Nach kurzer Stimmungsaufhellung geht es bergab für Kanzler Merz: Außenpolitische Krisen treffen auf innenpolitische Herausforderungen. Wie der ARD-DeutschlandTrend zeigt, mangelt es an Vertrauen in die Bundesregierung, diese Probleme zu lösen.

Kanzler Friedrich Merz hatte die Latte in seiner ersten Regierungserklärung hoch gehängt. Schon im Sommer sollten die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass sich etwas verändere im Land und es vorangehe. So formulierte er es. Nach fast 100 Tagen im Amt und mitten in besagtem Sommer stellen die Deutschen dem neuen Kanzler und seinem Kabinett jedoch ein überwiegend schlechtes Zeugnis aus.

Über die Bundesregierung sagen 29 Prozent, dass sie mit deren Arbeit zufrieden sind - das sind zehn Punkte weniger als im Vormonat. Aktuell sind hingegen 69 Prozent unzufrieden. Mit der Arbeit des Bundeskanzlers persönlich sind nur knapp ein Drittel (32 Prozent) zufrieden - und damit eine Mehrheit von zwei Dritteln (65 Prozent) unzufrieden.

42 Prozent meinen zwar, Friedrich Merz sei dem Amt des Bundeskanzlers gewachsen. Aber er hat darin noch nicht wachsen können. Denn vor seinem Amtsantritt waren es ähnlich viele (43 Prozent), die ihm diese Rolle zutrauten. Erklärungsansätze liefern weitere Zahlen des ARD-DeutschlandTrends, der von Montag bis Mittwoch dieser Woche repräsentativ 1.321 Bürger befragt hat.

Wenig Vertrauen in Merz

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Olaf Scholz ist Merz in seiner Kommunikation weniger zurückhaltend. Den Kommunikationsstil des neuen Kanzlers findet eine Mehrheit der Deutschen (61 Prozent) aber nicht überzeugend, nur 34 Prozent beurteilen ihn positiv. Zudem meint nur ein Viertel (26 Prozent, -3 im Vgl. zu Februar), Merz sei jemand, dem man vertrauen kann.

Ein weiterer Negativpunkt auf dem Zeugnis: Die Deutschen sehen keine Krisenkompetenz beim Kanzler. Nur 29 Prozent sind der Ansicht, Merz könne das Land gut durch eine Krise führen - 10 Punkte weniger als zum Zeitpunkt der Bundestagswahl. Und an Krisen mangelt es nicht: stagnierende Wirtschaft, steigende US-Zölle, die Kriege in der Ukraine und in Gaza sind nur einige der großen Themen, die die Bundesregierung bearbeiten muss.

Dazu ein Koalitionsvertrag, der bewusst viele Details offen gehalten hat, was wiederum zu dauerhaften Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition führt. Außerdem steht das Regierungsbündnis immer wieder vor der Herausforderung, eine große Spannbreite an Positionen vereinen zu müssen.

Unzufriedenheit mit Ukraine-Kurs

Merz ist einige außenpolitische Themen schnell angegangen. Er knüpfte neue Bande zu europäischen Staaten, beanspruchte eine Führungsrolle Deutschlands innerhalb der NATO und hinterlegte das mit dem Bekenntnis, die Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen.

Gleichzeitig sind nur 34 Prozent der Deutschen von seinem Kurs bezüglich des Krieges gegen die Ukraine überzeugt. Durchaus denkbar ist, dass in diesen Zahlen auch die immer sichtbarere Machtlosigkeit Deutschlands und der EU gegenüber den USA und dem US-Präsident Donald Trump sichtbar wird.

Sorge um deutsche Wirtschaft trotz Zolleinigung hoch

Auch auf einem weiteren Feld, der Zollpolitik, hatte es zuletzt zwar eine Einigung zwischen der Europäischen Union und den USA gegeben, auf die Merz auch gedrängt hatte. Nach der Einigung kommentierte er diese jedoch selbst wenig enthusiastisch: Mehr sei nicht zu erreichen gewesen.

