Bei seinem Antrittsbesuch in Berlin hat Polens Präsident Nawrocki die Forderung nach Reparationszahlungen von 1,3 Billionen Euro wieder ins Gespräch gebracht. Die Bundesregierung lehnt das ab und verweist auf alte Verträge.

Kontroverse beim Antrittsbesuch in Deutschland: Der polnische Präsident Karol Nawrocki hat seine Forderung nach deutschen Reparationsleistungen bekräftigt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wies sie - wie früher auch schon - entschieden zurück.

Er erklärte, diese Frage sei "aus deutscher Sicht rechtlich abschließend geklärt", wie seine Sprecherin Cerstin Gammelin auf der Plattform X schrieb. Die Förderung des Gedenkens und Erinnerns bleibe aber ein gemeinsames Anliegen. Auch im anschließenden Gespräch mit Bundeskanzler Friedrich Merz brachte der polnische Präsident die Forderung vor. Der Kanzler habe die deutsche Position bekräftigt, hieß es aus Regierungskreisen.

Nawrocki hält Reparationsfrage für offen

Nawrocki schrieb nach den Gesprächen auf der Plattform X, es sei dabei um Sicherheitsherausforderungen für die Region, die Zukunft der EU und "die Wiedergutmachung für das Polen während des Zweiten Weltkriegs zugefügte Unrecht" gegangen. Der Bild-Zeitung hatte er unmittelbar vor seinem Eintreffen in Berlin gesagt: "Die Frage der Reparationen ist natürlich nicht rechtlich abgeschlossen."

Der polnische Präsident zeigte sich in dem Interview "fest davon überzeugt, dass wir mit dem Bundeskanzler und mit Herrn Bundespräsidenten zu einer Einigung kommen werden". Er beharrte auf deutsche Zahlungen in Höhe von 1,3 Billionen Euro. "Das ist die einzige Zahl, die ihren Bezugspunkt in einer sehr tiefgreifenden, fundierten wissenschaftlichen Forschung hat."

Deutschland verweist auf bestehende Verträge

Die rechtskonservative Partei PiS, der Nawrocki nahesteht, hatte in ihrer Regierungszeit zu dieser Frage eine Parlamentskommission eingesetzt. Diese bezifferte vor drei Jahren in einem Gutachten die Reparationshöhe mit eben diesen 1,3 Billionen Euro.

Die Bundesregierung verweist darauf, dass Polen bereits 1953 auf Reparationszahlungen verzichtet habe. Später kam der 2+4-Vertrag von 1990 hinzu, mit dem aus Sicht der Bundesregierung jegliche Ansprüche gegenüber Deutschland abschließend geregelt wurden. 

Stehen noch Reparationszahlungen an Polen aus? Im September 2017 hat Regierungsprecher Steffen Seibert erklärt, dass Deutschland Verantwortung für die "unfassbaren Verbrechen im Krieg" trägt. Doch verwies er auf bereits geleistete Reparationszahlungen und den Verzicht Polens auf weitere Zahlungen im Jahr 1953. Dieser ist völkerrechtlich wirksam.

Reparationszahlungen Deutschlands an Polen waren im Potsdamer Abkommen geregelt worden. Demnach erhielt Polen seine Reparationen über die Sowjetunion.

1953 erklärte die Sowjetunion im Einvernehmen mit der polnischen Regierung den Verzicht weiterer Reparationszahlungen zum Ende des Jahres 1953. Am 23. August 1953 schrieb die Regierung der Volksrepublik Polen zudem in einer Erklärung, dass sie mit Wirkung vom 1. Januar 1954 auf weitere Reparationen aus Deutschland verzichte.

Dies bestätigte die polnische Regierung nochmals 1970, als sie im Rahmen der Neuen Ostpolitik des damaligen Kanzlers Willy Brandt den Vertrag über die Normalisierung der Beziehungen mit der Bundesregierung schloss.

Auch während der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen, bei denen es unter anderem um die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch das wiedervereinigte Deutschland ging, stellte Polen keine neuen Forderungen.

Der Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 regelt nach Auffassung der Bundesregierung abschließend alle Rechtsfragen bezüglich der Kriegsfolgen und Reparationspflichten, wie es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages von 2017 heißt. Verwiesen wird darin auch darauf, dass Polen seit Inkrafttreten des Vertrages auf internationaler Ebene kein rechtsförmiges Verfahren eingeleitet habe, um Reparationsansprüche aus dem Zweiten Weltkrieg geltend zu machen.

Merz versichert Polen Beistand gegen russische Bedrohung

Steinmeier hatte seinen polnischen Gast mit militärischen Ehren vor dem Schloss Bellevue begrüßt. Nach dem obligatorischen Eintrag ins Gästebuch führten beide ihr Gespräch miteinander. Anschließend fuhr Nawrocki weiter ins Kanzleramt zum Meinungsaustausch mit Merz. 

Der Bundeskanzler versicherte Nawrocki die Solidarität Deutschlands beim Schutz vor der Bedrohung aus Russland. Der Kanzler habe in dem Gespräch im Kanzleramt unterstrichen, dass Deutschland "fest und unverbrüchlich" an der Seite Polens stehe, teilte der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille mit. Die gemeinsame Sicherung des Ostseeraums und der NATO-Ostflanke habe "hohe Priorität". 

Nach den jüngsten Verletzungen des polnischen Luftraums durch russische Drohnen hatte Deutschland die militärische Unterstützung für das Nachbarland verstärkt. Für die Überwachung des Luftraums stehen nun vier statt zwei deutsche "Eurofighter"-Kampfjets bereit.

Betonung der engen Zusammenarbeit beider Länder

Die Reparationsforderungen Nawrockis blieben in der Mitteilung des Vize-Regierungssprechers zu dem Treffen unerwähnt. Dort hieß es aber: "Die Versöhnung mit Polen nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzung zu befördern, bleibe für die Bundesregierung historische Verantwortung."

Steinmeier und Nawrocki betonten in ihrem Gespräch auch die Bedeutung einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit ihrer Länder. Nawrocki lud den Bundespräsidenten zum Gegenbesuch nach Polen ein. Steinmeier nahm die Einladung an.

Nach den Gesprächen im Schloss Bellevue und im Kanzleramt fanden keine Pressekonferenzen statt. Auch polnische Medien zitierten Nawrocki zu seinem Besuch in Berlin lediglich mit dessen Post auf dem Portal X. 

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