Natürlich war Barbra Streisand, wenn auch vehement angekündigt, nicht bei Jeff Bezos’ venezianischer Gruselhochzeit. Weder als Sängerin noch als Gast. Was hätte die 83-jährige Vokalgöttin und Radikaldemokratin dort auch zu suchen gehabt? Also musste sich der Mogul mit dem zweifelhaften Geschmack hinter Klostergarten- wie Arsenalmauern mit dem Sohn von Italobarde und Schwiegermutterliebling Andrea Bocelli begnügen.
Barbra beglückt währenddessen, nach ihren ziegelsteinschweren, natürlich auch selbst eingelesenen Memoiren, die Welt mit ihrem 37. Studioalbum. Das letzte ist sieben Jahre her, das aktuelle bewegt sich wieder mal in der totalen Komfortzone. Denn neben ihren legendären Duetten, mit Neil Diamond („You Don’t Bring Me Flowers“) oder aus der Discozeit mit Barry Gibb („Guilty“) und Donna Summer („No More Tears“), hat die nach wie vor stimmlich starke Seniorin jetzt ihre nunmehr zweite selbstkuratierte Sammlung vorgelegt. Vorher gab es das Compilation-Album „Duets“. Dem folgte das Original „Partners“ von 2014 und jetzt „Partners 2“; mit dem eher zu vernachlässigenden Untertitel „The Secrets of Life“.
Denn hier wird nichts aufgeklärt und verraten, besonders nicht über die unangekränkelte Bewahrung ihres legendären Streisand-Timbres. Natürlich sind die stratosphärischen Höhenflüge von früher längst passé, auch das Tempo ist hauptsächlich gemütlich, aber trotzdem ist es nicht nur dank der sofort erkennbaren Stimme mehr als nur ein Wohlfühlalbum geworden.
Denn diese Frau hat sich auch im Streamzeitalter mit 145 Millionen verkauften Platten im 70. Jahr vor dem Mikrofon ungebrochen ihre Strahlkraft bewahrt. Sie hat sich vom Musicalstar zum erst stetig kurzatmig trendigen, irgendwann überzeitlichen Popidol gewandelt. Und sie, die in dieser langen Zeit mit fast jedem ernstzunehmenden Vokalartisten wie kurz glimmenden Trällersternchen aufgetreten ist, schafft es immer noch, neue, hochberühmten Tonpartner neben sich zu holen – und eine richtig gute Songzeit zu haben.
Während der Auftakttitel, Roberta Flacks herrlich gelassen genommenes „The First Time Ever I Saw Your Face“ mit dem fünf Jahrzehnte jüngeren irischen Folkrockmusiker Hozier, nach einem fast Gustav-Mahler-haften Anfang allerschönste Oma-und-Enkel-Stimmung verbreitet, gesellen sich schnell zur Grand Dame zwei ähnlich große Altersgenossen. Zunächst der genau gleichaltrige, schon stimmbandtechnisch angegraute Paul McCartney für das von ihm komponierte, hier hell synthesizerumspülte „My Valentine“; das wiederum eine Hommage an den Rodger & Hammerstein Klassiker „My Funny Valentine“ wie auch für seine dritte Frau Nancy ist.
Ein bisschen Gänsehaut gibt es dann freilich auf Track Vier, wenn zart und zurückhaltend Raspelzecke Bob Dylan mit dem uralten, von Nat King Cole berühmt gemachten, hier mundharmonikabegleitetem „The Very Thought of You“ anhebt. Barbra und der noch ein Jahr ältere Bob schwebten, abgesehen von ihrer ähnlichen politischen Überzeugung, auf musikalisch und karrieretechnisch anderen Umlaufbahnen.
Es hat Jahrzehnte bis zu diesem gemeinsamen Augenblick gedauert. Und trotzdem ist in diesen drei Minuten und 52 Sekunden Liedzeit sofort ein uneingeschränktes Vertrauen da. Das sind zwei eben doch auf gleicher Straße unterwegs, was nicht nur durch Lyrics wie „I see your face in every flower/ Your eyes in stars above“ bestärkt wird. Man hört sich zu, umarmt sich mit Tönen. Philemon und Baucis des US-Musikentertainments scheinen für ein paar einzigartige, ganz einfache, doch gerade deshalb intensive Momente aufzuscheinen, für die jeder seinen eigenen Mythos mitbringt. Was sich auf das Schönste verblendet.
Doch Barbara Streisand mag es selbst im fortgeschritten Pensionistinnenalter immer auch abwechslungsreich und tuttifruttibunt. So gibt es zwar noch weitere Best-Ager-Cameos mit James Taylor (77) in dessen „Secret O’Life“ und Sting (73), der einmal mehr sein „Fragile“ glasperlen lässt. Aber sie hält sich nicht lange mit solchen Sentimentalitäten auf, hat auch bei jüngeren Popgrößen angeklopft. So ist bei den elf Nummern neben – dem eher schwachen – Sam Smith die 26-jährige Isländerin Laufey dabei, mit der die Streisand in deren „Letter to My 13 Year Old Self“ kokettiert (womöglich als Pendant zu eigenen „Yentl“-Hit „Papa, Can You Hear Me?“).
Zum dritten Mal tanzt die Barbra-Stimme mit dem immer noch juvenil klingenden Josh Groban, gitarriges Country-Feeling gibt es mit Tim McGraw. Und hymnisch soulig schließt es mit Seal und „Love Will Survive“. Doch schon davor wird es groß und pathetisch: Wenn sich im langsam aufsteigenden und ermächtigenden „One Heart, One Voice“ die helle Ariana Grande und die erdige Mariah Carey von der durchscheinend intensiven Barbra Streisand unterscheiden und schließlich doch zu einem vokaleigenwilligen Powertrio verschmelzen. Hier klingen Gegenwart und Überzeitlichkeit als weltlich entspannte, wettbewerbsfreie Klangtrinität harmonisch zusammen.
Weit war also die Duett-Strecke der Streisand von „Get Happy/Happy Days Are Here Again“ mit Judy Garland aus dem Jahr 1963 bis heute. Geheimnis des Sängerinnen-Lebens eben.
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