In der Koalition rumort es nach Söders Vorstoß für einen Bürgergeld-Stopp für geflüchtete Ukrainer. SPD-Politiker Bovenschulte sieht darin eine "umfassende Kampagne", die Jusos einen populistischen Plan. Die Union will beschwichtigen.

CSU-Chef Markus Söder sorgt für Unruhe in der Koalition. Sein Vorstoß, allen geflüchteten Ukrainern das Bürgergeld zu streichen, sorgt für eine hitzige Debatte zwischen Union und SPD. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte von der SPD zeigte sich im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF entrüstet. Die Tinte unter dem Koalitionsvertrag sei noch nicht einmal trocken, da werde schon wieder eine neue Diskussion eröffnet. "Da liegt kein Segen drauf."

Gemeint ist die Vereinbarung von Schwarz-Rot, Ukrainer, die nach dem 1. April 2025 nach Deutschland kamen oder kommen, kein Bürgergeld mehr zu bewilligen. Stattdessen sollen sie künftig die niedrigeren Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Bayerns Ministerpräsident reicht das aber nicht, er will, dass "am besten" alle aus der Ukraine Geflüchteten kein Bürgergeld mehr erhalten sollen - auch diejenigen, die vor dem 1. April nach Deutschland geflohen sind. Söder begründet das mit der angespannten Haushaltslage.

Bovenschulte spricht von gezielter Kampagne

Bürgermeister Bovenschulte wirft dem CSU-Chef vor eine Kampagne zu fahren, sie sei Teil einer "umfassenderen Kampagne gegen das Bürgergeld". Wenn die Menschen aus der Ukraine statt Bürgergeld Asylbewerberleistungen bezögen, könnten die Jobcenter sie nicht mehr betreuen, sagte der SPD-Politiker. Damit verzögere sich die Integration in den Arbeitsmarkt.

Bremens Bürgermeister stellte klar, dass die meisten Leute, die Bürgergeld beziehen und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, arbeiten wollen. Nur ein kleiner Teil der Bezieher nutze das System aus.

"Haushaltslöcher auf dem Rücken der Schwächsten stopfen"

Deutliche Kritik kommt auch von den Jusos. Der Chef der SPD-Jugendorganisation, Philipp Türmer, nennt Söders Vorschlag "gefährlich und populistisch". Der CSU-Chef wolle "Haushaltslöcher auf dem Rücken der Schwächsten stopfen", sagte er in der Augsburger Allgemeinen. Das sei "falsch und darf nicht passieren". Vielmehr müsse die Teilhabe und Integration von ukrainischen Geflüchteten verbessert werden. "Sie aus dem Bürgergeldsystem auszuschließen, würde diesen Zielen absolut entgegenstehen", sagte der Sozialdemokrat.

Zuvor hatte bereits SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil deutlich gemacht, dass er wenig von Söders Vorschlag hält. "Mancher Vorschlag, der jetzt in den letzten Tagen gemacht wurde, trägt, glaube ich, nicht dazu bei, dass wir in der Koalition gemeinsam vorankommen", sagte er und appellierte an die Koalition, nicht in Streitigkeiten zu verfallen.

Frei: "Keine Missstimmung wahrgenommen"

Droht der Disput die Koalition zu entzweien? Kanzleramtsminister Thorsten Frei von der CDU sieht keinen Anlass zur Sorge. Es erwachse "kein Konflikt in der Koalition", sagte er in den tagesthemen. "Ich habe jetzt hier keine Missstimmung wahrgenommen."

Wenn man einen Koalitionsvertrag habe, dürfe man "natürlich jederzeit auch darüber hinausdenken", sagte Frei. Allerdings schränkte er ein: Wenn man sich in der Koalition nicht verständigen könne, "dann gelten selbstverständlich die Verabredungen des Koalitionsvertrages". Daran rüttele auch niemand.

Thorsten Frei, Kanzleramtsminister, über unterschiedliche Meinungen zum Thema Bürgergeld in der Koalition

tagesthemen

Bilger will Söders Vorstoß diskutieren

In der Union wollen einige offen über Söders Vorstoß diskutieren. Er sei "bedenkenswert", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger. Der bayerische Landeschef habe "einen wichtigen Punkt angesprochen, nämlich, dass der Anteil der ukrainischen Flüchtlinge, die bei uns in Arbeit sind, deutlich geringer ist als in vielen anderen Ländern", sagte er im rbb. "Wir führen jetzt in der Koalition ohnehin eine Debatte über die Zukunft des Bürgergelds, wir wollen eine neue Grundsicherung daraus machen."

Die Kritik Bovenschultes, dass eine Streichung des Bürgergeldes auch die Vermittlungschancen schmälern dürfte, will der Parlamentarische Geschäftsführer nicht gelten lassen. Die Union halte es grundsätzlich nicht für ausreichend, wie die Vermittlung in Arbeit bis jetzt ablaufe, sagte Bilger.

Ukrainischer Dachverband warnt vor neuen Problemen

Bei den Betroffenen stoßen die Pläne auf wenig Begeisterung. Wer das Bürgergeld für ukrainische Geflüchtete streichen wolle, "löst kein Problem - er schafft neue", sagte die Chefin des Dachverbandes ukrainischer Vereine und Initiativen, Oleksandra Bienert dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Viele ukrainische Geflüchtete seien gut ausgebildet, arbeitswillig und motiviert. Gleichzeitig stünden sie vor großen strukturellen Hürden: langwierige Anerkennungsverfahren, fehlende oder überfüllte Sprachkurse, mangelnde Kinderbetreuung und überlastete Jobcenter. "Diese Faktoren verzögern die Arbeitsaufnahme - nicht die Höhe der Sozialleistungen", sagte Bienert. Der Zugang zum Bürgergeld sei kein Widerspruch zur Arbeitsaufnahme, im Gegenteil.

Experte Brücker: "Wird nicht zum Ziel führen"

Experten reagierten skeptisch. Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sprach im BR von einem "Schnellschuss, der nicht zum Ziel führen wird." Die Einbindung der Flüchtlinge in die Förder- und Forderstruktur der Jobcenter sei entscheidend, um ihre Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.

"Wenn die Menschen in die Jobcenter integriert sind, dann müssen sie sich zu Sprachkursen melden, daran teilnehmen, an Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen, sich der Arbeitsvermittlung stellen, Bewerbungen schreiben. Und wenn sie das nicht tun, kann es auch sanktioniert werden. Das alles ist sinnvoll, um die Menschen in Arbeit zu bringen", sagte Brücker.

Er warnte davor, die ukrainischen Flüchtlinge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu unterstützen, da dies zu niedrigeren Beschäftigungsquoten und längerem Transferleistungsbezug führen könne. "Wenn sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen, sortieren sie sich bei den Kommunen ein und müssen dann freiwillig den Weg zu den Arbeitsagenturen finden. Nach unserer Forschung passiert das sehr selten", erklärte Brücker.

Beschäftigungsquote von geflüchteten Ukrainern Etwa 900.000 erwachsenen Geflüchtete aus der Ukraine leben in Deutschland: Im Mai 2025 hatten der Bundesagentur für Arbeit zufolge etwa 332.100 Ukrainerinnen und Ukrainer - darunter auch nicht geflüchtete Personen - in Deutschland eine Beschäftigung. Die meisten von ihnen waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Beschäftigungsquote lag damit bei 34,9 Prozent.

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