Der designierten neuen Bahnchefin Palla droht bereits vor ihrer Ernennung Gegenwind. Die Gewerkschaft EVG will im Aufsichtsrat gegen sie stimmen. Dabei geht es gar nicht um Palla, sondern einen anderen Personalvorschlag aus dem Verkehrsministerium.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG will im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn gegen die designierte neue Konzernchefin Evelyn Palla stimmen. Das sagte EVG-Chef Martin Burkert. "Ich darf zum Ausdruck bringen, dass wir als Arbeitnehmervertreter der EVG das Personalkonzept in Gänze ablehnen", erklärte Burkert. "Dabei geht es nicht primär um die Personalie Frau Palla."
Die Gewerkschaft stört sich vor allem an dem von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder vorgeschlagenen neuen Chef der Infrastruktur-Tochter DB InfraGo, Dirk Rompf. Der 56-Jährige saß bereits von 2014 bis 2019 im Vorstand der InfraGo, die damals noch DB Netz hieß.
Burkert warf ihm vor, "mit seinem Sparwahn mit Schuld an der heutigen Situation" zu sein. "Jeder Fahrgast spürt heute noch die Auswirkungen seiner schlechten Bilanz. Das ist kein Neustart." Bei der Bahn-Belegschaft sei Rompf äußerst unbeliebt, führte Burkert aus. Seine Nominierung habe "weit in den Konzern hinein für Unglauben und Ablehnung gesorgt".
Unterstützung für bisherigen Sanierungskurs
Zugleich gebe es zahlreiche Unterstützungsbekundungen für den amtierenden InfraGo-Chef Philipp Nagl, der nun seinen Posten räumen soll, erklärte Burkert. Unter Nagls Leitung wurde zuletzt der jahrelange Verfall des Schienennetzes gestoppt. Zudem ist Nagl einer der Köpfe hinter dem sogenannten Generalsanierungskonzept für mehr als 40 besonderes wichtige Strecken, das Palla fortführen will.
Burkert, der auch stellvertretender Vorsitzender im Bahn-Aufsichtsrat ist, sagte, über Palla könne er "nichts Negatives sagen". Sie habe "Teamplayer-Eigenschaften, sie hat DB Regio nach vorne gebracht, das muss man ihr attestieren". Doch die Personalpolitik der Bundesregierung insgesamt sei falsch. Er setze auf einen Vermittlungsausschuss, sollte die Sitzung am Dienstag kein Ergebnis bringen. Es werde gerade rechtlich geprüft, ob für die Berufung Pallas eine Zwei-Drittel- oder eine einfache Mehrheit benötigt werde.
Der Aufsichtsrat soll morgen über die Bestellung von Palla entscheiden. Das Gremium hat 20 Mitglieder, zehn gehören der Arbeitnehmerseite an. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL, die ebenfalls einen Sitz im Aufsichtsrat hält, äußerte sich bisher nicht, wie sie sich bei der Berufung der neuen Bahnchefin verhalten wird.
Missglückter Start für neue Spitze droht
Während Palla vom Konzernaufsichtsrat berufen werden muss, muss Rompf vom Aufsichtsrat der DB InfraGo berufen werden. Dieser dürfte laut Burkert erst in zwei bis drei Wochen über die Personalie entscheiden. "Da kann ich Ihnen aus meinem Wissen sagen, für den Herrn Rompf wird es selbst bei einer einfachen Mehrheit keine Mehrheit geben", sagte der Gewerkschafter. Stand heute gehe er davon aus, dass auch der vom Bundesfinanzministerium entsandte Vertreter in dem Gremium nicht für Schnieders Vorschlag stimmen werde.
Selbst wenn die EVG letztlich die Berufung von Palla und Rompf nicht verhindern sollte, so ist die Ablehnung beider in den Aufsichtsräten doch ein deutliches Zeichen. Für die künftige Zusammenarbeit verheißt das nichts Gutes: Bei großen Reformen werden Schnieder, Palla und Rompf die Unterstützung der EVG brauchen.

