Die Regierung will Straftäter nach Afghanistan abschieben. Innenminister Dobrindt schlägt direkte Gespräche mit den Taliban vor. Doch wenn es um die konkrete Umsetzung geht, kommen vor allem Floskeln.

Wer mit den Taliban redet, redet mit Extremisten. Wer ein Abkommen schließt, erkennt sie möglicherweise an. Das ist ein Problem - auch für die Bundesregierung. Eine Regierung, die gern Härte zeigen und Straftäter abschieben will, auch nach Syrien und Afghanistan. Doch das ist kompliziert und gelingt nur selten.

Es war Ende August 2024. Kurz vor wichtigen Landtagswahlen landete in Kabul ein Flug aus Leipzig. An Bord 28 Männer - afghanische Straftäter, einige sollen auch als Gefährder eingestuft gewesen sein. Der Bundesregierung war es gelungen, zum ersten Mal seit der Machtübernahme der Taliban direkt in das Land abzuschieben.

Abschiebung via Katar

Der damalige Kanzler Olaf Scholz sprach von einem klaren Zeichen: "Wer Straftaten begeht, kann nicht darauf rechnen, dass wir ihn nicht abgeschoben kriegen." Deutschland werde Wege suchen, das zu tun.

Der Weg führte damals über Katar. Dort unterhalten die Taliban ein Büro. Und dort gibt es das, was das Auswärtige Amt "technische Kontakte" nennt - das heißt, Gespräche unterhalb der politischen Ebene.

"Viele Wege, um ans Ziel zu kommen"

Die Worte fallen immer wieder. Auch wenn die Bundesregierung äußerst schmallippig ist und es deutlich zu spüren ist, wie unangenehm ihr die Nachfragen sind. Regierungssprecher Stefan Kornelius sagt: "Die Bundesregierung erkennt die de facto Regierung der Taliban politisch nicht als legitime Regierung Afghanistans an."

Er pocht aber auf den Koalitionsvertrag, darauf, dass Straftäter nach Syrien und Afghanistan abgeschoben werden sollen. Der Bundeskanzler unterstütze das mit Nachdruck. Das Ziel sei wichtig, aber schwierig. Es gebe "viele Wege, um ans Ziel zu kommen".

Die Regierung flüchtet sich in Floskeln und vermeidet klare Antworten. Ein Grund könnte sein, dass es die Antworten nicht gibt - ebenso wenig wie einfache Lösungen. Genau diese Lösungen wurden aber immer wieder in Aussicht gestellt.

Gespräche in Katar

Wer in Kabul landen will, braucht die Zustimmung der Taliban. Die haben mehrfach erklärt, dass sie bereit sind, mit Deutschland zu sprechen. Der Preis dürfte aber klar sein: Die radikalen Extremisten wollen Anerkennung. Bislang sind sie international so gut wie isoliert.

Erst gestern kommt die Meldung herein, dass Russland jetzt die Taliban anerkannt hat. Ob man das auch wolle, wird der Regierungssprecher gefragt. Die Antwort wieder kurz und sehr leise, die Worte von Regierungssprecher Kornelius sind kaum zu verstehen: Das sei im jetzigen Verhandlungsstand nicht Teil der Debatte. Ein klares Nein ist das nicht.

Das Auswärtige Amt verweist auf Gespräche in Katar, das Innenministerium auf Schlüsselpartner in der Region. Ein Problem: Die Deutsche Botschaft in Kabul ist geschlossen, seitdem die Taliban die Macht übernommen haben. Ortskräfte sehen immer mal wieder nach dem Rechten. Aber es gibt nur wenige Informationen aus dem Land.

Dobrindt sieht Gespräche über Dritte nicht als Lösung

Was aber klar ist: Die Taliban gelten international als Terrororganisation. Das liegt vor allem daran, dass sie die Menschenrechte mit Füßen treten. Frauen müssen ihr Gesicht und ihren Körper vor fremden Männern bedecken. Sie dürfen nicht in der Öffentlichkeit singen. Sie sind von höherer Schulbildung ausgeschlossen. Die Pressefreiheit ist eingeschränkt.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt sagt, dass Gespräche über Dritte keine dauerhafte Lösung sind. "Wer regelhafte Rückführungen nach Afghanistan möchte, der muss auch mit denen sprechen, die das entscheiden", sagte er. "Und deswegen ist es mein Anliegen, diese Gespräche auch zu führen."

Taliban auf Kosten der Opfer aufwerten?

Der Koalitionspartner hat Bedenken. SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler sagte im ARD-Morgenmagazin, bei den Taliban handele es sich um eine internationale Terrororganisation. "Ein Terrorregime noch mal dadurch zu befördern, dass wir es mehr oder weniger anerkennen, ist durchaus problematisch." Auch Fiedler findet es wichtig, dass Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden. Das sei aber ein Ritt auf der Rasierklinge.

In Deutschland sind knapp 11.500 Afghaninnen und Afghanen ausreisepflichtig. Das antwortete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Redaktionsnetzwerk Deutschland auf eine entsprechende Anfrage. Sie alle abzuschieben, wird schwer, denn es gelingt schon kaum bei den Straftätern. Und wenn, wäre der Preis ein sehr hoher. Deutschland würde die Islamisten in Afghanistan aufwerten und damit deren Opfer ein stückweit im Stich lassen.

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