Der russische Dirigent Valery Gergiev ist ein Putin-Propagandist, ein beinharter. Daran ist nicht zu rütteln. Eben hat er, der von seinem imperialistischen Neo-Zaren für seine Nibelungentreue mit der Leitung des Moskauer Bolschoi Theaters belohnt wurde – neben seinem Intendantenjob am Petersburger Mariinsky Theater und bei diversen Festivals –, auf den dortigen Vorhang bei der Premiere von Sergej Prokofiews UdSSR-Oper „Semjon Kotko“ antiukrainische Propaganda projizieren lassen. Kein Wunder, der Regisseur dieser Produktion arbeitet tagsüber im Kreml.
In Russland wird also gegenwärtig mit Kultur kalkuliert Politik gemacht. Mehr oder weniger offensichtlich. Und natürlich würde auch jeder Gergiev-Auftritt im Westen, zu einem solchen ist es seit der Premiere von Tschaikowskys „Pique Dame“ in Mailand am Vorabend des Einmarschs der Putin-Truppen in die Ukraine nicht mehr gekommen, zu einer Propaganda-Veranstaltung. Die Wiener Philharmoniker luden ihn postwendend von einem gemeinsamen USA-Gastspiel aus, die Stadt München kündigten ihm eine Woche später fristlos seinen sowie umstrittenen Job als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Kein anderes westliches Orchester hat ihn seither mehr eingeladen; nur in Spanien ist von einem angeblichen Gastspiel mit dem Mariinsky-Orchester die Rede, offiziell ist es nicht.
Am 27. Juli freilich hätte Valery Gergiev im barock-absolutistischen Rahmen des ehemaligen Bourbonen-Königschlosses von Caserta am Pult des unbedeutenden Theaterorchesters von Salerno auftreten sollen. Eingeladen hatte der – gelinde gesagt – etwas unorthodoxe Präsident der Region Kampanien, Vincenzo de Luca. Und das unwürdige, politisch naive Spektakel wäre zudem auch noch indirekt mit EU-Mitteln finanziert worden. Nach wochenlangen Protesten, von der Navalny-Witwe Julia bis in die EU-Spitzen, wurde das Konzert jetzt abgesagt: von der Direktion des Palastes, der im Übrigen als Unesco-Welterbe für Werte steht, die Putins Drohnensteuerern völlig egal sind.
Schräg ist freilich, in bewährter Täter-Opfer-Umkehr, die offizielle Begründung. Man hätte wegen zu erwartender proukrainischer Proteste die Durchführung der Veranstaltung nicht mehr garantieren können. Keinerlei Einsicht also darüber, wie grundfalsch, leichtfertig und perfide die Einladung allein gewesen ist. Zudem wurde von den Befürwortern des Konzerts auch noch argumentiert, gegen den ebenfalls auftretenden Chefdirigenten des Orchestra del Teatro Verdi di Salerno, den Israeli Daniel Oren, würde ja wegen der Gaza-Angriffe seiner Regierung auch keine Proteste laut. Die große italienische Politik, insbesondere die gern ukrainefreundliche Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, hat sich zu der Causa auffälligerweise mit keinem Wort geäußert.
Dafür wurde natürlich von den Gergiev-Einladern wieder das abgelutschte Schlagwort von der Musik als „Brückenbauerin“ benutzt. Und dass man doch im Dialog bleiben solle. Wofür sich doch Kultur besonders gut eigene. Dafür sind allerdings andere Gremien zuständig als Putins Klassik-Stalinorgel Gergiev, vor allem während dieser die ukrainische Zivilbevölkerung verschärft mit seinen Bomben terrorisiert.
Eine andere, durch den Krieg zunächst aus dem Gleis geworfene Russinnen-Kariere gedeiht hingegen wieder. Die in Wien mit österreichischem Pass lebende Anna Netrebko, die früher gern mit der russischen Macht geklüngelt hat, singt wieder überall – außer an den Opernhäusern von New York und München. Ihr macht höchstens Starkregen einen Strich durch die Rechnung. So wie am Montagabend beim Berliner Gendarmenmarkt Open Air.
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