln im Bauch, aber bezahlbaren All-Inclusive-Fahrspaß ohne lange Aufpreislisten versprachen die japanischen Mittelklassecoupés: Vom Honda Prelude über den spoilergeschmückten Honda Integra, die braven Mitsubishi Eclipse und Nissan 200 SX bis zum weltweit meistverkauften Japan-Coupé, dem Toyota Celica reichte die Sportshow, die besonders die Bürger in den jungen östlichen Bundesländern ansprach. Importmodelle erlebten dort einen Hype, wie auch bei der Leipziger Automesse AMI zu erleben. Und dann gab es noch die schlank und sehnig gezeichneten Federgewichte Honda CRX und Toyota MR2 mit Hardtops - athletische Alternativen zu den Roadstern Mazda MX-5 oder MG TF.
"Einem König angemessen"
Apropos Engländer: In einem TV-Interview gab Prinzessin Diana 1995 das Ende ihrer Ehe mit dem englischen Thronfolger Charles bekannt, ihre Vorliebe für sportive Autos hatte Diana durch einen Jaguar XJS und einen Mercedes SL (R129) demonstriert. Während der Jaguar 1995 auf die Zielgerade seiner langen Produktionskarriere fuhr, spendierte Mercedes dem SL noch eine Modellpflege, die ein spektakuläres Panorama-Glasdach umfasste. Auch damit sollte der SL gegen so diverse Highend-Coupés wie BMW 8er, Aston Martin DB7, Chevrolet Corvette, Ferrari 456 GT oder Porsche 911 reüssieren.
"Einem König angemessen" war nach Meinung eines Fachmediums auch das Mercedes S 600 Coupé. Dieser monumentale Zweitürer mit mächtigem V12 basierte auf der auch von Bundeskanzler Helmut Kohl genutzten S-Klasse-Limousine W140 und überraschte 1995 mit neuartigem ESP: Zwei Jahre später befreite diese Erfindung für mehr Fahrstabilität die kleine Mercedes A-Klasse aus dem Elchtest-Debakel.
Schönes aus Italien
Schöne Dinge, auf die man sich im Leben verlassen kann, kamen vor 30 Jahren aber auch aus Italien. Das Dolce-Vita-Land wollte Coupé-Käufer mit einer Kollektion aus den Ateliers der Altmeister Pininfarina und Marcello Gandini verführen: Während Alfa GTV (Tipo 916), Ferrari 456 GT, Ferrari F355 Berlinetta oder das für 1996 vorbereitete Peugeot 406 Coupé das Pininfarina-Signet trugen, zeigten Maserati Ghibli und Lamborghini Diablo Gandinis keilförmige Kanten. Ebenfalls ein Hingucker war das spektakuläre Coupé Fiat mit einer Motorhaube, die zum Kotflügel wurde: Chris Bangle und Ermanno Cressoni verantworteten diese kreativen Konturen. Im Vergleich dazu wirkte der schräge Zagato Hyena auf Lancia-Basis trotz Bubble-Dach brav.
Zu viele Ecken und Kanten? Dann empfahl sich der 1995 lancierte Renault Megane Coach in rundlichen Konturen, ein kompaktes Coupé, das in weichen Linien andeutete, wie das 20. Jahrhundert auslief: mit einer letzten Gala für sportliche Zweitürer in organischem Biodesign - darunter viele heute gesuchte Youngtimer vom Audi TT über den Ford Puma bis zum Volvo C70.