Wenn dann nur ein Drittel (35 Prozent) der Ansicht ist, Merz setze deutsche Interessen international und in der EU erfolgreich durch, aber 52 Prozent das anders sehen, dann prägen auch solche Zollabkommen das Bild der Bürger über ihren Kanzler. Zumal die Sorge um die deutsche Wirtschaft immer noch hoch ist: 65 Prozent (-5 im Vgl. zu April) machen sich sehr große oder große Sorgen, die Zollpolitik der USA könne der deutschen Wirtschaft schaden.

Mehr Druck auf Israel gefordert

Beim Thema Zuwanderung folgt eine Mehrheit der Deutschen der Linie des Kanzlers: 52 Prozent finden es gut, wie klar sich Friedrich Merz gegen irreguläre Migration ausspricht. Zum Zeitpunkt der Bundestagswahl waren es allerdings noch 64 Prozent, die seinem Kurs zustimmten.

Beim Gaza-Krieg hingegen fordern die Menschen mehr von den Verantwortlichen: Zwei Drittel (66 Prozent) erwarten von der Bundesregierung, dass sie größeren Druck auf die israelische Regierung ausübt, um Israel dazu zu bewegen, sein Vorgehen im Gazastreifen zu ändern. Gleichzeitig äußern knapp drei Viertel (72 Prozent) große Sorgen um die Geiseln, die noch von der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen festgehalten werden.

Misstrauen bezüglich der Umsetzung von Sozial-Reformen

Zu den außenpolitischen Herausforderungen kommen große innenpolitische Probleme: So fehlen zunehmend jüngere Menschen, die die Renten-, Pflege- und Krankenversicherung finanzieren können. Die Bundesregierung will deshalb Reformen erarbeiten. Über diesen Reformbedarf sind sich die politisch Verantwortlichen und die Bürger einig: Bei der gesetzlichen Rentenversicherung sehen 49 Prozent den Bedarf einer grundlegenden Reform, 36 Prozent wünschen sich gezielte Anpassungen und nur 11 Prozent meinen, es sollte so bleiben wie es ist.

Ähnlich sehen die Zahlen aus, wenn nach der Pflegeversicherung gefragt wird: 42 Prozent wollen eine grundlegende Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung, 43 Prozent gezielte Anpassungen und 9 Prozent wollen nichts ändern. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung sprechen sich 44 Prozent für grundlegende Reformen aus, 39 Prozent für gezielte Anpassungen und 13 Prozent für keine Änderungen.

Es fehlt aber das Vertrauen in die Regierung, dass sie die notwendigen Maßnahmen auch einleitet, um diese Bereiche zukunftssicher zu machen. Von denjenigen, die Reformbedarf sehen, haben wiederum 81 Prozent kein Vertrauen, dass bei der gesetzlichen Rente etwas geschieht, 75 Prozent äußern dieses Misstrauen in Sachen Pflegeversicherung und 72 Prozent bei der Krankenversicherung.

Sonntagsfrage: CDU verliert, AfD wieder auf Höchstwert

In der Sonntagsfrage sinkt die Union leicht ab und liegt aktuell bei 27 Prozent (-3 im Vgl. zu Juli). Die AfD käme mit 24 Prozent (+1) erneut auf ihren bisherigen Höchstwert im ARD-DeutschlandTrend aus dem April 2025. Die SPD bliebe unverändert bei 13 Prozent, genauso wie die Grünen bei 12 Prozent und die Partei Die Linke bei 10 Prozent.

Die anderen Parteien, darunter das BSW mit 3 Prozent (-1) und die FDP mit 4 Prozent (+1) wären derzeit ohne Chance auf einen Parlamentseinzug.

Untersuchungsanlage Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Online- und Telefon-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 4. bis 6. August 2025
Fallzahl: 1.321 Befragte (788 Telefoninterviews und 533 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent, 3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap


Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1.000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.

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