Einst Hoffnungsträger, zuletzt das Gesicht der grünen Wahlniederlage: War sie der Grund für Robert Habecks politischen Rückzug - oder ein verletztes Ego? Oder aber das Bedürfnis der Partei nach einem anderen Kurs?

Man sah Robert Habeck im Bundestag seit der Wahlniederlage der Grünen immer mal wieder auffallend gut gelaunt und lachend. Etwa bei der Abstimmung zum Sondervermögen in der Zwischenphase nach der Bundestagswahl im März, noch bevor die Merz-Regierung stand. Da saß Habeck noch sozusagen kommissarisch auf der Regierungsbank - und hörte dem designierten Kanzler der Union zu, wie dieser neue Schuldenaufnahmen für Infrastruktur, Klimaschutz und Sicherheitspolitik rechtfertigte, die Merz zuvor im Wahlkampf ausgeschlossen hatte.

Aber auch bei Merz’ Regierungserklärung - mit einem ähnlich rhetorischen Spagat, was die neuen Schulden anging - lachte Habeck von einem Fraktionsplatz in den Bundestagsreihen. Nun lieferte er in einem Zeitungsinterview die Antwort darauf: Es sei auch ein "Auslachen" gewesen. Merz habe quasi Habecks Wahlkampfrede gehalten. "Etwa: In Zeiten der Krise muss man die Schuldenbremse lockern, um Verteidigung und Infrastruktur zu finanzieren", erinnert Habeck sich. Diese Rede wird nun zur zentralen Begründung für seinen Schritt, aus der Bundespolitik herauszugehen und auch sein Parlamentsmandat aufzugeben.

Verletztes Ego?

Die späte Genugtuung, dass andere seine politischen Inhalte jetzt zum Teil umsetzen, hilft Habeck nichts mehr. Der Hoffnungsträger der Grünen, dem viele gerade auch außerhalb der Partei eine reale Machtoption zutrauten, ist mit seinen Inhalten im Wahlkampf gescheitert. Und das, obwohl ihm seit dem Wahlkampf 2021 der Ruf hinterher eilte, er wäre damals statt der Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock der erfolgreichere Kanzlerkandidat gewesen.

Habecks Rückzug hat etwas von verletztem Ego - ohne wichtiges Amt der Politik den Rücken zu kehren, als wäre ein Sitz im Bundestag nicht Ehre und Aufgabe genug. Gerade nach Habecks jüngstem Wahlkampf mit dem Leitmotiv "Zuversicht" wirkt es eher mürrisch und beleidigt, nun zu gehen.

Seinen Verbleib in der Politik hatte der 55-Jährige nach der Wahl erst einmal offengelassen. Seit dem Frühsommer forderten ihn deswegen mehr als 450.000 Fans via Online-Petition auf zu bleiben. "Hoffnungsträger dürfen nicht gehen, wenn sie am meisten gebraucht werden, sondern müssen Führung und Verantwortung übernehmen", heißt es in dem Antrag.

Niederlage bei der Wahl - auch Habecks persönliche

Er hätte auch nach dem Fraktionsvorsitz greifen und mit seinem geballten Regierungswissen Merz weiter lautstark im Bundestag Paroli bieten können. Schließlich hatte er sich nach dem Angriff Putins auf die Ukraine als Wirtschaftsminister beim Bewältigen der Gaskrise Ruhm erworben. In der Auslandspresse - etwa dem Schweizer Tagesanzeiger wurde er gar als "sprech- und erklärfähigster Teil der deutschen Regierung" wahrgenommen. Seine Beliebtheitswerte stellten SPD-Kanzler Olaf Scholz in den Schatten, seine Partei lag im Krisenwinter 2022/2023 gleichauf mit der SPD bei 18 Prozent.

Am Ende nutzte den Grünen Habecks Krisenmanagement, für das ihn sogar seine Amtsnachfolgerin von der CDU lobte, aber wenig. Die Partei fiel bis zur vorgezogenen Wahl 2025 auf 11,6 Prozent. Sie verlor zwar weniger als SPD und FDP. Doch es bleibt eine Niederlage - auch für Habeck. Insofern wird sein Rückzug von grüner Seite auch als ein honoriger und konsequenter gedeutet.

