Im Netz gewinnt ein rigides Männlichkeitsideal an Einfluss. Rechtspopulistische Parteien greifen diese Strömung auf - und nutzen sie für ihre politischen Kampagnen und Wahlkämpfe.

Mit 16 wollte Alex (Name von der Redaktion geändert) Veganer werden und ging auf Fridays-for-Future-Demos. "Heute bin ich das Gegenteil", sagt er.

Es ist der Höhepunkt der Corona-Pandemie. Alex verbringt immer mehr Zeit auf Social Media. Eigentlich sucht er nach Fitnessübungen und veganen Kochrezepten - aber ihn treibt auch eine Frage um: Welche Eigenschaften machen einen jungen Mann für Frauen attraktiv?

Die Antworten sucht er ebenfalls in den sozialen Netzwerken. Doch statt harmloser Sport- und Datingtipps werden ihm zunehmend Videos mit anderen Inhalten angezeigt. In ihnen geht es um Härte, Überlegenheit und Dominanz über Frauen.

Die Welt der Mannosphäre

Was Alex erlebt, ist Teil eines größeren Phänomens. Millionen junger Männer weltweit konsumieren Inhalte der sogenannten Mannosphäre, einer lose miteinander verbundenen Online-Community, in der traditionelle und häufig frauenfeindliche Rollenbilder propagiert werden.

Die Botschaft der Influencer: Männer seien Opfer des Feminismus, Frauen stünden dem gesellschaftlichen Fortschritt im Weg, ihnen solle im Zweifel auch mit Gewalt begegnet werden. Einer ihrer bekanntesten Influencer ist Andrew Tate, der bereits wegen Vergewaltigung und Verdachts des Menschenhandels angeklagt wurde. Seine Videos haben millionenfache Abrufe.

Maximilian Schneider, Referent für politische Bildung vom Verein "Gesicht zeigen!", erklärt die Faszination so: "Ich glaube auch schon, dass sich das daraus speist, dass junge Männer das Gefühl haben, sie werden häufig mit Feminismus nicht mitgemeint." Sie würden durch die gesellschaftlichen Debatten das Gefühl bekommen, immer das Problem zu sein. "Und ich glaube, das ist ein Versäumnis." In Workshops an Schulen hört Maximilian Schneider jungen Männern zu, diskutiert mit ihnen über Geschlechterbilder.

Datingtipps im Wahlkampf

Den Erfolg der Narrative aus der Mannosphäre erkennen zunehmend auch rechtspopulistische Parteien wie die AfD und nutzen diese für ihre Wahlkämpfe. Beim Europawahlkampf 2024 verbindet AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah Lifestyle und Datingtipps mit politischen Aussagen. So behauptet er damals in einem TikTok-Video: "Echte Männer sind rechts - dann klappt's auch mit der Freundin." Das Video geht viral.

Damals sieht auch Alex das Video. Er fühlt sich angesprochen von dem Mann, der innerhalb der AfD dem radikal rechten Flügel zugeschrieben wird und sich auf den sozialen Medien mit Andrew Tate verbrüdert - und schaut mehr und mehr Videos von ihm.

Kurz vor der Bundestagswahl 2025 geht der junge Mann dann zu einer Wahlkampfveranstaltung von Krah. Er will ihn persönlich kennenlernen. Es habe viele Jahre immer geheißen, Jungs sollten netter sein, sagt Alex. "Und dann hört man genau das Gegenteil. Man hat sich bestätigt gefühlt, so wie man ist. So wie man vielleicht auch insgeheim sich fühlt."

Politikberater Johannes Hillje sieht in dem Vorgehen eine bewusste Strategie: "Die demokratischen Kräfte haben es meines Erachtens versäumt, eine Ansprache insbesondere junger Männer in den letzten Jahren auch auf Social Media vorzunehmen. Und im Grunde ist dieser Teil der Wählerschaft völlig unangesprochen gewesen von vielen Parteien."

"Insbesondere unter jungen Männern gibt es das Bedürfnis, sich relevant zu fühlen. Wenn progressive Kräfte darauf keine Antwort haben, profitieren Rechte", sagt die Publizistin Alice Hasters.

Vorbild USA

In Interviews nennt Maximilian Krah immer wieder sein Vorbild: US-Präsident Donald Trump. Dieser setzte in seinem Wahlkampf 2024 auf eine direkte Ansprache junger Männer - unter anderem durch Auftritte in reichweiten Podcasts von Influencern der Mannosphäre oder bei Kampfsportevents.

Laut Analysten gewann Trump gerade in dieser Wählergruppe entscheidend hinzu und konnte unter anderem durch ihren Einfluss die Wahl zum US-Präsidenten gewinnen.

Wirkung auf junge Männer

Welchen Einfluss die Videos für Wahlergebnisse in Deutschland haben ist, ist durch Studien noch nicht hinreichend belegt. Bei der Bundestagswahl 2025 wählten 27 Prozent der Männer zwischen 18 und 24 Jahren die AfD, deutlich mehr als ihre weiblichen Altersgenossinnen. Auch Alex entscheidet sich für die AfD - zuerst bei der Europa- dann bei der Bundestagswahl.

Mehr zum Thema in der ARD-Dokumentation "Shut Up, Bitch!" in der ARD-Mediathek.

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