Bevor Union und SPD heute den Gesamthaushalt beschließen, berieten sie am Abend über den Sozialetat. Die Debatte bot Raum für Ideen zur Reform des Sozialstaats. Ministerin Bas zeigte sich bereit für Veränderungen.
190 Milliarden Euro - so hoch ist der Etat des Arbeits- und Sozialministeriums in diesem Jahr. Das sind mehr als ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts. Am Abend stand er zur Debatte.
Rund sieben Minuten redet Arbeitsministerin Bärbel Bas. Ums Geld geht es in ihrer Rede aber nicht, eher um das Programmatische: Warum der Sozialstaat wichtig ist, warum er sich bewährt hat. Und: Was sich daran trotzdem ändern muss.
Bas wirbt für Reformideen
Gerade beim letzten Punkt dürften in der Unionsfraktion viele interessiert die Ohren gespitzt haben. Das Thema treibt die schwarz-rote Koalition um - und teils auch auseinander. Am Vormittag hatte der Kanzler dazu in der Generaldebatte bereits Pflöcke eingerammt. Man müsse die Reform des Sozialstaats beherzt angehen, sagte Friedrich Merz und stellte fest: "Den Kern unseres Sozialstaates können wir erhalten und stärken, wenn wir vor allem wieder zu mehr wirtschaftlichem Wachstum kommen." Während die Union beherzt applaudierte, blieb das Klatschen der SPD-Fraktion aus bei der Passage zum Sozialstaat.
Am Abend also der Moment, an dem die Sozialministerin ihre großen Linien skizzieren konnte. "Nur wer sich auf die soziale Sicherheit verlassen kann, ist bereit für Reformen", zog die SPD-Politikerin Bas klar. Es müsse gerecht zugehen, Lebensleistung müsse sich lohnen.
Gerechtigkeit habe aber zwei Seiten: Auf der einen diejenigen, die Unterstützung bräuchten. Auf der anderen Seite diejenigen, die diese Unterstützung mit ihrer täglichen Arbeit finanzieren. Beide Seiten müssten mitgenommen werden. Da können SPD und Union und beide klatschen.
Linke sind von der SPD enttäuscht
Für die Linke ist das eine Vorlage, Salz in die Wunden vieler linker SPD-Abgeordneter zu streuen: "Dass Sie auf den Zug aufspringen und auch nach härteren Sanktionen rufen, das enttäuscht", so die Linken-Abgeordnete Tamara Mazzi zu Bas, um danach direkt in Richtung der Union auszuteilen. Bei der bekomme man den Eindruck "man müsse nur lange genug auf Arbeitslosen herumtrampeln, dann löst sich die Krise der deutschen Wirtschaft von allein. Das ist Unsinn!"
Dass Union und SPD nach Kompromisslinien suchen, spießen die Grünen auf. Die Rede der Sozialministerin sei Inbegriff des Zustands der Koalition, sagt der Grünen-Chef. Felix Banaszak richtet sich am Rednerpult direkt an Bas und fragt, ob es ihr bei der Rede darum gegangen sei, die Konflikte der Koalition möglichst zu vermeiden und ab und zu aufblitzen zu lassen, dass sie eine Sozialdemokratin sei. "Und das Traurige ist: Es hat nicht einmal geklappt!"
Grüne gegen Sozialabbau
Die Grünen versuchen, sich selbst in der Sozialstaatsdebatte zu positionieren. Katharina Dröge, Britta Haßelmann und andere haben ein Papier geschrieben, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt: "Einen stabilen und gerechten Sozialstaat für die Zukunft sichern", steht als Überschrift über den sechs Seiten.
Beim Bürgergeld müsse Arbeit stärker belohnt werden, die sogenannte Transfer-Entzugsrate solle auf 80 Prozent oder weniger abgesenkt werden. Dadurch dürften Bürgergeld-Empfänger einen höheren Anteil eines Arbeitslohns behalten, höhere Einnahmen bei der Einkommenssteuer könnten das finanzieren.
Bei den Mietkosten von Bürgergeld-Empfängern könnte gespart werden, schreiben die Grünen, wenn Jobcenter die Mieten auf Mietwucher überprüfen und dagegen vorgehen könnten. Beim Gesundheitssystem müsse der Staat für Bürgergeldbezieher in die Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen. Die Krankenhausreform müsse umgesetzt werden, der Hausarzt zur ersten Anlaufstelle im System, die Pflege effizienter werden. "Sozialreformen ja, Sozialabbau nein", so das Motto. Am Freitag soll die Fraktion das Papier beschließen.
Koalition einig bei der Abstimmung - auch bei der Umsetzung?
Wie und wo zu reformieren ist, dazu macht auch die AfD Vorschläge: Gerrit Huy will 30 Prozent der Ausländer im Bürgergeld abschieben, sofern sie nicht aus Kriegsgebieten stammen und keine Arbeit finden. Damit ließe sich eine zweistellige Milliardensumme sparen. Huy betont: "Selbstverständlich soll jeder, der arbeitsfähig ist, auch tatsächlich arbeiten und sich nicht vom Bürger aushalten lassen."
Marc Biadacz, sozialpolitischer Sprecher der Union, betont in der Debatte: "Wir wollen einen handlungsfähigen Sozialstaat, der Sicherheit gibt, aber gleichzeitig Chancen eröffnet und den Menschen zur Eigenverantwortung ermutigt." Es sei für beide Parteien Raum: Der Haushalt des Sozialministeriums trage die Handschrift von Union und SPD.
Und so beschließen die beiden Fraktionen am Ende der Debatte auch gemeinsam den Einzelplan elf, den Haushalt des Arbeits- und Sozialministeriums. Der schwierigere Teil, die Reform des Sozialstaats, der kommt erst noch.
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