Ein Gericht in Italien hat die Auslieferung eines mutmaßlichen Drahtziehers der Anschläge auf die Nord-Stream-Gaspipelines nach Deutschland verfügt. Der Mann streitet die Vorwürfe ab und will die Entscheidung anfechten.
Nach seiner Festnahme in Italien soll ein mutmaßlicher Drahtzieher der Anschläge auf die Nord-Stream-Gaspipelines nach Deutschland ausgeliefert werden. Das entschied ein Gericht in Bologna. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Ukrainer vor, die Anschläge auf die Ostsee-Pipelines im September 2022 koordiniert zu haben.
Aus Sicht des Gerichts gibt es keinerlei Gründe, die gegen eine Auslieferung nach Deutschland sprechen. Der Anwalt des tatverdächtigen Serhii K., Nicola Canestrini, kündigte jedoch an, den Fall vor Italiens oberstes Gericht zu bringen. "Grundrechte - faires Verfahren, Haftbedingungen, funktionelle Immunität - dürfen nicht im Namen automatischer justizieller Zusammenarbeit geopfert werden", hieß es in einer Stellungnahme.
Kritik an Akteneinsicht und Übersetzungen
Nach Angaben des Anwalts wurde seinem Mandanten es etwa nicht gestattet, "persönlich an seinen Anhörungen teilzunehmen oder vollständige Einsicht in die deutschen Verfahrensakten zu nehmen". Canestrini warf dem Gericht zudem vor, dass die Übersetzung während der Anhörungen "völlig unzureichend" gewesen sei und dadurch "die effektive Verteidigung erheblich beeinträchtigt" worden sei.
Der Anwalt erklärte, dass "der militärische Charakter der vorgeworfenen Handlungen" nach dem "Völkergewohnheitsrecht" eine "funktionelle Immunität" begründe, die auch im Auslieferungsverfahren zu beachten sei. Zudem verwies er darauf, dass K. zum Zeitpunkt der Tat den ukrainischen Streitkräften angehört habe und dies "zwingend berücksichtigt" werden müsse.
Ermittlungsrichter entscheidet über U-Haft
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kassationshof in Rom die Auslieferung noch stoppt, wird als sehr gering eingeschätzt. Die EU-Partner Deutschland und Italien arbeiten auch in der Justiz eng zusammen.
Nach einer Überstellung aus Italien wird zunächst ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs über die Untersuchungshaft des Mannes in Deutschland entscheiden. Wo Serhii K. dann gegebenenfalls in Untersuchungshaft kommt, kann von mehreren Faktoren abhängen. Da die Anklage gegen ihn in Hamburg erhoben werden dürfte, liegt es aber nahe, dass er während einer U-Haft auch in der Hansestadt einsitzt.
Festnahme erfolgte im August
Die Nord-Stream-Pipelines 1 und 2 unter der Ostsee waren für den Transport von russischem Gas nach Deutschland gebaut worden. Die Bundesanwaltschaft legt K. zur Last, eine Gruppe koordiniert zu haben, die im September 2022 nahe der Ostseeinsel Bornholm Sprengsätze an den beiden Pipelines platzierte. Sie wirft ihm gemeinschaftliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und verfassungsfeindliche Sabotage vor.
Medienberichten zufolge sollen die Mitglieder der Gruppe eine Jacht gemietet haben, um den Anschlag zu verüben, die von Rostock aus startete. Diese sei mithilfe gefälschter Ausweispapiere über Mittelsmänner bei einem deutschen Unternehmen gemietet worden.
Die Leitungen der Pipelines waren damals nicht in Betrieb. Russland hatte die Gaslieferungen über Nord Stream 1 bereits kurz zuvor gestoppt - mutmaßlich als Reaktion auf die westlichen Sanktionen angesichts des russischen Einmarschs in die Ukraine. Nord Stream 2 ging nie in Betrieb.
Die italienischen Behörden halten es außerdem für möglich, dass K. auch an Anschlägen auf Schiffe der sogenannten russischen Schattenflotte im Mittelmeer beteiligt war.
Verdächtiger weist Vorwürfe zurück
Italienische Polizisten nahmen den 49-jährigen Ukrainer in der norditalienischen Provinz Rimini fest. Dort, im Ort San Clemente, habe er zusammen mit seiner Familie ein paar Tage in einem Bungalow verbracht. Offenbar rechnete er nicht damit, dass ein internationaler Haftbefehl vollstreckt wird.
Nach Medienberichten soll der Mann ein ehemaliger Agent des ukrainischen Geheimdienstes SBU sein und sich auch zuvor schon häufiger im europäischen Ausland aufgehalten haben. K. bestreitet alle Vorwürfe. Er behauptete, in der Zeit der Anschläge auf die Pipelines in der Ukraine gewesen zu sein. Auch Kiew bestreitet, hinter den Angriffen auf die Pipelines zu stecken.
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