Als Kaari Upson 2021 mit 51 Jahren an Krebs starb, hinterließ sie ein Werk von verstörender Verführungskraft. Ihre Abformungen von versifften Sesseln, Matratzen und leeren Pepsidosen sitzen auf Wänden, dem Boden und in Ecken, sind getaucht in knallige Farbverläufe oder schmuddelige Unfarben. Fleischig-dunkelbunte Wiedergänger von Baumstämmen, deren Beulen wie Knie hervortreten, baumeln als morbider Wald von der Decke. Sieht aus wie gestaltgewordene Psychose.
In einem Nachbau von Hugh Hefners höhlenartigem Swimmingpool laufen Videos, in denen die Künstlerin Silikonprothesen riesiger Brüste trägt und Telefonsex spielt. Es ist eine häusliche Welt voller Dystopie und Galgenhumor, mit der Upson gegen die Zeit anarbeitet. Ihre erste posthume Retrospektive ist nun im Louisiana Museum im dänischen Humlebæk zu sehen, und auch die Galerie Sprüth Magers, die ihren Nachlass vertritt, zeigt in London eine Werkauswahl dieses unheimlichen, von Körpern und Klischees, Verlust und Tod erzählenden Werks.
Geboren wurde Kaari Upson 1970 in San Bernardino, einem Stadtteil von Los Angeles mit einer der höchsten Kriminalitätsraten der USA und schon damals wütenden Waldbränden. Ihre Mutter vergötterte Amerika, ertränkte ihre ostdeutsche Herkunft bis zur Selbstaufgabe in Pepsi und erkrankte tödlich an Krebs. Ihr Vater sehnte sich in Cowboyhemden in den Wilden Westen zurück. Obsessionen und Erinnerungen, Psychoanalyse und Verfall wurden zu Upsons zentralen Themen, als sie am CalArts Malerei studierte.
Hier begann sie ein Werk, das sie zehn Jahre lang begleiten sollte: „The Larry Project“ basiert auf dem imaginierten Leben eines Mannes, den sie nie traf, der aber im Nachbarhaus ihrer Eltern im San Fernando Valley wohnte. Irgendwann wurde er verhaftet, und es gab einen Waldbrand, woraufhin das Haus zugänglich war. Upson ging hinein und stieß dort auf unzählige Fotos und Notizen; überall lagen Matratzen und merkwürdige Gegenstände herum, die die Obsession des Nachbarn mit Hugh Hefner und dessen „Playboy Mansion“ verrieten.
Angst spricht aus Upsons unerbittlichem Werk
Dieser Fund wurde Upsons Ausgangspunkt für eine ausufernde, fiktive Erzählung, mit der sie „Larrys“ Leben rekonstruierte und ihn zum Stellvertreter all dessen machte, woran sich Fantasien von Sex, Männlichkeit und Reichtum, aber auch vom Verschwinden manifestierten. In Installationen, Malerei, Performances und Videos schlüpfte Upson in Larrys Rolle und baute seine Welt nach – bis hin zu einer Eins-zu-eins-Replik seines Hauses aus dickem, buttrig-gelbem Latex, was aussah wie schlaffe Haut. Man spürte: Das Ende des amerikanischen Traums ist nah – und es beginnt in der einstigen Traumfabrik Los Angeles, die aus Müll, Bränden und Obdachlosigkeit nur noch Traumata hervorwürgt.
Upson ist damit das Erbe der Los-Angeles-Ikonen Paul McCarthy, Mike Kelley und Ed Kienholz angetreten, indem sie eigene und kollektive Alpträume mit einem Humor vermischt hat, der die Angst, die aus ihrem unerbittlichen Werk spricht, kaum mehr erträglich macht. Sichtbar wird das besonders an ihrer gigantischen Puppenhaus-Installation aus Sperrholz, Requisiten und 3D-Filmanimation, in der sie selbst auftaucht. Die Arbeit ist ein unverkennbares Zitat der berühmten Gemeinschaftsarbeit von Paul McCarthy und Mike Kelley aus dem Jahr 1992, die Johanna Spyris Roman „Heidi“ in eine inzestuöse Hölle aus Installation, Performance und Video verwandelte.
Zugleich basiert Upsons Arbeit auf dem Puppenhaus, das ihre Mutter für sie als Kind gebaut hat – so wie die Mutter immer wieder in ihrer Arbeit auftaucht: als Metapher für den kaputten amerikanischen Traum, für Zärtlichkeit und Sehnsucht, Krankheit und Tod. „Mother’s Legs“ heißt auch die waldartige Installation aus Polyurethanformen, die wie abgetrennte Gliedmaßen von der Decke hängen. Gegossen aus termitenzerfressenem Holz von einem Baum vor Upsons Kindheitshaus, stammen die hervorstehenden Knieformen teils von der Künstlerin selbst, teils von ihrer Mutter: Der Wald wird zu einem traumartigen Geistertreffen, zart und unheimlich zugleich.
Upsons Vater taucht dagegen nur ein einziges Mal in ihrem Werk auf – womöglich als letzte Arbeit vor ihrem Tod. Im Louisiana Museum liegt eine bunt bemalte Figur in Jeans und kariertem Cowboyhemd mit dem Gesicht nach unten; Hände und Füße sind abgetrennt, fünf ketchuprote Plastikflaschen stecken wie Messer in ihrem Rücken. Der Vater als gekillter amerikanischer Alptraum, erstickt an seinem eigenen Saft.
Keine andere Künstlerin ihrer Generation hat es geschafft, diese Metaphorik, an der sich von David Lynch bis Ryan Trecartin unzählige Künstler in Los Angeles abgearbeitet haben, in eine Bildsprache zu verwandeln, die weitaus intimer und verletzlicher ist als die ihrer Vorgänger – und die dennoch auf so virtuose Weise daran anknüpft, dass man wie gebannt auf dieses Werk blickt, von dem man sich gewünscht hätte, dass es noch lange nicht an sein Ende gekommen ist.
„Kaari Upson. The Dollhouse“, bis 26. Oktober 2025, Louisiana Museum, Humlebæk; „Kaari Upson. House to Body Shift“, 17. September bis 1. November 2025, Sprüth Magers, London
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