Gescheiterte Richterwahl, Streit über die Stromsteuer: Die Koalition hat konfliktreiche Wochen hinter sich. Auf der Sommerpressekonferenz will Kanzler Merz trotzdem nicht von Krise sprechen - und schließt neue Kandidaten für die Richterwahl nicht aus.

Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich erstmals bei der traditionellen Sommerpressekonferenz den Fragen der Journalisten in Berlin gestellt. Besonders viele Fragen gab es rund um die gescheiterte Verfassungsrichterwahl und die Personalie Frauke Brosius-Gersdorf. Der CDU-Politiker erklärte, er vertraue darauf, dass seine Koalition eine gute Lösung finden werde. "Ich vertraue darauf, dass die beiden Bundestagsfraktionen das gut machen."

Zugleich räumte er ein, dass die Wahl beim nächsten Mal besser vorbereitet und früher über solche Personalvorschläge gesprochen werden müsse. Aber es gebe keinen Zeitdruck, und die Gespräche mit dem Koalitionspartner SPD liefen. "Es ist keine Krise", so Merz. Die Abstimmung werde aber letztlich im Bundestag stattfinden. "Man kann Abgeordneten keine Befehle erteilen, wie sie abzustimmen haben."

Eine komplette Neuaufstellung der Kandidaten schloss Merz nicht aus. "Wir wissen nicht, wer die Kandidatinnen und Kandidaten bei der Wiederholungswahl sein werden", sagte der Kanzler. "Ich schließe jedenfalls aus heutiger Sicht keine Option aus."

Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf war von der SPD als Richterin für das Bundesverfassungsgericht vorgeschlagen worden. Die für vergangenen Freitag geplante Wahl kam nicht zustande, nachdem in der Unionsfraktion Vorbehalte gegen sie laut geworden waren. Der Unionskandidat Günter Spinner und die zweite von der SPD vorgeschlagene Kandidatin Ann-Kathrin Kaufhold galten dagegen als mehrheitsfähig.

Zur Frage, ob Brosius-Gersdorf aus seiner Sicht die Kriterien für das höchste Richteramt erfülle, sagte Merz: "Ich bilde mir ein Urteil, sobald die nächste Entscheidung im Deutschen Bundestag ansteht." Den Umgang mit der Juristin, die es in den vergangenen Wochen auch mit unsachlicher Kritik und heftigen Drohungen zu tun hatte, verurteilte Merz mit deutlichen Worten: "Das, was Frau Brosius-Gersdorf in den letzten Wochen erlebt hat, ist völlig inakzeptabel." Die Kritik, die teilweise gegen die Juristin geäußert worden sei, sei nicht nur "unsachlich" und "polemisch" gewesen, sondern auch in Teilen "beleidigend und herabsetzend". 

"Normale Arbeitsbeziehung"

Trotz der jüngsten Streitigkeiten stellte Merz die Handlungsfähigkeit der schwarz-roten Koalition heraus. "Diese Regierung steht auf einem stabilen Fundament", erklärte der Kanzler. "CDU, CSU und SPD werden eine ganz normale Arbeitsbeziehung haben." Höhen und Erfolge gehörten dabei in jeder Koalition genauso dazu wie gelegentliche Rückschläge. "Aber damit gehen wir fair und partnerschaftlich in dieser Koalition um."

Neben den Richterwahlen für das Bundesverfassungsgericht hatte es in der Koalition etwa auch Streit über die Senkung der Stromsteuer gegeben. Es sei nichts Außergewöhnliches, dass in einer Regierung zu Beginn einmal Reibungsverluste entstehen und man auch nachjustieren müsse. Es sei eine Situation, die besser sein könnte. "Das wollen wir, das schaffen wir." Er sei mit der Zusammenarbeit in der Koalition sehr zufrieden.

Vor dem Hintergrund seines gescheiterten ersten Anlaufs bei seiner Kanzlerwahl am 6. Mai ergänzte Merz aber, daran sehe man, "dass wir auch im Hinblick auf vermeintliche Sicherheiten im Deutschen Bundestag in sehr unsicheren Zeiten leben". Die Regierung habe aber in großer Geschlossenheit in den ersten zehn Wochen "so viel auf den Weg gebracht (...) wie selten eine Regierung in Deutschland in den ersten Wochen geleistet hat". 

Sieht Wirtschaftswende eingeleitet

Der Kanzler zog ein positives Zwischenfazit vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Migration. Deutschland sei wirtschaftlich wieder auf einem besseren Kurs. "Wir haben die Wende eingeleitet", sagte er. Die erste Priorität liege auf dem Ziel, die Wirtschaft aus der Rezession herauszuholen. Merz verwies auf beschlossene steuerliche Entlastungen von Firmen.

Die Stimmung verbessere sich. Erste Institute korrigierten Prognosen nach oben. Das Interesse von Investoren sei deutlich gestiegen. An diese positiven Entwicklungen wolle die Bundesregierung anknüpfen, wenn sie mit hohem Tempo an der Umsetzung weiterer Maßnahmen arbeite, sagte Merz.

Es gehe nun darum, den Bürokratieabbau voranzutreiben und die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest zu machen. Deutschland solle Motor werden für die Wirtschaft und die Verteidigung in Europa. Zugleich wolle Schwarz-Rot zeigen und zeige dies auch, "dass Deutschland aus der Mitte heraus regiert werden kann".

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