Heute tagt der Vorstand der Grünen-Fraktion. Nach dem Abgang ihrer zentralen Figuren Baerbock und Habeck müssen sich die Grünen neu sortieren. Sie wollen vor allem in der Oppositionsrolle ankommen.

Die Zeichen stehen auf Neuanfang bei der Partei, die wie keine andere auf Veränderungen setzt. Jetzt müssen sie sich selbst mal wieder neu erfinden. Mit Robert Habeck und Annalena Baerbock haben sie ihre beiden zentralen Figuren der vergangenen Jahre verloren. 

"Die beiden waren unglaublich wichtig", sagt Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour, der bis Ende 2024 Bundesvorsitzender der Grünen war. "Die haben den Laden geprägt. Die haben ihn auf eine andere Ebene gehoben."

Doch "den Laden" müssen in Zukunft andere schmeißen. Nach Baerbock hat sich auch Habeck aus dem Bundestag verabschiedet. Vorerst - oder für immer? Das bleibt unklar. "Für immer ist ein viel zu großes Wort", sagte Habeck. Er könne ja nicht wissen, was die Zukunft bringe. Aber es ist "kein taktischer Abschied": Er wolle nicht eineinhalb Jahre Politikpause machen, um dann in die erste Reihe zurückzukehren.

Dabei wollte Habeck lange nichts lieber, als in der allerersten Reihe zu stehen. Er wollte der erste Grüne im Kanzleramt sein. Daraus ist bekanntlich nichts geworden. Eine Rolle in der Opposition scheint er für sich nicht gefunden zu haben, obwohl ihn rund 450.000 Menschen per Petition aufgerufen hatten, in der Politik zu bleiben. Obwohl viele Mitglieder vor allem wegen Habeck zu den Grünen gekommen sind. Obwohl die Partei zuletzt ganz auf ihn ausgerichtet war.

Doch Habeck verabschiedet sich lieber: "Im gewissen Sinne ist der Weg jetzt auch ausgegangen. Und jetzt muss ich gucken, ob es andere Wege gibt, wo immer sie hinführen werden."

Wer wird die Partei künftig prägen?

Und auch seine Partei steht vor der Frage: Welchen Weg schlägt sie ein? Ist mit Habeck auch sein Kurs gescheitert, die Grünen in die Mitte zu führen? Und wer wird die Partei in den nächsten Jahren prägen? Ein "neuer Habeck" ist nicht in Sicht.

Für Omid Nouripour ist das kein Problem: "Habeck 2.0 wird auch nicht gebraucht werden. Wir haben nicht mehr 2019. Die Klimabewegung ist nicht die prägendste Stimme. Wir haben mittlerweile ganz andere Auseinandersetzungen, also braucht es auch ganz neue Stimmen. Und neue Charaktere."

Die Grünen sind auf der Suche nach einem neuen Kurs. Wie der aussehen kann, darüber gibt es durchaus unterschiedliche Vorstellungen. Wie sehr sollen sie auf ihr Kernthema setzen, die Klima- und Umweltpolitik? Wie sich abgrenzen zur Linkspartei? Welchen Kurs will die Partei in der Migrationspolitik einschlagen?

Einige Debatten haben die Grünen in den Regierungsjahren aus Rücksicht auf die Koalitionsdisziplin nicht öffentlich ausgetragen. Bis zur nächsten Bundestagswahl 2029 wäre genug Zeit zu diskutieren, sagt die Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann: "Wir haben jetzt wirklich eine Phase, in der wir uns aufstellen können für 2029. Ich bin zuversichtlich, dass wir das inhaltlich und als Fraktion und Partei gut hinkriegen werden."

Konkurrenz von der Linkspartei

In den vergangenen Monaten haben die Grünen auch wieder deutliche Konkurrenz von links bekommen. Die Linkspartei ist in Umfragen fast gleichauf.

Gerade in außenpolitischen Fragen sieht Haßelmann klare Unterschiede zwischen den Parteien. Sie gibt aber zu: "Was uns aber umtreibt, ist die Frage, wie wir junge Menschen wieder mehr ansprechen können. Und dafür sorgen, dass wir die Adresse sind, die für die Zukunft der künftigen Generationen einsteht wie keine andere, wenn es um den Erhalt der Lebensgrundlagen geht. Da haben wir sicher Diskussionsbedarf."

Hörbarer werden

Neben strategischen Fragen will die Fraktion nach der Sommerpause so richtig in der Oppositionsrolle ankommen: klarer, lauter, hörbarer werden.

Und da, wo es nötig ist, die Regierung hart kritisieren, sagt Haßelmann: "Wir machen Opposition, um erkennbar zu sein mit dem, was wir inhaltlich der Regierung gegenüberstellen. Und das unterscheidet uns auch sehr von dem, wie Friedrich Merz Opposition gemacht hat. Nämlich dreieinhalb Jahre einfach nur Nein gesagt. Das ist nicht unsere Auffassung." In dem Punkt sind die Grünen sich einig auf ihrem Weg zum Neuanfang.

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