„Don’t judge a book by its cover / Beurteile ein Buch nicht nach seinem Umschlag“ – zumindest für Asterix-Comic-Bücher hat dieser legendäre Satz aus einem Roman der englischen Schriftstellerin Mary Anne Evans, die unter dem Pseudonym George Eliot schrieb, noch nie gegolten. Denn wann immer die Titel-Illustration eines neuen Abenteuers der unbeugsamen Gallier veröffentlicht wird, analysieren sie Legionen von Fans, Kritikern und sonstigen Koryphäen akribisch daraufhin, welche Rückschlüsse sich daraus auf den bislang noch unbekannten Plot ziehen lassen.

WELT zeigt nun exklusiv das Cover des neuen, am 23. Oktober erscheinenden neuen Bandes „Asterix in Lusitanien“ – bevor es am Montag, 15. September, um neun Uhr offiziell publik gemacht wird. Es ist zugleich ein Amuse-Gueule auf eine Asterix-Sonderausgabe der WELT AM SONNTAG, die am Wochenende vom 18./19. Oktober herauskommt. Die opulente Hommage an die knollennasigen Comic-Helden aus der Bretagne entsteht in Kooperation mit den Verlagen Hachette Livre in Paris, wo die Alben im französischen Original erscheinen, sowie Egmont Ehapa Media, der die deutschsprachige Übersetzung herausbringt.

In Zeiten der galoppierenden Digitalisierung aller Lebensbereiche wirken die dank ihres Zaubertranks übermächtigen Gallier wie die letzten ihrer Art: Mit ihren nach wie vor auf Papier gedruckten Geschichten sind sie – allen „digital only“- Trends zum Trotz – erfolgreicher denn je. Weltweit haben sich ihre Bildergeschichten mehr als 400 Millionen Mal verkauft, ein Drittel davon wurde allein in Deutschland abgesetzt. Das neue Album hat eine Startauflage von fünf Millionen und wird in 19 Sprachen übersetzt. Und um diese Print-Produkte herum dehnt sich die Saga seit Jahren beständig aus, zu der mittlerweile zehn Zeichentrickfilme, fünf Kino-Abenteuer mit realen Schauspielern sowie seit Neuestem eine Animationsserie auf Netflix gehören. Von dem Themenpark in Paris, zig Merchandising-Produkten und Spin-Off-Comics gar nicht zu reden.

Aber das sind nur nüchterne Erfolgsstatistiken, die nicht die Strahlkraft eines neu veröffentlichten Asterix-Covers erklären können. Machen wir also genau das, was eine Romanfigur von Mary Anne Evans so sehr verabscheute: Beurteilen wir den neuen Asterix-Band danach, was uns sein Umschlag schon jetzt offenbart. Denn der Inhalt der Geschichte ist noch immer geheim. Das Cover zeigt uns jetzt nicht nur deutlich, wohin die Reise geht – nämlich nach Lusitanien, jene antike römische Provinz, die ungefähr das heutige Portugal sowie Teile des westlichen Spaniens umfasste. Wir sehen darüber hinaus Asterix und Obelix mit dem Hund Idefix auf der Hand eine pittoreske Gasse hinaufschlendern, die an die labyrinthische Altstadt von Lissabon erinnert – oder an Olisipo, wie die Stadt in der damals römischen Provinz Lusitania hieß. „Ich hatte Lust auf ein Album mit viel Licht und Sonne, mit mediterranem Klima und ein bisschen Urlaubsstimmung. So kam ich schnell auf Lusitanien, also das heutige Portugal“, sagt der französische Comic-Autor und Romancier Fabrice Caro, genannt Fabcaro, der seit 2023 die Texte der Alben schreibt, „das Cover sollte wie eine Postkarte wirken, bei dem man quasi die Sonne spüren und das Meer riechen kann. Ein paar kleine Hinweise auf den Plot gibt es aber schon.“

Ein Suchbild mit versteckten Andeutungen. Im Hintergrund sieht man das Meer, am Horizont eine große Galeere, von der ein Mast abgeknickt zu sein scheint. Obelix lächelt glückselig wie ein Tourist an seinem Urlaubstag, Asterix dagegen blickt fragend, leicht irritiert. Auf dem Balkon hinter ihnen sehen wir eine Frau, die Fische zum Trocknen aufhängt. Eine Verneigung für die Vorliebe der Portugiesen für den Bacalhau, den getrockneten Kabeljau, aber auch für die Sardine, die als Wahrzeichen Lissabons gilt. Dass von den Fischen Wasser tropft, deutet darauf hin, dass sie noch frisch sind – was ja in der Welt von Asterix keine Selbstverständlichkeit ist. All die Fische, die am Stand von Verleihnix und seiner Frau Jellowsubmarine im gallischen Dorf ausliegen, werden jedenfalls meistens von Fliegen umschwärmt. Das kommt davon, wenn man sie aus Lutetia (Paris) eigens importieren lässt, statt sie im Meer vor der Haustür frisch zu fangen.

Verstörend ist auf dieser Postkarten-Idylle vor allem jene zwielichtige Gestalt, die links hinter einer Säule hervorlugt: zusammengebissene Zähne, bohrender Blick, lauernd. Man sieht das und denkt sofort an die vielen grandiosen Schurken und Intriganten aus früheren Geschichten. An Greulix, den Hering artigen Widerling aus „Der große Graben“, an Pyradonis, den heimtückischen Architekten aus „Asterix und Kleopatra“ oder an Tullius Destructivus, den Meister des Zwietrachtsäens aus „Streit um Asterix“. Aber welche Rolle genau diese dubiose Gestalt in dem Plot spielt, dürfen die Macher nicht preisgeben. Nur so viel: „Ein ehemaliger lusitanischer Sklave, den wir bereits aus ,Die Trabantenstadt‘ kennen, bittet die Gallier um Hilfe. Mehr kann ich nicht verraten“, sagt Fabcaro.