Verkehrspolitik-Experte Gernot Sieg, Uni Münster, zur neuen Bahn-Agenda
tagesschau24, 22.09.2025 11:00 UhrNeue Strategie mit großen Zielen
Verkehrsminister Schnieder hatte am Montagvormittag offiziell Palla als künftige Bahnchefin vorgestellt. Palla ist seit 2019 bei der Deutschen Bahn. Zunächst war sie Finanzvorständin bei DB Fernverkehr, seit 2022 ist sie für den Regionalverkehr mit rund 780.000 Fahrten monatlich - inklusive aller S-Bahnen - verantwortlich.
Der Minister präsentierte zudem seine neue Bahnstrategie. "Weiter so" sei keine Option, sagte er bei der Vorstellung. In den Mittelpunkt will er dabei die Kunden stellen. Drei Sofortprogramme sollen für mehr Sicherheit und Sauberkeit an Bahnhöfen, eine bessere Kundenkommunikation und mehr Komfort in den Zügen des Fernverkehrs sorgen. Auch das Angebot im Bordbistro soll sich verbessern. Die Pünktlichkeitsziele wurden hingegen erst einmal zurückgeschraubt.
An dem Konzept der Generalsanierung hält Schnieder in seiner neuen Strategie fest. Es sieht vor, dass bis 2036 mehr als 40 besonders wichtige Strecken grundlegend modernisiert werden. Ziel ist es, auf diese Weise die Zahl der Baustellen nach und nach zu reduzieren und den Zugverkehr wieder zuverlässiger fahren zu lassen.
Kritik an fehlender Kommunikation
Der Grünen-Bahnexperte Matthias Gastel kritisierte ein unprofessionelles Vorgehen von Verkehrsminister Schnieder. Seine Strategie für den Umbau des Staatskonzerns sei nicht gut vorbereitet. "Ich bin davon ausgegangen, dass Herr Schnieder seine Vorschläge mit den Aufsichtsräten besprochen hat. Diese Aufgabe muss er jetzt wohl nachholen." Bei Rompf gebe es berechtigte Zweifel.
Auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch zeigte sich hinsichtlich der Vorstandswahlen irritiert. "Ich bin davon ausgegangen, dass mit den maßgeblichen Playern die Dinge vorher auch abgestimmt und rückgekoppelt sind. Insofern hoffe ich, dass der Minister sehr schnell zu einer Klärung beitragen wird", so Miersch am Rande einer Parteisitzung im Bundestag. Er warnte auch vor einem Führungsvakuum in der Bahn-Spitze. Das könne man in dieser Phase nicht gebrauchen.
DB-Aufsichtsratschef Werner Gatzer dagegen lobte Rompf: Er habe fundierte Kenntnisse und sei im Sektor hoch anerkannt. Er habe "sehr große Zuversicht", dass der Aufsichtsrat mehrheitlich für Palla stimmen werde, sagte Gatzer. Für die Wahl Rompfs sei der Aufsichtsrat der InfraGo zuständig - "ich glaube, dass nichts dagegen spricht".

Verkehrsminister Schnieder stellt neue Bahn-Strategie vor
Dominic Hebestreit, ARD Berlin, tagesschau, 22.09.2025 16:00 UhrAllianz pro Schiene sieht noch keine echte Strategie
Auch der Verband Allianz pro Schiene sieht Schwachstellen bei Schnieders Plänen. Geschäftsführer Dirk Flege sagte, das Programm sei noch keine Bahnstrategie. Angesichts der Ablehnung der designierten Personalien durch die EVG sagte er weiter, wenn "Vertrauen" in den Eckpunkten als strategisches Ziel genannt werde, dann sei das beim Vertrauen ein "Fehlstart".
Flege betonte: "Wenn die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat im Vorfeld nicht so eingebunden worden ist, dass das vom Minister präsentierte Personal auf Zustimmung stößt, hat man hier offenbar in der Vorfeldkommunikation etwas falsch gemacht." Es habe bereits Orientierungslosigkeit durch die Ankündigung im Vorfeld der Präsentation der Strategie gegeben, dass der bisherige Bahnchef Richard Lutz gehen müsse. "Jetzt droht das so weiterzugehen. Das ist für den Eisenbahnverkehr in Deutschland keine gute Nachricht."
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