Die geplante Berufung der Juristin Brosius-Gersdorf an das Bundesverfassungsgericht sorgt in der katholischen Kirche für Unruhe. Geführt wird die Debatte emotional - und auch auf Basis von Falschinformationen.

Es sind keine leichten Wochen für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, den Limburger Bischof Georg Bätzing. Denn die katholische Kirche in Deutschland steht im Fokus einer Debatte, nämlich: Soll Frauke Brosius-Gersdorf Richterin am Bundesverfassungsgericht werden oder nicht? Entscheiden muss das eigentlich nicht die Kirche, sondern die Politik, wie Bätzing betont. Und: "In der gesamten Debatte ist viel schiefgelaufen."

Was oder vor allem wen Bätzing mit solchen Aussagen meint, ist eigentlich am Mittwochabend bei einer Veranstaltung der Augsburger Allgemeinen deutlich: Auf der einen Seite natürlich die Politik, aber eben auch seine Mitbrüder, etwa der Erzbischof von Bamberg, Herwig Gössl. Der hatte am Sonntag vor einer Woche mit Blick auf die Debatte um Brosius-Gersdorf von einem "innenpolitischen Skandal" gesprochen und davon, dass die Juristin "angeblich das Lebensrecht ungeborener Menschen bestreitet".

Von der einen Seite gab es Applaus, aber eben auch scharfe Kritik, etwa vom SPD-Fraktionschef Matthias Miersch. Und der Juristin selbst widersprach deutlich. Gössl musste zurückrudern und letztlich, nach einem persönlichen Gespräch mit Brosius-Gersdorf, einen Fehler einräumen. Er sei falsch informiert worden. Doch damit dürfte er nicht allein sein in der Debatte.

Mehrere kritische Stimmen in der Kirche

Denn Gössl war nicht der einzige Bischof, der Brosius-Gersdorf ablehnte. Auch die Bischöfe von Regensburg und Passau, Rudolf Voderholzer und Stefan Oster, dazu der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und Aachens Bischof Helmut Dieser. Dieser hatten sich kritisch zur Personalie geäußert, ebenso die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. Letztere mag sich noch daran erinnern, welchen Aufschrei es vor drei Jahren gab, als sie zwar die Position der katholischen Kirche zum Lebensschutz bekräftigte, aber zugleich forderte, es müsse sichergestellt werden, dass der medizinische Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs flächendeckend möglich sei.

Das Thema Lebensschutz ist ein emotionales, gerade in der katholischen Kirche. Dabei ist die Haltung, das ungeborene Leben zu schützen, überwiegend unstrittig. Auch Bischofskonferenz-Vorsitzender Bätzing bekräftigte bei der Augsburger Allgemeinen erneut die Position seiner Kirche und warnte davor, die bisherige Praxis der Straffreiheit von Abtreibung unter bestimmten Bedingungen aufzugeben und eine gesellschaftliche Spaltung zu riskieren.

Kampagne in die Kirche hineingetragen

Doch manche Wortmeldungen, etwa die von Gössl, basierten offenbar auf falschen oder verkürzten Zitaten, die Brosius-Gersdorf zugeschrieben wurden, auch durch rechtspopulistische Kreise. Und so war es dann auch Bätzing, der die Juristin in Schutz nahm, wenn er sagt: "Diese Frau hat es nicht verdient, so beschädigt zu werden." Und: "Es ist kein Thema für einen Kulturkampf. Wir können diesen Kulturkampf nicht gebrauchen. Es gibt zu viele Profiteure davon."

Bätzing weiß genau, dass das Thema Lebensschutz auch von Rechtspopulisten und Rechtsextremen vereinnahmt wird, um konservative Christen anzusprechen. Der Paderborner Erzbischof Markus Bentz sagte, auch in der Debatte um Brosius-Gersdorf liege es nahe, dass rechtspopulistische und demokratiefeindliche Kräfte das Thema für sich genutzt hätten.

Lebensschutz als politischer Kampfbegriff

Die Bischofskonferenz hat sich im vergangenen Jahr mit einem viel beachteten Positionspapier genau gegen diese Kräfte und ihre Positionen abgegrenzt. Auch deshalb schmeckt Bentz und auch anderen Bischöfen gerade nicht, dass die katholische Kirche so in die Debatte hineingezogen wurde. "Lebensschutz darf kein taktisches Argument sein", sagt der Paderborner Erzbischof.

Das Unbehagen der Bischöfe hat etwa auch Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann von der CSU am Montag zu spüren bekommen, als er auf dem Jahresempfang des Münchner Kardinals mit markigen Worten vor der Wahl Brosius-Gersdorfs warnte. Marx erwiderte anschließend, natürlich sei die Frage des Lebensschutzes mit Blick auf die Menschenwürde ein wichtiges Thema. Um dann hinzuzufügen: "Aber die Menschenwürde zeigt sich eben auch im Umgang mit Flüchtlingen, mit Armen, mit Alleinerziehenden."

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