Coupés und Motorisierungen (1995)
- Alfa Romeo GTV (Italien, Vierzylinder, V6)
- Alpina B8 Coupé (Deutschland, V8)
- Alpine A610 (Frankreich, V6)
- Aston Martin DB7 (Großbritannien, Sechszylinder), Aston Martin Vantage (V8)
- Audi TT Concept (Deutschland, Vierzylinder, Vorbote des Serienmodells), Audi Coupé (Typ 89 mit Vier-, Fünf- und Sechszylindern)
- Bentley Continental R (Großbritannien, V8)
- BMW 3er Coupé/M3 (E36 mit Vierzylinder und Sechszylinder; Deutschland)
- BMW 8er (E31 mit V8, V12)
- Bristol Blenheim (Großbritannien, V8)
- Buick Skylark GS Coupé (USA), Buick Regal Custom Coupé, Buick Riviera
- Cadillac Eldorado (USA, V8)
- Chevrolet Cavalier Coupé (USA, Vierzylinder, V6), Chevrolet Beretta (Vierzylinder, V6), Chevrolet Monte Carlo (V6), Chevrolet Camaro (V6, V8), Chevrolet Corvette (V8)
- Chrysler Sebring (USA, Vierzylinder, V6), Chrysler Viper (V10)
- Citroen ZX Dreitürer bzw. Coupé (Frankreich, Vierzylinder)
- Dacia 1310 Coupé (Rumänien, Vierzylinder)
- De Tomaso Guara (Italien, V8)
- Dodge Avenger (USA, Vierzylinder und V6), Dodge Stealth (V6)
- Eagle Talon (USA, Vierzylinder)
- Ferrari 456 GT (Italien mit V12), Ferrari F355 Berlinetta (V8)
- Coupé Fiat (Italien, Vierzylinder)
- Ford Mustang (USA, V6, V8), Ford Thunderbird (V6, V8), Ford Probe (Deutschland, Vierzylinder, V6)
- Hommel Berlinette Echappement (Frankreich, Vierzylinder)
- Honda Integra (Japan, Vierzylinder), Honda Prelude (Vierzylinder), Honda CRX (Vierzylinder, mit Hardtop), Honda Legend Coupé (V6), Honda NSX (V6)
- Hyundai S-Coupé (Korea, Vierzylinder)
- Irmscher Calibra Turbo (Deutschland, Vierzylinder)
- Isdera Imperator 108i (Deutschland, V8), Isdera Commendatore 112i (V8)
- Isotta Fraschini T8 (Italien, V8)
- Jaguar XJS (Großbritannien, Sechszylinder, V12)
- Lamborghini Diablo (Italien, V12)
- Lancia Delta HPE (Italien, Vierzylinder)
- Lexus SC (Japan, Sechszylinder, V8)
- Lincoln Mark VIII (USA, Coupé, V8)
- Lotus Esprit (Großbritannien, Vierzylinder)
- Maserati Ghibli (Italien, V6)
- Mazda 626 Coupé/MX-6 (Japan, Vierzylinder, V6), Mazda MX-3 (V6), Mazda RX-7 (2-Scheiben-Kreiskolbenmotor)
- McLaren F1 (Großbritannien, V12)
- Mega Track (Frankreich, V12)
- Mercedes-Benz E-Klasse Coupé (Deutschland, W124 mit Vier- und Sechszylinder), Mercedes-Benz S-Klasse Coupés (C140 mit V8, V12), Mercedes-Benz SL (Deutschland, R129, Facelift mit Glas-Hardtop, mit Sechszylinder, V8, V12)
- Mitsubishi Eclipse (Japan, Vierzylinder), Mitsubishi 3000 GT (V6)
- Nissan Skyline GT-R (Japan, Sechszylinder), Nissan Silvia/SX (Vierzylinder), Nissan 100 NX (Vierzylinder), Nissan 300 ZX (V6)
- Oldsmobile Cutlass Supreme (USA, V6)
- Opel Tigra (Deutschland, Vierzylinder), Opel Calibra (Vierzylinder, V6)
- Peugeot 406 Coupé (in Vorbereitung für 1996, Frankreich, Vierzylinder, V6)
- Pontiac Sunfire GT Coupé (USA, Vierzylinder), Pontiac Grand Am (Vierzylinder, V6), Pontiac Firebird (V6, V8)
- Porsche 911 (Deutschland, Sechszylinder-Boxer)
- Renault Mégane Coach (Frankreich, Vierzylinder)
- Rinspeed Yello Talbo (Schweiz, V8)
- Rover 200 Coupé (Großbritannien, Vierzylinder), Rover 800 Coupé (Vierzylinder, V6)
- Saturn SC2 Coupé (USA, Vierzylinder)
- Spectre R42 (Großbritannien, V8)
- Subaru Impreza Coupé (Japan, Vierzylinder), Subaru SVX (Sechszylinder-Boxer)
- Toyota Paseo (Japan, Vierzylinder), Toyota Corolla Levin (Vierzylinder), Toyota MR2 (Vierzylinder, mit Hardtop), Toyota Celica (Vierzylinder), Toyota Curren (Vierzylinder), Toyota Soarer (Sechszylinder, V8), Toyota Supra (Sechszylinder)
- TVR Cerbera (Großbritannien, V8)
- Vauxhall Tigra & Calibra (Parallelmodelle zu Opel, Vertrieb in Großbritannien)
- Venturi Atlantique (Frankreich, V6)
- Volkswagen Corrado (Deutschland, Vierzylinder, VR6)
- Volvo 480 (Schweden, Vierzylinder)
- Zagato Hyena (Italien, Vierzylinder)
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