Weil Union und SPD sich nicht auf neue Verfassungsrichter einigen konnten, hält Bundespräsident Steinmeier die Koalition für "beschädigt". Kanzler Merz sieht das erwartungsgemäß anders: Man arbeite "richtig gut zusammen".
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält die schwarz-rote Regierungskoalition nach der verschobenen Wahl der Verfassungsrichter für "beschädigt". "Ich glaube, wenn man einen Blick in die Zeitungen vom Wochenende wirft, dann lernt man sofort, die Koalition hat sich jedenfalls selbst beschädigt", sagte Steinmeier im Sommerinterview des ZDF.
Der Bundespräsident drang darauf, "in näherer Zeit" eine Entscheidung über die Verfassungsrichter zu treffen. Die kurzfristig verschobene Neubesetzung von drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht durch den Bundestag rühre an der Autorität des Parlaments, das hier das Entscheidungsrecht hatte, sagte Steinmeier.
Keine Kleinigkeit
Er sei aber "weit davon entfernt" zu sagen, es beschädige auch das Bundesverfassungsgericht. "Jedenfalls dann nicht, wenn in näherer Zeit die Entscheidungen noch getroffen werden", so der Bundespräsident.
Sollte das nicht geschehen, "müssten wir allerdings Sorge haben", fügte er hinzu. Es sei keine Kleinigkeit, um die es gehe: "Es geht um die Autorität und Funktionsfähigkeit eines Verfassungsorgans, das zugleich unser höchstes Gericht ist."
Der Bundestag hatte am Freitag eigentlich über die Neubesetzung von drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht befinden sollen. Die Unionsfraktion forderte aber kurzfristig die Absetzung der Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf und verwies auf vermeintliche Plagiatsvorwürfe - diese wurden danach als konstruiert kritisiert. Für Ablehnung in der Union sorgten auch Äußerungen Brosius-Gersdorfs zum Abtreibungsrecht, die in der CDU und CSU als zu liberal kritisiert wurden.
Merz: "Arbeiten richtig gut zusammen"
Bundeskanzler Freidrich Merz hob trotz der geplatzten Richterwahl die Stabilität seiner Koalition hervor. "Wir arbeiten sogar mit den Sozialdemokraten in dieser Koalition richtig gut zusammen. Und das zeigt auch, dass die politische Mitte in unserem Land in der Lage ist zusammenzuarbeiten, zusammen zu regieren und dafür zu sorgen, dass unsere Demokratie in der Mitte stabil bleibt", sagte der CDU-Vorsitzende beim Besuch des Schützenfests in seinem Heimatort Arnsberg-Niedereimer.

"Wir arbeiten gut zusammen": Kanzler Merz beim Besuch des Schützenfests in seinem Heimatort Arnsberg-Niedereimer.
Streit entgegen aller guten Vorsätze
Merz hatte sich eigentlich vorgenommen, als Kanzler einen neuen, kooperativen Regierungsstil zu etablieren. "Die permanenten öffentlichen Auseinandersetzungen der Vergangenheit, die müssen wir beenden", hatte er - in Anspielung auf den Streit in der Ampelkoalition - noch vor Bundestagswahl gesagt. Seit der geplatzten Richterwahl zofft sich die schwarz-rote Koalition aber doch.
Ebenso wie Merz setzt auch der Parlamentarische Geschäftsführer Steffen Bilger von der CDU darauf, die aufgeheizte Debatte um Brosius-Gersdorf nun abzukühlen. "Jetzt sollten erstmal alle etwas runterkommen und dann besprechen wir in Ruhe mit der SPD das weitere Verfahren", sagte er.
Muss am Ende der Bundesrat entscheiden?
Am 10. September kommt der Bundestag zu seiner nächsten regulären Sitzung zusammen. Bis dahin sollte sollte eine Lösung gefunden sein.
Sollte der Bundestag sich nicht über die Besetzung der Richterstellen einigen können, wäre das ein Eingeständnis, dass die schwarz-rote Koalition - und das Parlament - bei diesem Thema nicht mehr voll handlungsfähig ist. Dann ginge die Entscheidung über die neuen Verfassungsrichter an den Bundesrat über. Auch dort wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.