Alle zwei Minuten wird ein Mensch Opfer von häuslicher Gewalt: Das zeigen Zahlen des BKA. Die Täter sind meist Männer, die Opfer Frauen. Um sie besser zu schützen, will Justizministerin Hubig elektronische Fußfesseln für Gewalttäter einführen.
Häusliche Gewalt ist ein massives Problem in Deutschland. Statistisch gesehen wird alle zwei Minuten ein Mensch von seinem Partner, Ex-Partner oder einem Familienangehörigen misshandelt. Einem Bericht der Zeitung Welt am Sonntag (WamS) zufolge wurden 2024 so viele Menschen wie noch nie Opfer von körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt durch Verwandte oder Partner beziehungsweise Ex-Partner.
Die WamS beruft sich in ihrem Artikel auf Zahlen des Bundeskriminalamts, die dem Medium exklusiv vorliegen. Demnach waren insgesamt 256.942 Menschen offiziell betroffen. Der Anstieg habe gegenüber dem Jahr zuvor bei rund 3,7 Prozent gelegen. Experten gehen jedoch von einer Dunkelziffer aus, weil nicht alle Fälle gemeldet werden. Von häuslicher Gewalt ist immer dann die Rede, wenn es sich um Personen handelt, die in einer partnerschaftlichen Beziehung zueinander sind oder waren oder wenn sich die Gewalt in der Familie abspielt beziehungsweise eine familiäre Beziehung besteht.
Opfer meist Frauen - Täter meist Männer
In den meisten Fällen häuslicher Gewalt sind Partner oder Ex-Partner die Täter. Im vergangenen Jahr wurden knapp 171.100 Fälle von Partnergewalt registriert - 1,9 Prozent mehr als 2023. In den vergangenen Jahren waren überwiegend Frauen betroffen - auch 2024 waren etwa 73 Prozent der Opfer Frauen. Bei der partnerschaftlichen Gewalt waren es fast 80 Prozent. Mehr als die Hälfte aller Taten waren laut WamS einfache oder gefährliche Körperverletzungen. Etwa ein Viertel entfalle auf Bedrohungen, Nötigungen oder Stalking. Gut vier Prozent wurden Opfer von Sexualstraftaten. Insgesamt nahm dem Zeitungsbericht zufolge in den vergangenen fünf Jahren die häusliche Gewalt um fast 14 Prozent zu.
Etwa drei Viertel der Tatverdächtigen sind laut der BKA-Statistik Männer. Knapp 70 Prozent haben die deutsche Staatsangehörigkeit.
Weshalb ist die Zahl der Fälle gestiegen?
Familien- und Bundesinnenministerium wollen nach der Sommerpause die offiziellen Zahlen vorstellen. Gegenüber der WamS sagte das Familienministerium, der Anstieg häuslicher Gewalt könne auf eine Zunahme der Gewaltbereitschaft "im Lichte gesellschaftlicher Krisen und persönlicher Herausforderungen" zurückzuführen sein. Möglich sei aber auch eine gewachsene Anzeigebereitschaft.
Im Februar hatte der Bundesrat - nach dem Bundestag - einem Gesetz für einen besseren Schutz von Opfern zugestimmt. Damit werden die Länder dazu verpflichtet, ausreichend Schutz- und Beratungsangebote zu schaffen. Sie erhalten dafür vom Bund zwischen 2027 und 2036 insgesamt 2,6 Milliarden Euro. Der Rechtsanspruch auf kostenlosen Schutz und Beratung soll ab 1. Januar 2032 greifen. Bislang konnten Betroffene von häuslicher oder geschlechtsspezifischer Gewalt nur darauf hoffen, dass ihnen geholfen wird und genügend Kapazitäten, etwa in Frauenhäusern, vorhanden sind.
Reaktionen auf die Statistik
Mit den neuen Zahlen von der WamS konfrontiert, sagte die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Jasmina Hostert, gegenüber der Zeitung, die Zunahme sei dramatisch. Die SPD fordere die Ratifizierung und vollständige Anwendung der Istanbul-Konvention in allen EU-Mitgliedstaaten. Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, mit dem auch Deutschland sich verpflichtete, zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen festgeschriebene Maßnahmen umzusetzen.
Die Grünen erklärten, bei Gewalt gegen Frauen handele es sich nicht um "Familiendramen", sondern um "patriarchale Gewalt". "Es braucht mehr Präventions- und Täterarbeit, schnelle Verfahren, verpflichtende Schulungen von Polizei und Justiz", sagte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, der WamS. Die Linkspartei forderte der Zeitung zufolge Reformen beim Sorge- und Umgangsrecht.
Justizministerin Hubig fordert elektronische Fußfesseln
Opfer häuslicher Gewalt werden in Deutschland oft nicht ausreichend geschützt. Häufig werden sogenannte Platz- oder Wohnungsverweise ausgesprochen, doch immer wieder halten sich die Täter nicht an die Anordnungen.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig macht sich deshalb für den Einsatz von elektronischen Fußfesseln für Gewalttäter stark. Sie plant eine Regelung nach dem sogenannten spanischen Modell, sagte sie gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ). In Spanien werden keine festen Verbotszonen, etwa der Wohnort oder der Arbeitsplatz der Betroffenen, überwacht. Stattdessen ist der Abstand zwischen Täter und Opfer maßgeblich: Das Opfer trägt eine GPS-Einheit - befindet sich der Täter mit der Fußfessel absichtlich oder unabsichtlich in der Nähe, wird bei der Polizei Alarm ausgelöst und das Opfer erhält einen Warnhinweis.
Nach dem Sommer werde sie einen Gesetzentwurf vorlegen, kündigte Hubig im SZ-Interview an. "Familiengerichte können dann nach dem Gewaltschutzgesetz die Anordnung treffen, dass Täter - also beispielsweise Männer, die ihre Ex-Partnerin schlagen oder bedrohen - eine elektronische Fußfessel tragen müssen. Den Opfern wird es offengelassen, ob sie selbst ein Empfangsgerät bei sich führen wollen oder nicht." Zum Zeitplan sagte die SPD-Ministerin: "Realistisch ist, dass wir damit im Laufe des nächsten Jahres anfangen können." Wenn das Gesetz verabschiedet sei, müssten die Länder es noch in die Praxis umsetzen, diese seien schon an den Vorbereitungen.
Auch die Teilnahme etwa an einem Anti-Gewalt-Training solle verpflichtend angeordnet werden können, erklärte Hubig. Und: "Wir wollen Gewaltschutzanordnungen auch im Kindschaftsrecht verankern, um Kinder besser vor einem Gewalt ausübenden Elternteil zu schützen." Zudem solle der Strafrahmen für Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz erhöht werden, von einer Geldstrafe oder höchstens zwei Jahren Freiheitsstrafe wie bislang auf eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.