Spitzenpolitiker von Schwarz-Rot sprechen nach dem Koalitionsausschuss lieber von anderen Entlastungen als von der vorerst ausbleibenden Stromsteuersenkung für alle. Von Grünen und Verbänden hagelt es deutliche Kritik - und auch in der CDU rumort es.
Noch vor wenigen Tagen hatte der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn, noch selbst das Ziel bekräftigt, die Stromsteuer für alle dauerhaft zu senken. So wie es im gemeinsamen Koalitionsvertrag mit der SPD festgeschrieben wurde. Das solle "Schritt für Schritt schnellstmöglich" passieren. Doch nach dem Koalitionsgipfel am Mittwochabend steht fest: Es wird erst einmal nichts mit der Steuersenkung für private Verbraucherinnen und Verbraucher.
Im ARD-Morgenmagazin räumt Spahn daher auch ein: "Wir hätten uns mehr gewünscht." Doch die schwarz-rote Bundesregierung werde gemeinsam an dem Ziel festhalten, das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Versprechen, die Stromsteuer für alle zu senken, auch noch umzusetzen. Die Lage für viele Familien sei schwierig, ebenso für die Industrie. "Die Stromkosten sind hoch, viel zu hoch", betont Spahn. Doch ebenso schwierig sei die Haushaltslage. "Wir wollen eben auch solide Finanzen und das ist nach drei Jahren Rezession nur in Schritten möglich", so der Fraktionsvorsitzende.
Und im ersten Schritt ermögliche Schwarz-Rot bereits Entlastungen - auch für private Haushalte. Spahn verwies auf die beschlossene Teilübernahme der Netzentgelte, auf die Gaspreise, welche die Koalition "runter bringt". Hinzu kommt die Ausweitung der Mütterrente sowie die "Aktivrente".
Aus Sicht des CDU-Politikers alles Entlastungen im ersten Schritt. Und "sobald der finanzielle Spielraum da ist, Wachstum da ist oder auch andere Maßnahmen, um zu sparen, gehen wir den zweiten Schritt", versichert Spahn.
"Wir hätten uns mehr gewünscht", Jens Spahn, stellv. Vorsitzender CDU/CSU-Fraktion, zu Ergebnissen des Koalitionsausschusses
Morgenmagazin, 03.07.2025 05:30 Uhr"Da stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel"
Ganz ähnlich rechtfertigt der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch, dass die Stromsteuer erst einmal nur für das produzierende Gewerbe sowie die Land- und Forstwirtschaft sinken soll. Dieser Schritt sei wichtiger, da dort Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden, betonte Miersch im Deutschlandfunk.
Auch er versprach, die Senkung für alle bleibe ein Ziel, welches die Koalition in der laufenden Legislaturperiode weiter verfolgen werde. Und ebenso wie Spahn betonte auch der SPD-Fraktionschef die Entlastungen, die für Privatverbraucher beschlossen worden seien.
Eine Argumentation, mit der auch Bundesarbeitsministerin und SPD-Parteikollegin Bärbel Bas den Kurs der Koalition im ARD-Morgenmagazin verteidigt: "Uns war wichtig, erst einmal die Arbeitsplätze zu sichern, die Wirtschaft anzukurbeln und dann Spielräume zu suchen, um in dieser Legislatur weitere Entlastungen zu machen." Die Priorität auf die Wirtschaft zu legen, ist aus Sicht der Ministerin wichtig. Denn die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei weiterhin sehr angespannt, viele Menschen könnten den Arbeitsplatz noch verlieren. Darum müsse der Arbeitsmarkt stabilisiert werden.
Wüst sieht Verantwortung bei Klingbeil
In einigen Unions-geführten Ländern ist man unzufrieden. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) schob dafür Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) die Verantwortung zu. "Es ist vor allem der Job des Finanzministers, das möglich zu machen - und es gibt eine Menge Möglichkeiten", sagte er dem Newsletter Politico.
Laut CSU-Chef Markus Söder gibt es Überlegungen, die Stromsteuer im übernächsten Jahr auch für Privatverbraucher zu senken. Vom 1. Januar 2027 an solle diese dann "für alle" auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden, berichtete Söder in München aus der Sitzung des Koalitionsausschusses.
Die dafür nötigen finanziellen Spielräume müssten aber noch erarbeitet werden, fügte er nach einem Treffen mit der Spitze der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) in München hinzu. "Der Wille ist zu 100 Prozent da, das Ergebnis ist sehr gut möglich." Er räumte ein, dass die Kommunikation im Vorfeld "unglücklich" gewesen sei.
Auch der CDU-Arbeitnehmerflügel übte Kritik. "Diese Koalition hat nicht nur die Aufgabe, Deutschland wieder voranzubringen, sondern auch verlorenes Vertrauen in Politik wiederherzustellen", sagte der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Dennis Radtke, der "Bild"-Zeitung. "Die Stromsteuersenkung für alle war ein zentrales Versprechen unserer Kampagne, von dem ich erwartet hatte, dass wir das auch eins zu eins so umsetzen."
"Erstmal Priorität auf Wirtschaft gelegt", Bärbel Bas, SPD, Ministerin für Arbeit und Soziales, zu Ergebnissen des Koalitionsausschusses
Morgenmagazin, 03.07.2025 05:30 UhrGrüne werfen Union Bruch von Wahlversprechen vor
Aus der Opposition kamen noch schärfere Worte. Im Wahlkampf sei versprochen worden, "jede Verbraucherin und jeden Verbraucher" zu entlasten. "Und nach gestern Abend heißt es: Dafür ist kein Geld da", kritisiert die Fraktionsvorsitzende der Partei, Britta Haßelmann im ARD-Morgenmagazin. Das nun in den Raum gestellte "vielleicht irgendwann" sei nicht nur ein "falsches Signal", sondern vor allem ein "gebrochenes Wahlversprechen" der Union.
Dabei sieht Haßelmann "wirklich gute Bedingungen" für Schwarz-Rot, um das gegebene Wahlversprechen auch zu erfüllen und finanzieren zu können - und zwar durch das Sondervermögen für Klimaschutz und Infrastruktur. Das 500 Milliarden Euro schwere Finanzpaket wurde per Grundgesetzänderung ermöglicht, die im Bundestag auch mithilfe der Stimmen aus den Reihen der Grünen beschlossen worden war.
"Das ist ein gebrochenes Versprechen", Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende B'90/Die Grüne, zu Ergebnissen des Koalitionsausschusses
Morgenmagazin, 03.07.2025 05:30 UhrHandwerksverband prangert Vertrauensbruch an
Nicht nur aus der Opposition, sondern auch von Verbänden werden die Koalitionsbeschlüsse kritisiert. Von einem "fatalen Signal" spricht die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier. "Gerade in Zeiten hoher Lebenshaltungskosten brauchen sie spürbare Entlastungen."
Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks zeigte sich über die ausbleibende Senkung - in diesem Fall für alle Betriebe - enttäuscht. Denn die "war nicht irgendwo angekündigt, sondern mehrfach und verbindlich schriftlich festgehalten - im Koalitionsvertrag, in Beschlüssen des vorherigen Koalitionsausschusses und im sogenannten Entlastungspaket der Bundesregierung", betonte Verbandspräsident Jörg Dittrich. Viele Handwerksbetriebe hätten der Zusage vertraut und sie in ihre Planungen einbezogen.
Jan Zimmermann, ARD Berlin, tagesschau, 03.07.2025 11:14 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.