Wirtschaft, Migration, Stimmung im Land: In der Generaldebatte hat sich Kanzler Merz um Optimismus bemüht. "Aber es bleibt noch sehr viel zu tun", gab Merz zu. Die Wahlbetrugsvorwürfe von AfD-Chefin Weidel wies er entschieden zurück.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat nach rund zwei Monaten im Amt eine positive Bilanz der bisherigen Regierungsarbeit gezogen. "Wir haben viel angepackt, wir haben einiges erreicht, aber es bleibt noch sehr viel zu tun", sagte der CDU-Politiker in der Generaldebatte des Bundestages.

Man nehme wahr, dass die Stimmung im Land wieder besser werde, aber auch, dass viele Bürger noch Sorgen hätten und von Ängsten und Unsicherheiten beschwert seien. "Wir wollen allen Menschen in Deutschland den Mut und die Zuversicht vermitteln, dass es sich lohnt, in unserem Land zu arbeiten, dass es Freude macht in Deutschland zu leben und dass wir vor allem das große Glück haben, in einem Land in Freiheit und im Frieden zu leben."

"Die Debatte war hart", Christoph Mestmacher, ARD Berlin, zur Generaldebatte über den Haushalt

tagesschau24, 09.07.2025 11:00 Uhr

Merz will sich nicht vom Weg abringen lassen

Man werde sich von diesem Weg nicht abbringen lassen, "auch nicht von denen, die schlechte Stimmung verbreiten, die mit Ressentiments unterwegs sind und die in Wahrheit, meine Damen und Herren, eine andere Gesellschaft wollen." Die Koalition werde "mit Mut und Zuversicht ihre Arbeit fortsetzen".

"Wir übernehmen die Führungsverantwortung"

Merz betonte in seiner Rede zudem die Bedeutung der Entscheidung für wesentlich mehr Verteidigungsausgaben in Deutschland. "Wir übernehmen die Führungsverantwortung, die Europa von uns erwartet", sagte der CDU-Politiker.

Die Grundgesetzänderung ermögliche, erhebliche Anstrengungen zur Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu unternehmen. "Wenn wir das nicht getan hätten und wenn wir nicht mehr bereit gewesen wären, für unsere Verteidigung auszugeben, wenn wir AfD und Linkspartei gefolgt wären, dann wäre die NATO wahrscheinlich im 70. Jahr unserer Mitgliedschaft auseinandergebrochen."

Der Kanzler zeigte sich sicher, dass mit der Haushaltsplanung der Grundstein für weitere erhebliche Investitionen im Land gelegt werde. "Damit hat die Bundesregierung die Wende in der Wirtschaftspolitik eingeleitet", sagte er. Der Kanzler rechtfertigte die dazu beschlossenen zusätzlichen Schuldenaufnahmen. Nichts zu tun und keine Investitionen zu ermöglichen, sei keine bessere Alternative.

Merz sagt Ukraine weitere deutsche Unterstützung zu

Merz sagte zudem der Ukraine weitere deutsche Unterstützung zu - "auch gegen den Widerstand der politischen Linken und der russlandfreundlichen Rechten hier im Haus".

Die Mittel der Diplomatie seien ausgeschöpft, wenn ein verbrecherisches Regime mit militärischer Gewalt das Existenzrecht eines ganzen Landes offen infrage stelle und sich auf den Weg mache, die politische Freiheit des ganzen europäischen Kontinents zu zerstören.

Auch in der Migrationsdebatte zeigte sich Merz optimistisch: Durch Zurückweisungen im Zusammenhang mit Binnengrenzkontrollen seien bereits "Tausende illegale Einreisen" verhindert worden, sagte Merz. Es seien jedoch Maßnahmen auf Zeit, die Bundesregierung bemühe sich weiter um eine europäische Lösung.

Weidel wirft Merz Wahlbetrug vor

Zuvor hatte traditionsgemäß ein Mitglied der größten Oppositionsfraktion das Wort. AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel kritisierte die Bundesregierung scharf. Sie warf Merz gebrochene Wahlversprechen vor. "Nach Ihrem neuesten Wortbruch, der Streichung der versprochenen Absenkung der Stromsteuer für alle, wissen die Bürger wenigstens, was sie von Ihnen zu erwarten haben: nämlich nichts", sagte Weidel. Dessen Kanzlerschaft sei der "größte Wahlbetrug in der deutschen Geschichte".

Laut Weidel setze Schwarz-Rot die Politik der Ampelkoalition fort und liefere nicht die versprochenen Entlastungen - etwa bei der Stromsteuer. "Ihr Wort ist nichts wert, selbst wenn es schwarz auf weiß in ihrem dürftigen Koalitionsvertrag steht", sagte Weidel.

Außerdem beschuldigte sie Merz, "das Geld der Bürger, das Ihnen nicht gehört, zum Fenster hinauszuwerfen". Weidel sprach von einem "unersättlichen, verschwenderischen Staat". Merz habe vor der Wahl Reformen und eine Reduzierung der Staatsausgaben versprochen, mache nun aber gemeinsam mit Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) mehr Schulden.

Vor allem kritisierte Weidel die Migrations- und Asylpolitik der Regierung: "Das ist keine Migrationswende, das ist Volksverdummung."

Merz wehrt sich gegen "Herabwürdigung"

Merz wies in seiner Rede Weidels Wortbruchvorwürfe scharf zurück. "Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen muss auch in einer Demokratie niemand unwidersprochen einfach hinnehmen", sagte er.

Er fügte hinzu: "Ich weise Ihre pauschale und undifferenzierte Herabwürdigung der Arbeit der neuen Bundesregierung deshalb mit aller Entschiedenheit zurück."

Grüne sehen "klimapolitische Bankrotterklärung"

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge hat in ihrer Rede der Bundesregierung und Kanzler Merz Rückschritt beim Klimaschutz vorgeworfen. Sie sprach von einer "klimapolitischen Bankrotterklärung".

Die Bundesregierung subventioniere Gas aus dem Klima- und Transformationsfonds, plane neue Gasförderungen vor Borkum, kürze Klimaverträge für die Industrie und wolle das Heizungsgesetz aufweichen. Die Regierung wolle den Kohleausstieg verlängern, kürze die internationale Klimafinanzierung, plane im großen Umfang fossile Gaskraftwerke und rede gleichzeitig darüber, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu verlangsamen. 

Beim Haushalt trickse und täusche Merz. Er verschiebe Investitionen aus dem Bundeshaushalt in die Sondervermögen, um Wahlgeschenke zu finanzieren, sagte Dröge.

Reichinnek: Geld ist falsch verteilt

Eine "Politik der sozialen Kälte" warf Heidi Reichinnek von den Linken der Bundesregierung vor. Die Koalition liefere einen "Haushalt der Hoffnungslosigkeit", sagte die Fraktionschefin.

Sie kritisierte die vorgesehene massive Aufrüstung sowie Steuergeschenke für Superreiche und Konzerne. Reichinnek warnte: "Jeder Cent, der in die Rüstung fließt, fehlt an anderer Stelle." An die Adresse von Union und SPD sagte sie: "Sie versuchen die Schere zwischen Arm und Reich nicht mal zu schließen, Sie reißen sie immer weiter auseinander."

Vorgesehen sei viel zu wenig Geld für sozialen Wohnungsbau, es gebe keine Erhöhung des Elterngelds und Unklarheit bei der weiteren Finanzierung für das Deutschlandticket im Nahverkehr. Die Politikerin mahnte: "Das Geld fehlt nicht, es ist nur falsch verteilt."

Uli Hauck, ARD Berlin, tagesschau, 09.07.2025 10:04 Uhr

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