In Suburbia ist die Hölle los: cholerische Väter, duldsame Mütter, Hobby-Reichsbürger und ein Killer-Pärchen. Dass "Mike & Nisha" so lange davonkommen, verdanken sie auch der latenten Schläfrigkeit des Ludwigshafener Reviers.

Was passiert?

Zunächst mal nicht so viel: Am Schauplatz des Geschehens ist Ruhestand die erste Bürgerpflicht. In den schummrig ausgeleuchteten Bungalows der Ludwigshafener Vorstadt kann man kaum zwischen Mobiliar und Bewohnern unterschieden, in der Welt aus Jägerzaun und Rosenbeet herrscht finale Kontemplation. Gerlinde (Anna Stieblich) trinkt sich die Pflege ihrer semi-siechen Mutter mit dem einigen Likörchen schön. Erwin (Wolf Bachofner) führt gern Listen und Schäferhund Fritz aus. Nur bei Gustav (Bruno Cathomas) und Emilia (Judith Hofmann) ist noch ein bisschen was los. Der gemeinsame Urlaub im Wohnmobil steht unmittelbar bevor, zudem haben sich Sohn Mike (Jeremias Meyer) und seine Freundin Nisha (Amina Merai) zum Essen angekündigt.

Die beiden bringen ein Kätzchen als Gastgeschenk mit und haben außerdem große Neuigkeiten zu verkünden. So richtig gut kommen diese News bei den Eltern jedoch nicht an, im Gegenteil. Der Nachtisch ist noch nicht serviert, da rafft es die beiden dahin - und das junge Pärchen hat fortan nicht nur seine Hochzeit, sondern auch zwei Leichen zu verpacken. Für Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) erschließt sich das alles nur sehr zögerlich, entsprechend verhalten, um nicht zu sagen, tiefenentspannt, gehen sie die Arbeit an.

Worum geht's wirklich?

Schaut man auf den Titel, dann natürlich um "Mike & Nisha", er ein juveniler Hotelportier, sie eine Krankenschwester mit Kulleraugen und karitativen Ambitionen. Dazu natürlich um die sedierte Atmosphäre im vorstädtischen Grün. Abgeschmeckt wird das Setting mit einigen Prisen Verschwörungstheorie, dem zeitlos morbiden Flair des einst als "Gelsenkirchener Barock" in die bundesdeutsche Geschichte eingegangene Einrichtungsstils - Glasbausteine, knuffige Sofas, Sitzkissen, Schrankwände und Platzdeckchen. In diese Welt knallen Mike und Nisha wie ein menschlicher Molotow-Cocktail. Woher die beiden die spontane Bereitschaft zur Bluttat nehmen, die Lust am gemeinsamen Untergang, ist lange Zeit nicht klar - vielleicht sollte man sich allzu Logik-basierte Fragen nach den Gründen für eine der nächsten "Tatort"-Folgen aufsparen.

Wegzapp-Moment?

Die Dreiviertel-Hosen von Vater Gustav sind allein schon ein Grund abzuschalten, verfeinert mit Socken und Sandalen, ist das kaum mitanzusehen. Dass es ihn zügig aus eben jenen Schühchen haut, macht die Sache auch nicht besser. Gleichzeitig ist Optik als solches hier natürlich ein entscheidender Protagonist, daher gilt es, einen Fashion-Fauxpas wie diesen zu tolerieren, dann steht man auch Erwins speckigen T-Shirt-&-Weste-Look durch.

Wow-Faktor?

Annette Lobers Drehbuch hat Regisseur Didi Danquart ausgesprochen "laid back" inszeniert, von Kamerafrau Cornelia Janssen in wunderbar stimmige Bilder getunkt. Das Tempo ist verhalten, die Kommissarinnen erweisen sich lange Zeit als praktisch obsolet für das Geschehen. Genau genommen hätte Lena Odenthal den gesamten Fall auf der Reviercouch verschlafen können, ohne dass es aufgefallen wäre. Dann aber hätte sie eine der ungewöhnlicheren Geschichten aus Ludwigshafen verpasst. Eine, die sich vielleicht nicht allzu sehr um nachvollziehbare Wendungen schert, dessen diffuse Spannung sich jedoch bis zum Schluss als ausgesprochen anziehend erweist. Noch ein Wow: der Synthie-Soundtrack im Stile des jungen Jean-Michel Jarres.

Wie war's?

8 von 10 Punkten - auf krude Weise over the top und gerade dadurch kurzweilig bis zur letzten Einstellung.

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