Vier Jahre ist die Taliban-Machtübernahme in Afghanistan her. Für Amena Hosainy war sie lebensverändernd: Ihr Einsatz für Frauenrechte wurde zu gefährlich. Ein neues Leben begann für ihre Familie in Hamburg.

Amena Hosainy steht in ihrer kleinen Wohnung in Hamburg und zeigt stolz die wenigen Andenken, die sie aus der alten Heimat Afghanistan mit nach Deutschland bringen konnte. Viel Platz hatte sie dafür nicht, aber diese farbenfrohen und aufwendig dekorierten Kleidungsstücke mussten einfach mit. Die Erinnerungen sind handgefertigt von den Frauen, mit denen die 32-Jährige damals in Afghanistan gearbeitet hat.

"Die sind sehr wertvoll für mich", erzählt sie. Immer, wenn sie diese bunten Textilien sehe, dann erinnere sie sich an ihren Berufsalltag in Afghanistan und daran, dass sie für diese Frauen immer weiterkämpfen wolle.

Zu gefährlich: Einsatz für Frauenrechte

Vor der Machtübernahme der Taliban arbeitete Hosainy für eine Frauenrechtsorganisation in Afghanistan, kümmerte sich um die Opfer familiärer Gewalt in Schutzhäusern. Doch die Rückkehr der Taliban auf die Straßen ihrer Heimat machte diese Arbeit zu gefährlich für die junge Mutter. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn verließ sie die Heimat. Über den Iran ging es für die Familie nach Hamburg. Die Mail mit der rettenden Aufnahmezusage und später auch die Nachricht zu den Flugdetails hat sie bis heute aufbewahrt.

In Hamburg beginnt für die kleine Familie ein neues Leben. An erster Stelle stand für Hosainy die Sprache. "Die ersten zwei Jahre habe ich nur versucht, Deutsch zu lernen", erinnert sie sich. "So schnell wie möglich durchlernen" - so beschreibt es Hosainy heute rückblickend. Der Fleiß zahlt sich nun aus.

Das lange Warten auf die Ausreise

Hosainy ist eine von vielen Afghaninnen und Afghanen, die seit der Machtübernahme der Taliban nach Deutschland gekommen sind. Ortskräfte, Menschenrechtler, Journalisten - viele versuchten damals über diverse Aufnahmeprogramme Afghanistan zu verlassen und in der Bundesrepublik neu anzufangen.

Etwa 45.000 Personen wurde laut Bundesinnenministerium in Aussicht gestellt, über ein Aufnahmeverfahren nach Deutschland einzureisen. Dabei handelte es sich um besonders gefährdete Personen aus Afghanistan, einschließlich ihrer Familien. Viele haben es geschafft, doch noch immer warten in Pakistan mehr als 2.000 Personen mit Aufnahmezusagen auf die Ausreise nach Deutschland.

Immer wieder gibt es Berichte über Festnahmen von Menschen in Pakistan, die dort eigentlich schon auf gepackten Koffern sitzen und fest mit einer Ausreise nach Deutschland rechnen. Und: Die neue Bundesregierung aus Union und SPD hat angekündigt, freiwillige Bundesaufnahmeprogramme soweit wie möglich beenden zu wollen.

Familiäre Beziehungen ins Heimatland

Alexander Fröhlich kennt die Geschichten vieler Menschen, die aus Afghanistan nach Deutschland gekommen sind oder noch kommen wollen. Er engagiert sich für das "Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte". Dieser Verein kümmert sich vor allem um die Menschen, die für deutsche Institutionen in Afghanistan gearbeitet haben.

Seine Erfahrung zeigt: Der Neustart in Deutschland ist oft schwierig. Schließlich hätten viele Betroffene Afghanistan eigentlich gar nicht freiwillig verlassen: "Wenn sie dort eine sichere Perspektive gehabt hätten, wären sie dort geblieben." Dazu kommen die familiären Beziehungen ins Heimatland: "Natürlich haben viele dieser Menschen auch noch Familienangehörige in Afghanistan, um die sie sich sorgen." Das seien zum Teil unverheiratete volljährige Kinder oder auch Eltern, die schon pflegebedürftig sind und wo sich für viele nun die Frage stelle: "Was passiert mit diesen Menschen, wer kümmert sich um die?"

Der Verein betreut aktuell 252 Familien in Deutschland. Insbesondere die Wohnungssuche gestalte sich schwierig, manche Familien lebten noch immer in Flüchtlingsheimen, berichtet Fröhlich.

Neben den Integrationshemmnissen und der ungewissen Lage in Afghanistan beschäftigen Fröhlich auch die migrationspolitischen Debatten in Deutschland und die Frage nach dem politischen "Schutzinteresse" der Bundesregierung. Er meint, die Ortskräfte drohten, in den allgemeinen "Furor" hineinzugeraten - also, "dass Afghanen pauschal als Gefährder gelabelt werden."

Sorge vor Pauschalisierungen

Auch Amena Hosainy in Hamburg hat verfolgt, dass zuletzt ein Abschiebeflug aus Deutschland nach Afghanistan startete. Sie findet es richtig, wenn Straftäter, die eine Gefahr darstellen, zurückgeschickt werden. Aber die junge Frau macht sich auch Gedanken darüber, nun vielleicht mit diesen Menschen in einen Topf gesteckt zu werden. Sie sorgt sich, dass die Deutschen nun denken könnten, "dass alle Afghanen so sind".

Sie selbst nutzt die neuen Möglichkeiten, die sich ihr in Deutschland eröffnen. Obwohl sie in Afghanistan bereits Informatik studiert hat, macht Hosainy gerade eine Umschulung in Hamburg zur "Fachinformatikerin". Ihr Traum: Irgendwann einmal Managerin in einem großen IT-Unternehmen werden.

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