Der NDR setzt das ARD-Reportageformat KLAR ohne Moderatorin Julia Ruhs fort. Sie soll künftig nur noch die BR-Ausgaben der Sendung präsentieren. Politiker der Union sehen die Meinungsvielfalt in Gefahr. Die Gewerkschaft Ver.di widerspricht.

Nach dem Aus der als dezidiert konservativ auftretenden Moderatorin Julia Ruhs beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) haben Unionspolitiker den Sender scharf kritisiert. Unionsfraktionschef Jens Spahn sprach von einem "Rechtfertigungsproblem" der öffentlich-rechtlichen Sender, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte als Konsequenz ein Einfrieren der Rundfunkgebühren.

Ruhs soll für den NDR nicht mehr das mit bisher drei Folgen gelaufene Fernsehmagazin KLAR moderieren. Innerhalb des NDR soll es Protest gegen die Journalistin gegeben haben, ihr wurden handwerkliche Fehler vorgeworfen. Nach Angaben der Zeitung Welt distanzierten sich etwa 250 Mitarbeiter des Senders in einem Schreiben von ihr.

Spahn erklärte, er halte "die Entscheidung des NDR für sehr problematisch". Meinungsvielfalt sei eine der Hauptaufgaben der Öffentlich-Rechtlichen. "Wird diese Freiheit eingeschränkt, ist der gebührenfinanzierte Rundfunk nicht mehr in der Lage, die Probleme unserer Gesellschaft anzusprechen und bekommt ein Rechtfertigungsproblem."

"Neuer Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur"

CDU-Generalsekretär Linnemann sagte dem Fernsehsender Welt: "Das ist ein neuer Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur in Deutschland." Es sei "bitter", wenn im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Mitarbeiter ausgeschlossen würden, wenn sie als zu konservativ eingestuft würden. Linnemann forderte finanzielle Konsequenzen. "Ich finde, man muss jetzt beispielsweise klar sagen, wir frieren die Gebühren auf dem jetzigen Niveau bis auf Weiteres ein, damit endlich Druck entsteht, damit Reformen passieren", sagte er.

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer mahnte die Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Breite der gesellschaftlichen Stimmen abzubilden. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf kein Echoraum der Beliebigkeit und auch kein Filter für genehme Gesinnungen sein", sagte Weimer der Nachrichtenagentur Reuters. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssten auch gerade jene Stimmen abbilden, die Redaktionen unbequem erscheinen mögen.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach von einem "extrem schlechten Signal". Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) schrieb auf der Plattform X: "Das ist kein gutes Signal für die Meinungsfreiheit, Pluralität und Toleranz im öffentlich-rechtlichen NDR." Konservative Stimmen gehörten zum demokratischen Meinungsspektrum, "auch wenn das einigen Linken nicht gefällt".

Ver.di kritisiert Äußerungen von Günther und Söder

Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, kritisierte wiederum die Aussagen von Günther und Söder: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist staatsfern. Hier missverstehen zwei Landesfürsten ihre Rolle, wenn sie bestimmtes Personal bei den Sendern bestellen." Auch Linnemanns Forderung nach finanziellen Konsequenzen für den NDR sei "als Versuch politischer Einflussnahme vollkommen inakzeptabel".

"Die Sendung KLAR hat nach der ersten Folge in der Gesellschaft für Diskussionen und Kritik zur fachlich-journalistischen Qualität der Sendung gesorgt", sagte Schmitz-Dethlefsen. "Mit dieser Kritik befassen sich seitdem auch die Beschäftigten im NDR, wir als Gewerkschaft im Rundfunksender und auch der NDR-Rundfunkrat. Genau so sieht es die innere Rundfunkfreiheit und der Auftrag an die gesellschaftliche Programmaufsicht durch Rundfunkgremien vor."

Weitere Folgen der Sendung werden produziert

Die drei Pilotfolgen liefen im April, Juni und Juli. Für das kommende Jahr produzieren der Bayerische Rundfunk (BR) und der NDR im Wechsel weitere Folgen der KLAR-Sendung. Man werde das Format "nicht nur fortführen, sondern ausbauen - mit höherer Folgenzahl und mehreren Moderatoren - und damit mehreren Perspektiven", teilte der NDR mit. "Denn unterschiedliche Stimmen und Vielfalt bereichern unser Programm und brauchen ihren festen Platz."

Die Ausgaben des BR soll weiterhin Ruhs moderieren, sie werde lediglich durch andere ergänzt. Wer die vom NDR in Hamburg produzierten Folgen präsentiert, ist noch offen. Mit Blick auf die internen Diskussionen im NDR teilte der Sender mit: "Der NDR fördert eine offene Diskussionskultur und schützt seine Mitarbeitenden, indem er den internen Austausch vertraulich behandelt und keine öffentlichen Auskünfte darüber erteilt."

"Wir haben KLAR immer als eine Sendung konzipiert, bei der es darum geht, viele Perspektiven miteinander zu verbinden. Das war nie eine Sendung, die auf einen Menschen zugeschnitten ist", sagte der zuständige NDR-Programmdirektor Frank Beckmann. Es gehe am Ende nicht um den Menschen, sondern um die Inhalte. "Und deswegen war es für uns eigentlich eher logisch, zu sagen, dass wenn man über das Thema Meinungspluralität redet, man dann durchaus auch mit mehreren Köpfen die Sendung präsentieren kann." Diese Entscheidung habe man dann nach Ansicht der Pilotsendungen getroffen.

Moderatorin Ruhs stellt "Armutszeugnis" aus

Ruhs selbst zeigte sich "fassungslos" über die Entscheidung und stellte dem NDR ein "Armutszeugnis" aus. "Mein KLAR-Team und ich persönlich haben unglaublich viel Zuspruch für unser Format bekommen, von Menschen, die eigentlich schon das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die dortige Meinungsvielfalt verloren haben", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. "Wir haben also das geschafft, wovon die Sender immer träumen - eine verlorene Zielgruppe zurückzugewinnen."

Insbesondere eine KLAR-Folge zur Migration war sehr kontrovers diskutiert worden. Ruhs hatte dort unter anderem über Gewalt im Zusammenhang mit Einwanderung berichtet. In dem Zusammenhang sprach ZDF-Moderator Jan Böhmermann von "rechtspopulistischem Quatsch", ohne sich auf eine konkrete Aussage zu beziehen.

Die drei Pilotfolgen von «Klar» liefen im April, Juni und Juli in Kooperation von NDR und BR.Nach NDR-Angaben ergab eine repräsentative Onlineumfrage hohe Akzteptanzwerte für die Sendung. 63 Prozent der Befragten gaben der Sendung die Schulnoten eins oder zwei. Dem Sender zufolge wird KLAR als "glaubwürdige, relevante Programmerweiterung wahrgenommen".

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