Die einzige staatliche Kulturfördereinrichtung der USA auf Bundesebene ist Donald Trump seit Jahren ein Dorn im Auge. Der US-Präsident droht der National Endowments for the Arts (NEA) nun wieder mit Kürzungen des Budgets. In seiner ersten Amtszeit versuchte er bereits die Behörde aufzulösen. Das ist damals nicht geglückt, aber ihren Einfluss trachtet Trump erneut zu beschränken.
Die NEA hat in der Vergangenheit auch mit darüber bestimmt, wer die USA auf der Kunstbiennale von Venedig vertritt. Der amerikanische Pavillon in den Giardini ist einer der größten nationalen Pavillons überhaupt. Einige der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler wurden dort ausgestellt, so etwa Ed Ruscha (2005), Sarah Sze (2013), Mark Bradford (2017), Simone Leigh (2022). Zurzeit ist unklar, wie darüber entschieden wird, wer für die Vereinigten Staaten in den nationalen Wettbewerb der Biennale 2026 treten wird.
Serrano machte einen Film über den Sturm aufs Kapitol
Was Donald Trump von Kunst hält, ist bekannt. Was der Künstler Andres Serrano von Trump hält, überrascht dann doch. Denn Serrano hat seinen Hut jetzt selbst in den Ring geworfen und sich für die Bespielung des amerikanischen Pavillons im kommenden Jahr beworben: mit einer Art Trump-Porträt. Der New Yorker Künstler hat in seiner langen Karriere bereits einige Tabus gebrochen und für Aufsehen gesorgt. Er hat inszenierte Fotos von Leichen veröffentlicht, von in Urin und Blut eingelegten Madonnenstatuen, von fliegendem Ejakulat.
Von Donald Trumps spektakulärer Performance ist Serrano nicht erst fasziniert, seit der zum ersten Mal Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wurde. Im Jahr 2022 veröffentlichte Serrano den Film „Insurrection“, der den Sturm von aufgewiegelten Trump-Anhängern aufs Kapitol in Washington dokumentiert. Die zweite Amtszeit dürfte ihm einiges an künstlerisch verwertbarem Material bieten.
Es ist aber auch die Kunstfigur Trump selbst, der Serrano sich obsessiv verbunden fühlt. Seit Jahren sammelt er Memorabilia, Merchandise-Produkte und Devotionalien der MAGA-Mania, von Trump signierte Dollarnoten bis zu Dekokitsch aus dessen Hotels. Mit diesem Ramsch will er im kommenden Jahr den US-Pavillon in Venedig füllen. „The Game: All Things Trump“ heißt sein Projekt. Wir haben Serrano gefragt, was er im Schilde führt.
WELT: Ihr Vorschlag für den amerikanischen Biennale-Pavillon hat einiges Aufsehen erregt. Ist das als Denkmal oder als „Mausoleum“ (wie es „The Art Newspaper“ glaubt), als Kritik oder als Provokation gedacht?
Andres Serrano: Meine Idee könnte als all das zugleich verstanden werden. Ich wusste gar nicht, dass sie für Wirbel sorgt, aber es ist schön, wenn dem so ist. Jemand nannte mein Projekt auch einen Tribut oder einen Altar – das passt vielleicht. Ich sehe es als ein Porträt von Donald Trump, gemalt mit den Pinseln seines eigenen Lebens. Es zeigt den Weg eines Mannes, der eines Tages Präsident werden sollte. Und es zeigt: Lange bevor er Präsident der Vereinigten Staaten wurde, war der Name Donald Trump bereits allen ein vertrauter Begriff.
WELT: Sie haben jahrelang Trump-Ramsch gekauft und so eine umfangreiche Sammlung seines sozusagen popkulturellen Erbes angelegt. Dokumentieren Sie Trump oder verherrlichen Sie ihn damit? Wo ziehen Sie die Grenze?
Serrano: Ich sehe diese Objekte und Produkte als kulturelle und gesellschaftliche Artefakte, die für Trumps Casinos, Hotels, Geschäfte und Projekte geschaffen wurden. Das ist ein Teil seiner Kulturgeschichte, ein Teil seiner Marke. Ich glaube nicht, dass man eine Grenze zwischen Dokumentation und Verherrlichung ziehen muss. Wenn ich etwa ein Porträt von jemandem mache, ist es mein Ziel, die Person gut aussehen zu lassen, selbst wenn es sich um ein Mitglied des Ku-Klux-Klans handelt.
WELT: Laufen Sie damit nicht Gefahr, autoritäres Auftreten zu ästhetisieren statt es künstlerisch zu hinterfragen?
Serrano: Ich lade für meine Arbeit ja niemandem zum Verhör. Es ist nicht meine Aufgabe, zu urteilen, sondern zu beobachten und zu zeigen, was ich sehe. Es ist die Sache des Publikums, wie intensiv sie das dann hinterfragen wollen.
WELT: Anders gefragt: Was erhoffen Sie sich davon, im US-Pavillon eine der umstrittensten Figuren der US-Politik zu porträtieren?
Serrano: Die amerikanische Politik war lange vor Donald Trump gespalten. Ich glaube, das Land hat sich nie wirklich vom Bürgerkrieg erholt – deshalb sprechen wir heute immer noch von „roten“ und „blauen“ Staaten. Am Vorabend des 250. Geburtstags der Vereinigten Staaten ergibt es für mich Sinn, dass der Präsident dieses Land repräsentieren sollte. Ich habe ihn nicht gefragt, aber ich glaube, er würde mir zustimmen.
WELT: Ihr Projekt ist nicht nur eine Würdigung des Präsidenten – es ist auch eine Stellungnahme zu Amerika. Wie erklären Sie sich die aktuelle Faszination der USA für Macht, Spektakel und politische Mythen?
Serrano: Ganz einfach: Der Präsident hat es so gewollt. Er liebt es, Dinge groß aufzublasen, und er hat Amerika auf der Weltbühne so sehr ins Zentrum gerückt wie nie zuvor.
WELT: Haben Sie Sorge, dass Ihr Projekt sich nicht mehr aus Trumps Gravitationsfeld befreien kann?
Serrano: Ich frage mich etwas anderes: Wird er es ablehnen oder feiern?
WELT: Das kommt wohl darauf an, ob Trump Ironie versteht, aber auch ihre Obsession mit ihm. Wie verhindern Sie, dass Sie in der heute sehr polarisierten Wahrnehmung von Kunst missverstanden werden?
Serrano: Das Obsessive und ironisch Ambivalente spielt immer eine Rolle in meiner Arbeit, aber auch das Geheimnisvolle. Meine Kunst ist gleichzeitig einfach und kompliziert. Sie ist voller Wendungen – wie ein Krimi.
WELT: Was halten Sie von aktivistischer Kunst?
Serrano: Ich möchte nicht für andere sprechen, das würde auch niemand wollen. Aber Künstler unterscheiden sich nicht so sehr von anderen Menschen. Sie haben eben ihre Standpunkte, ihre eigene Agenda. Manche denken an die Kunst, andere denken ans Geld – und einige denken einfach überhaupt nicht nach.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.