Nach fast einem Jahr Pause ist wieder ein Abschiebeflug nach Afghanistan gestartet - just an dem Tag, an dem Innenminister Dobrindt zum Migrationsgipfel lädt.

Erstmals seit August 2024 ist am frühen Morgen wieder ein Abschiebeflug nach Afghanistan gestartet. Damit schiebt Deutschland zum zweiten Mal seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland ab.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) bestätigte, dass ein Flugzeug vom Flughafen in Leipzig aus mit 81 Menschen an Bord gestartet ist, um diese in ihr Herkunftsland zurückzubringen. Diese seien "vollziehbar ausreisepflichtig" und "strafrechtlich in Erscheinung getreten", sagte er im ARD-Morgenmagazin. Der Innenminister betonte, schwere Straftäter hätten kein Aufenthaltsrecht in Deutschland. An der Vorbereitung des Fluges von Leipzig/Halle nach Kabul seien "strategische Partner" beteiligt gewesen, konkret nannte Dobrindt Katar.

"Geht dabei um schwere und schwerste Straftäter", Alexander Dobrindt, CSU, Innenminister, zum Abschiebeflug nach Afghanistan

Morgenmagazin, 18.07.2025 05:30 Uhr

Nach Recherchen von MDR und NDR war der Start der Qatar-Airways-Maschine für 7:15 Uhr erwartet worden, verzögerte sich aber zunächst. Aus welchen Bundesländern die Abgeschobenen stammen, ist bislang nicht bekannt. Den Recherchen zufolge war die Maschine extra für die Abschiebung gechartert worden und erst am Donnerstag um 16:21 Uhr in Leipzig gelandet.

Menschenrechtsverletzungen drohen

Abschiebungen nach Afghanistan sind umstritten, da in dem Land Menschenrechtsverletzungen drohen und rechtsstaatliche Verfahren nicht sichergestellt sind. Folglich hatten unter anderem bereits das Deutsche Institut für Menschenrechte, die Menschenrechtsorganisation PRO ASYL und der Sächsische Flüchtlingsrat Abschiebungen nach Afghanistan als unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem deutschen Grundgesetz bezeichnet.   

Deutliche Kritik kam auch vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein. Rechtsanwältin Berenice Böhlo vom Vorstand des RAV erklärte auf Anfrage: "Die Abschiebungen heute nach Afghanistan sind auch ein Angriff auf den Grundsatz der Universalität der Menschenrechte, denn Schutz vor Folter, erniedrigender und unmenschlicher Behandlung gilt für alle." Der Internationale Strafgerichtshof habe Haftbefehle gegen die Taliban erlassen, mit dem Regime dürfe keine Kooperation erfolgen. 

Flüge zeitweise ausgesetzt

Nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan im August 2021 hatte die Bundesrepublik Abschiebungen nach Afghanistan zunächst ausgesetzt. Nach dreijähriger Unterbrechung startete am 30. August 2024 erneut ein Abschiebeflug mit 28 Männern an Bord. Ein laut Recherchen der Süddeutschen Zeitung bis Februar 2025 angekündigter Abschiebeflug kam offenbar nicht zustande. 

Bis heute heißt es auf der Seite des Auswärtigen Amtes: "Die Bundesregierung erkennt die De-facto-Regierung der Taliban politisch nicht als legitime Regierung Afghanistans an. Die deutsche Botschaft Kabul ist seit dem 15. August 2021 bis auf Weiteres geschlossen." Ob für die nun durchgeführte Abschiebung direkt mit den Taliban verhandelt wurde oder ob die Verhandlungen über eine Vermittlerpartei liefen, ist bislang nicht bekannt.  

Abschiebung am Tag des Migrationsgipfels

Einer Abschiebung gehen langwierige und umfangreiche Vorbereitungen voraus. Dazu zählen nicht nur gesundheitliche Untersuchungen zur Flugtauglichkeit, Fluggenehmigungen und die Frage, ob Drittstaaten und der rücknehmende Staat kooperieren, sondern auch die Abschiebehaft selbst. Diese darf höchstens sechs Monate andauern: Für drei in Sachsen in Abschiebehaft befindliche Personen läuft diese Frist in dieser Woche aus.  

Auffällig ist auch der Termin des nun gestarteten Fluges: Er fliegt just an dem Tag ab, an dem Dobrindt seine Kollegen aus fünf europäischen Nachbarländern öffentlichkeitswirksam zum Migrationsgipfel einlädt. Ihm geht es um eine Verschärfung der Migrationspolitik in Europa. Erst vor wenigen Tagen hatte Dobrindt zudem gefordert, künftig direkt mit den Taliban zu verhandeln, statt dies über den Vermittler Katar zu tun.

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