Das rechtsextreme Compact-Magazin durfte nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht verboten werden. Chefredakteur Elsässer nutzt die Entscheidung zur Selbstinszenierung.

Bravo-Rufe und ein Blumenstrauß für Stephanie Elsässer - der Große Saal des Bundesverwaltungsgerichts wurde während der zweitägigen Verhandlung vor zwei Wochen und heute nach der Urteilsverkündung noch einmal zu einer Bühne, die Jürgen Elsässer und seine Mitstreiter zu nutzen wissen.

Claudia Kornmeier, ARD Berlin, zum gekippten "Compact"-Verbot

tagesschau24, 24.06.2025 15:00 Uhr

Es ist eine Bühne, die ihnen das Bundesinnenministerium bereitete, als es vor einem Jahr das Unternehmen verbot, das unter anderem das Magazin Compact herausgibt. Verantwortlich war damals noch die SPD-Politikerin Nancy Faeser. Ihr Amts-Nachfolger, CSU-Politiker Alexander Dobrindt, hielt sich heute, nachdem das Bundesverwaltungsgericht das Verbot endgültig gekippt hat, öffentlich zurück. "Mein Haus wird das Urteil sorgfältig auswerten", sagte er.

Das Verbot sei eine "Werbemaßnahme" für Compact gewesen, sagte Chefredakteur Elsässer nach der Urteilsverkündung. "Wir machen mit Vollgas weiter. Wir sind die stärkste Stimme der Opposition und man wird jetzt noch mehr von uns hören." Ganz ähnlich klang er schon, nachdem der Vollzug des Verbots im vergangenen August im gerichtlichen Eilverfahren ausgesetzt worden war. Compact durfte seitdem weitermachen.

Verbot von Medienunternehmen möglich

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil allerdings klar gemacht, dass es ein Verbot von Compact oder einem anderen Medienunternehmen generell für rechtlich zulässig hält. Mit Blick auf Compact kam das Gericht in einer Gesamtwürdigung lediglich zu dem Ergebnis, dass die verbotsrelevanten Äußerungen und Aktivitäten "noch" nicht prägend seien.

Und generell stellte es fest, dass auch Medienunternehmen nach dem Vereinsrecht verboten werden können. Das liegt zwar auf einer Linie mit der bisherigen Rechtsprechung, ist unter Juristinnen und Juristen aber umstritten.

Politische Agenda von Compact

Das Gericht schob trotzdem noch hinterher, dass es Compact nicht nur für ein Medienunternehmen hält, sondern darüber hinaus für einen Zusammenschluss von Personen, der eine politische Agenda verfolgt - der Veranstaltungen und Kampagnen organisiert. Compact verstehe sich als "Teil einer Bewegung" und für diese arbeite man auf eine Machtperspektive hin. Auch das rechtfertige die Anwendung des Vereinsgesetzes.

Der "Elsässer-Kreis" mit Jürgen Elsässer als Zentralfigur, seiner Frau und mehreren Mitarbeitern sei auf Dauer angelegt, verfolge einen gemeinsamen Zweck und habe sich der "straffen Willensbildung" von Jürgen Elsässer unterworfen.

In der Verhandlung hatte Elsässer versucht, die Rolle seiner Mitarbeiter zu relativieren. Er sei der "Diktator", der "Boss". Außerdem habe man gar keine Zeit, irgendetwas zu organisieren, sondern sei rund um die Uhr damit beschäftigt, redaktionelle Inhalte zu erstellen. Der Veranstaltung "Die blaue Welle rollt", die vor den Landtags- und Europawahlen im vergangenen Jahr wie eine Wahlkampagne für die AfD wirkte, sei im Grunde "Public Relation" für Compact gewesen.

Mit Menschenwürde und Demokratieprinzip vereinbar?

Verboten sind nach Artikel 9 des Grundgesetzes Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, das heißt: gegen die Menschenwürde, die Demokratie oder den Rechtsstaat. Faeser hatte das Verbot von Compact damit begründet, dass das Magazin auf "unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen die parlamentarische Demokratie" hetze.

Nicht mit der Menschenwürde und dem Demokratieprinzip vereinbar ist aus Sicht des Gerichts das Remigrationskonzept, das Martin Sellner als Vordenker der "Identitären Bewegung" entworfen hat. Denn es missachte, soweit es zwischen deutschen Staatsangehörigen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheide, das egalitäre Verständnis der Staatsangehörigkeit.

Compact identifiziere sich mit diesem Remigrationskonzept. Sellner werde seit Jahren ohne jegliche Distanzierung breiter Raum eingeräumt. Er werde bewundernd als "unser Held" bezeichnet, seine Strategie als "machbar" und "rechtsstaatlich" verharmlost.

In der mündlichen Verhandlung hatte Elsässer gesagt, Sellners Ausführungen zur Remigration seien ihm fremd. Sie entsprächen nicht der Compact-Linie, bewegten sich lediglich im Rahmen des "Compact-Pluralismus". Aus Sicht des Gerichts waren das relativierende und verharmlosende Einlassungen - bloßes "prozesstaktisches, nicht glaubhaftes Vorbringen".

Kämpferisch-aggressive Weise

Ein Vereinsverbot setzt weiter voraus, dass die Vereinigung plant, ihre verfassungswidrigen Vorstellungen in kämpferisch-aggressiver Weise umzusetzen. Compact tue das. Die Richterinnen und Richter machten das an der politischen Agenda des Unternehmens fest.

Die Grenze zur Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein. Es geht um "präventiven Verfassungsschutz", wie es das Gericht formulierte.

Für wen gilt die Pressefreiheit?

Am Ende scheiterte das Verbot daran, dass das Gericht in einer Gesamtwürdigung die verbotsrelevanten Äußerungen und Aktivitäten von Compact nicht für prägend hielt. Eine Vielzahl der vom Bundesinnenministerium als Belege angeführten migrationskritischen beziehungsweise -feindlichen Äußerungen ließen sich auch als "überspitzte, aber letztlich (…) zulässige Kritik an der Migrationspolitik" deuten.

Die Forderung nach einer strengeren Einbürgerungspolitik sei für sich genommen nicht unvereinbar mit der Menschenwürde oder dem Demokratieprinzip. Die bei anderen Themen generell zum Ausdruck kommende "polemisch zugespitzte" Machtkritik sowie Verschwörungstheorien und Geschichtsrevisionismus seien von der Meinungsfreiheit gedeckt und könnten deshalb das Verbot nicht rechtfertigen.

Die Argumentation des Gerichts dahinter: Das Grundgesetz garantiert selbst den Feinden der Freiheit die Meinungs- und Pressefreiheit, so die Urteilsbegründung. Es vertraut grundsätzlich auf die freie gesellschaftliche Gruppenbildung sowie die Kraft des bürgerschaftlichen Engagements im freien und offenen politischen Diskurs. Deshalb ist ein Vereinsverbot nur gerechtfertigt, wenn sich die verfassungswidrigen Aktivitäten für die Vereinigung als prägend erweisen.

Bemerkenswerte letzte Sätze

Der Vorsitzende Richter schloss die Urteilsverkündung mit den Sätzen: "Der Senat hat es sich mit diesem Verfahren wahrlich nicht leicht gemacht. Er hat selbstverständlich - wie es Gerichten obliegt - nicht nach politischer Präferenz, sondern nach rein juristischen Maßstäben entschieden."

Es ist für sich genommen bemerkenswert, dass ein Richter anscheinend den Eindruck hat, es brauche diese Klarstellung.

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