In den Asterix-Geschichten ist dies ein bekannter Topos: Immer wieder eilen die Gallier mit ihrem Zaubertrank den von Römern Unterdrückten in anderen Ländern zu Hilfe – sozusagen als antike Vorläufer der Avengers-Superhelden.

Zwischen Galliern und Lusitanern gibt es in der Tat mehrere Parallelen, wie das Manuel Neves, Dozent an der EHESS, der Elite-Hochschule für fortgeschrittene Studien in den Sozialwissenschaften, zusammengefasst hat: „Julius Cäsar unterwarf die Lusitaner im Jahr 60 vor Christus, zehn Jahre später fiel auch Gallien unter seine Herrschaft“, sagt Neves, „beide Völker hatten einen gemeinsamen Feind, die Römer. Die Geschicke beider Völker wurden durch einen charismatischen Anführer geprägt: So wie Vercingetorix für die Gallier kämpfte, führte Viriathus die Lusitaner in einem acht Jahre dauernden Unabhängigkeitskrieg an. Nur durch Verrat gelang es dem Römischen Reich, diesen brillanten Strategen zu besiegen: Er wurde im Schlaf ermordet.“

Ein paar historisch-antike Eckpfeiler sind also bekannt. Und, soviel dürfte schon jetzt klar sein: In dem neuen Album kommen ganz sicher wieder Römer, Zaubertrank und Prügeleien vor.

Und noch bevor der Comic am 23. Oktober herauskommt, erscheint am Wochenende vom 18./19. Oktober die Asterix-Sonderausgabe der WELT AM SONNTAG. Darin zeigen wir nicht nur, wie dieser kleine Unbeugsame wurde, wer er ist, sich über die Jahrzehnte immer weiterentwickelte und letztlich doch immer er selbst geblieben ist. Asterix reist auch in die WELT, macht die Zeitung zum Schauplatz einer – für ihn, wie auch für die Redaktion – ganz anderen Entdeckungsfahrt. Wir zeigen exklusive, bisher nicht veröffentlichte Bilder und Skizzen aus dem Leben der Comic-Gallier und viele, viele andere aus den 41 Alben, die in den vergangenen 65 Jahren entstanden sind. Wir sprechen mit Anne Goscinny und Sylvie Uderzo, den Töchtern der verstorbenen Asterix-Schöpfer René Goscinny und Albert Uderzo, die 1959 das erste Album veröffentlichten. Ihre Töchter wachen heute über die Comic-Reihe, einen Themen-Park, Kinofilme und Netflix-Serien. Wir sprechen exklusiv sowohl mit Zeichner Didier Conrad, der 2013 von Uderzo als Nachfolger eingesetzt wurde und mit „Asterix in Lusitanien“ bereits sein siebtes Album verfasst hat – und auch mit Fabcaro, der vor zwei Jahren als Texter Jean Yves Ferri ablöste.

Des Weiteren bietet die Sonderausgabe große Porträts von René Goscinny wie auch von Albert Uderzo, der die WELT AM SONNTAG über die Jahre hinweg zu vielen langen Gesprächen in sein Arbeitszimmer in Paris eingeladen hatte. Wir beleuchten auch die weniger bekannten Stationen seines bewegten Lebens, beispielsweise wie er die Nazi-Besatzung Frankreichs erlebte und viele Jahre später mit dem ihm eigenen Humor die deutsch-französische Freundschaft mit beförderte und in der Folge zu einem Liebhaber Deutschlands wurde. Ein großer Humanist, genialer Zeichner und, ja auch das, ein großer Poet. „Wenn ich träume“, sagte Uderzo uns mal, „sehe ich etwas, das ich eigentlich gar nicht kenne – ich sehe Farben, viele Farben. Vielleicht sollte ich besser sagen: Ich glaube, Farben zu sehen, denn ganz sicher kann ich nicht sein – denn ich bin farbenblind.“

Dass er keine Farben erkennen konnte, sei aber nie ein Handicap gewesen, fügte er hinzu: „Ich habe bereits als Kind gezeichnet. Als ich die Pferde immer grün und die Bäume rot malte, fiel den anderen auf, dass da etwas nicht stimmte. Ich habe mir dann einfach gemerkt, dass Pferde eben nicht grün sind und die Stifte entsprechend markiert.“

Trotz des Krieges erinnerte er sich an seine Kindheit als die schönste Zeit seines Lebens. Armut und Angst hätten ihn nie vom Träumen abhalten können. „Damals war ich in meinen Träumen immer ein Clown mit einer dicken roten Nase, der das Publikum zum Lachen bringt“, sagte er uns, „als Junge hatte ich mich in ein Zirkusplakat verliebt, es war riesig und zeigte mehrere Clowns. Einer hieß genauso wie ich: Albert. Er hatte die grellste Markierung und die größte Nase. Ich wollte sein wie er. Dieser Albert muss mich später unbewusst zu den Knollennasen meiner Gallier inspiriert haben. So sind Asterix und Obelix an meiner Stelle Clowns geworden.“

Noch mehr überraschende Geschichten über die Asterix-Erfinder Uderzo und Goscinny und all die Figuren und Welten, die sie erschaffen haben, lesen Sie am 18./19. Oktober in der großen Sonderausgabe der WELT AM SONNTAG. Fortsetzung folgt.

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