Teile der Grünen für härtere Gangart gegenüber der Union

Die Grünen entlassen ihn mit Dankbarkeit und ohne den Vorwurf, die Partei im Stich zu lassen. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, der Weichspülkurs gegenüber der Union habe geschadet - gerade Habecks Beißhemmung, als Merz im Januar mit Stimmen der AfD einen Antrag zur Migrationsbeschränkung durchbrachte.

Das Profil der Grünen sei schon in der Ampelkoalition vor lauter Zugeständnissen an die FDP zu sehr verwischt worden, hört man in der Partei. Gleichzeitig hatte sich gerade die CSU stark auf einen Anti-Grünen-Kurs eingeschossen. Womöglich hätte er zurückbeißen müssen. "Vielleicht war Robert zu vornehm für diese Art von Politik", sagt einer, der die Grünen lange auch von innen kennt.

Zugleich wirkt es jedoch auch nicht wie die Befreiung von einem Übervater. Dafür haben sich die Grünen in ihrer Oppositionsrolle noch zu wenig gefangen: Die Umfragewerte stagnieren, obwohl die Regierungspartei Union verliert.

Schneller Aufstieg in der Landespolitik

Habeck steht für einen integrativen und erklärenden Politikstil, für Offenheit gegenüber neuen Bündnissen mit Union und FDP. Und das nicht erst in Berlin. Seine politischen Anfänge liegen in der Landespolitik. Nur zwei Jahre liegen zwischen seinem Parteieintritt 2002 im Alter von 33 Jahren und dem Landesvorsitz 2004 in Schleswig-Holstein.

2012 wurde er stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft und Umwelt in Schleswig-Holstein - unter dem CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther und mit dem Koalitionspartner FDP. Die Koalition hielt ohne größere Konflikte.

Sein kommunikatives Talent, als zuständiger Minister auch zu Bauern außerhalb der Ökolandbau-Klientel einen guten Gesprächsdraht zu haben, drang schnell bis nach Berlin. Ab 2018 führte er zusammen mit Annalena Baerbock die Bundespartei auf Realo-Kurs Richtung Mitte der Gesellschaft - in eine Phase, in der man schon anfing, von den Grünen als möglicher kleiner Volkspartei zu sprechen.

Schlagen die Grünen jetzt einen neuen Kurs ein?

Günther und Habeck stehen wie wenig andere Politiker in der Republik für das Modell Schwarz-Grün. Doch die CDU ist nicht mehr die Merkel- oder Laschet-Union, mit der das auf Bundesebene denkbar schien. Aktuell nehmen Polarisierungs- und Kulturkampf-Tendenzen in der politischen Auseinandersetzung zu. Insofern ist Habecks Idee, machtpolitische Konstellationen neu zu denken, vorerst gescheitert. Dass Habeck das selbst so sieht, kann man aus seinen Worten im taz-Interview lesen.

Ist sein Weggang ein Hinweis, dass die Grünen sich vom Mitte-Kurs abwenden? Wollen sie in der Opposition radikaler, linker werden - nicht zuletzt, um die neu erstarkte Konkurrenz der Linkspartei mit ihrer Spitzenkandidatin und Fraktionsvorsitzenden Heidi Reichinnek herauszufordern?

Zumindest gibt es bei den Grünen derzeit deutliche Überlegungen, konfliktfähiger, klarer und populärer zu werden - nachdem das Habeck-Prinzip des Ausgleichens in der Ampelkoalition schlussendlich eher gescheitert war. Wer weiß schon, ob der nächste Bundestagswahlkampf US-amerikanischer sein wird. Dann, das wissen auch die Grünen, werde man selbst anders auf populistische Zuspitzungen der Gegenseite reagieren müssen: Ob ein Habeck-Typus da noch reinpasst? Ausgang offen.

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