Die frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer hatte 2024 zur Demo gegen die AfD aufgerufen. Die Partei klagte. Das Bundesverfassungsgericht wies eine Beschwerde der AfD dazu nun ab.

Wie neutral müssen Ministerpräsidentinnen, Minister oder auch ein Bundeskanzler sein, wenn sie sich politisch äußern? Diese Frage hat in den vergangenen Jahren immer wieder die Verfassungsgerichte der Länder und vor allem das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Nun wieder im Fall der früheren rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Nach dem Correctiv-Bericht über ein Treffen von AfD-Mitgliedern mit bekannten Rechtsextremisten in einer Villa bei Potsdam hatte auch Dreyer Anfang 2024 an einer der großen Demos teilgenommen. Zuvor hatte sie über das Internetportal der Landesregierung dazu aufgerufen, zu der Demonstration mit dem Motto "Zeichen gegen Rechts - kein Platz für Nazis" zu gehen. Zudem hatte sie auf ihrem Instagram-Account geschrieben, dass die AfD die Vertreibung von Millionen Menschen aus rassistischen Motiven plane und den gesellschaftlichen Diskurs radikalisiere.

Strenge Neutralitätspflicht

Das sei ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot, meinte die AfD - und klagte in Rheinland-Pfalz vor dem dortigen Verfassungsgerichtshof. Allerdings ohne Erfolg, denn die Richterinnen und Richter in Rheinland-Pfalz urteilten im April: Zum Schutz der Demokratie seien die Aussagen der Ministerpräsidentin gerechtfertigt, auch wenn sie nicht neutral seien.

Dieses Urteil hatte viele Verfassungsjuristen aufhorchen lassen. Denn es gibt eine ganze Reihe von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, die Regierungspolitikern eine strenge Neutralitätspflicht auferlegen. Laut Karlsruhe dürfen sie im parteipolitischen Meinungskampf auf keinen Fall auf Ressourcen ihrer Ministerialbürokratie zurückgreifen. Parteipolitische Statements auf der Internetseite der Regierung oder eines Ministeriums sind also tabu.

Auch müssen Politiker mit Regierungsamt generell kenntlich machen, ob sie sich offiziell in ihrer Funktion als Regierungspolitiker oder als Privatperson oder Parteipolitiker äußern. Die klare Neutralität von Regierungspolitikern sei deshalb wichtig, so Karlsruhe, weil sonst die Chancengleichheit der Parteien gefährdet sei. Wenn sich ein Bundeskanzler nämlich über die Politik einer anderen Partei äußere, habe das immer besonderes Gewicht.

Es gibt auch eine Ausnahme von der Pflicht

Deshalb hatte Karlsruhe 2022 auch einer Klage der AfD gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel stattgegeben. Sie hatte sich auf einem Staatsbesuch in Südafrika sehr kritisch darüber geäußert, dass die CDU in Thüringen zusammen mit der AfD den FDP-Politiker Thomas Kemmerich vorübergehend zum Ministerpräsidenten gewählt hatte. Merkel nannte das einen "schlechten Tag für die Demokratie".

Aber weil sie bei einem Staatsbesuch offiziell als Kanzlerin aufgetreten sei, habe sie in das Recht der AfD auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb eingegriffen, so Karlsruhe.

Es gibt aber auch eine Ausnahme von der strengen Neutralitätspflicht. Karlsruhe betonte in der Merkel-Entscheidung: Regierungspolitiker dürfen und müssen sich sogar kritisch zu bestimmten Parteien äußern, wenn es um den Schutz der Werte des Grundgesetzes geht, beispielsweise, wenn vor verfassungsfeindlichen Zielen einer Partei gewarnt wird.

Keine inhaltliche Entscheidung

Auf genau diese Passage in der Merkel-Entscheidung hatte sich der Verfassungsgerichtshof in Rheinland-Pfalz im Fall von Malu Dreyer berufen und der AfD nicht Recht gegeben. Die AfD war dann nach Karlsruhe gegangen und hatte dort jetzt keinen Erfolg.

Wichtig ist aber: Das Bundesverfassungsgericht hat nicht inhaltlich zur Neutralitätspflicht von Malu Dreyer entschieden. Das Gericht hat die Beschwerde der AfD schon deshalb zurückgewiesen, weil die Partei die falsche Klageart gewählt habe. Das heißt also nicht, dass Karlsruhe von seiner bisher strengen Linie bei der Neutralitätspflicht von Regierungspolitikern abgewichen ist.

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