Entschuldige, das ist mein erster Ruhestand, ich übe noch.“ Allein schon für diesen Filmsatz muss man Loriot lieben. Als „Pappa ante portas“ 1991 in den Kinos lief und der erfolgreichste deutsche Film des Jahres wurde, waren die Babyboomer noch drei Jahrzehnte von der Rente entfernt. Es kamen noch keine Vorschläge im Wochentakt, wie das alles finanziert, erhalten, gelebt werden soll, „Rentner-Soli“ hin, soziales Pflichtjahr her. Im Loriot-Film blieb Rente finanziell sorglos und ein rein privates Sinn-Drama.
Erster Akt. Du wirst nicht mehr gebraucht. Zweiter Akt: Du lebst deine berufliche Rolle im Privaten weiter. Dritter Akt: Du treibst deine Frau in den Wahnsinn. Vierter Akt: Du siehst die fehlenden Alternativen. Fünfter Akt: Mit 80 wird es richtig schlimm.
Heinrich Lohse (Loriot) hat als beamtenhaft-schrulliger Einkaufsdirektor bei der Deutschen Röhren AG einen Bock geschossen. Er hat Schreibmaschinenpapier für 40 Jahre geordert, das Büro zum Lager degradiert – und wird zum Generaldirektor zitiert (die Filmszene wurde in der Bibliothek des Axel-Springer-Verlags gedreht). Der so: „Sie sollten mehr Zeit für sich haben“. Woraufhin Lohse in den Vorruhestand tritt – und seine Gattin Renate (Evelyn Hamann) zu Hause überrascht: „Mein Gott, hast du mich erschreckt. – Ich wohne hier. – Aber doch nicht um diese Zeit.“
Noch zu Hause Einkaufsdirektor
Damit geht das Drama los. Lohse will sich nützlich machen, seiner Frau wenigstens die Besorgungen abnehmen. Die Folge ist Senf, palettenweise, 150 Gläser. It’s the Mengenrabatt, stupid! Als Lohses einmal essen gehen, sagt sie zu ihm: „Es wäre ganz fabelhaft gewesen, wenn der Herr Direktor Lohse seinen Direktor in der Firma gelassen hätte und nur noch Herr Lohse bei uns zu Hause säße.“
Loriots Lebensweisheiten gemäß Humor anno 1991: Männer sind im Haushalt nicht zu gebrauchen. Noch nicht mal als Vater. Mit dem halbstarken Sohn, der wechselnde Freundinnen nach Hause bringt, versucht Lohse nur zu kommunizieren. Was dann? Die Gattin mit ihrem „Kulturkreis“ zur Lesung eines alternden Dichters begleiten, natürlich auch gespielt von Loriot. Die einschlägige Filmszene hat als „Krawehl, Krawehl!“ Literaturbetriebsparodiegeschichte geschrieben.
Ganz am Ende des Films geht’s ans Meer, wo der 80. Geburtstag der Schwiegermutter gefeiert wird. Die ist ein Ausbund an Kratzbürstigkeit, während sie die Hölle aka heuchelnde Familie erträgt. Nur das Ehepaar Lohse kommt sich in der Ruhestandsphilosophie plötzlich wieder näher. „Es muss doch für solche Fälle irgendwas vorgesehen sein. Faustregeln oder so.“
Nein. Kreuzfahrten kamen später. Funktionskleidung auch. Dafür hatte der Humor in Deutschland noch das große Latinum. Auf die Idee, ein seit den Römern geflügeltes Wort für drohendes Unheil („Hannibal ante portas“) auf die private Situation zu übertragen, käme heute keiner mehr, und überhaupt: „Pappa“ mit kolloquialen zwei P, denn sonst wäre es auf Lateinisch ja der Papst.
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