Koalitionsversprechen gebrochen? Verbraucher gehen bei der Stromsteuer-Entlastung leer aus. Für Kanzler Merz geht es jetzt um die eigene Glaubwürdigkeit. Ein Kompromiss soll her, um die fehlenden Milliarden aufzubringen.
Friedrich Merz will keine allzu große Hoffnung verbreiten. "Wenn wir mehr tun können für die privaten Haushalte, dann werden wir das tun", sagte der Bundeskanzler gestern Abend in der ARD-Talkshow maischberger. Zurzeit würde das Kanzleramt zusammen mit dem Finanzministerium nach Lösungen suchen, wie man die Senkung der Stromsteuer doch noch umsetzen könnte. "Wir schauen uns das mal an", so Merz. Aber ob das klappt - da will der Kanzler erneut keine Zusage machen.
Die Bundesregierung befindet sich in einem Dilemma. Mehrfach hatten Union und SPD versprochen, die Stromsteuer zu senken. Für große Betriebe. Für kleine Betriebe. Und für alle Privathaushalte. So steht es im Koalitionsvertrag und dem "Sofortprogramm" der Bundesregierung. Doch inzwischen ist klar: Es ist einfach nicht genug Geld da, um dieses milliardenschwere Versprechen einzuhalten. Nun ist die Empörung groß.
Kritik von Verbänden und Opposition
Zuletzt hatten sich mehrere Wirtschaftsverbände in einem Brandbrief an die Bundesregierung gewandt. In dem Schreiben, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, fordern sie, dass die Bundesregierung ihre Zusagen einhält und die Stromsteuer wie versprochen für die ganze Wirtschaft senkt - und eben nicht nur für das produzierende Gewerbe und die Landwirtschaft. "Wenn man in weniger als hundert Tagen der Koalition das Vertrauen der Leistungsträger in diesem Land verspielt, kann die Wirtschaftswende nicht gelingen", sagte Mittelstands-Chef Christoph Ahlhaus.
Auch aus den Sozialverbänden kommt deutliche Kritik. "Die Bundesregierung muss sich an dem messen lassen, was sie versprochen hat", sagte Verena Bentele vom Sozialverband VdK dem ARD-Hauptstadtstudio.
Für die Opposition ist es ein dankbares Thema. Merz drohe ein "Pinocchio-Kanzler" zu werden, sagte Franziska Brantner. Erneut wirft die Co-Chefin der Grünen dem Kanzler einen Wortbruch vor. Doch die Kritik ist nicht nur bei den Grünen deutlich. Auch bei Union und SPD sind viele unzufrieden über das kassierte Stromsteuer-Versprechen.
Auf der Suche nach den Milliarden
Kurz vor dem Koalitionsausschuss ist der Druck deshalb groß. Seit Tagen suchen Fachpolitiker von Schwarz-Rot nach Lösungen, die fehlenden Milliarden doch noch irgendwie aufzutreiben.
Ideen gibt es viele. So könnte man vielleicht bei der Förderung für Wärmepumpen sparen. Man könnte Klimagelder aus dem sogenannten Klima- und Transformationsfonds ja vielleicht doch noch irgendwie für die Stromsteuer hernehmen. Oder man könnte die Steuerausfälle beim Strom erstmal hinnehmen und hoffen, dass sich die Rechnung am Ende schon irgendwie ausgeht - im Fachjargon "Globale Minderausgabe" genannt.
Ob in all dem wirklich eine Lösung steckt, wollen Union und SPD am Nachmittag beraten. Ab 17 Uhr tagt der sogenannte Koalitionsausschuss im Kanzleramt. Das Treffen ist seit Langem geplant. Eigentlich sollte es um die Rente und das Bürgergeld gehen. Doch inzwischen steht der Streit über die Stromsteuer ganz oben auf der Tagesordnung. Dabei soll es nicht nur um die fehlenden Milliarden gehen. Auch das Klima und der gegenseitige Umgang in der Koalition dürften zum Thema werden.
Lange Verhandlungen wahrscheinlich
Immerhin hatten Union und SPD schon harmonischere Zeiten. Seit Tagen wird aus beiden Lagern mit dem Finger auf die Anderen gezeigt. Niemand will die Schuld für das gebrochene Stromsteuer-Versprechen allein auf sich nehmen. Es gebe sicherlich in der Kommunikation Verbesserungspotenzial, räumte Kanzler Merz bei maischberger ein. "Das nehme ich auch selber auf meine Kappe." Man hätte vielleicht auch etwas besser mit den eigenen Fraktionen vorher sprechen sollen, sagte Merz.
Es dürften also lange Verhandlungen werden im Kanzleramt. Ob es danach ein Ergebnis gibt oder nicht, ist aber offen.
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