Der renommierte, auch an der Oper Zürich als Musikdirektor verpflichtete italienische Dirigent Gianandrea Noseda hat kürzlich seinen Vertrag als Chef des National Symphony Orchestra (NSO) in Washington verlängert. Da konnte er noch nicht wissen, dass man sich inzwischen als Taktschläger bei diesem wohl angesehenen Orchester auch einkaufen kann, für einige tausend Dollar.
Möglich gemacht hat das Richard Grenell, auch bekannt als amerikanischer Botschafter in Deutschland während Donald Trumps erster Amtszeit. Eigentlich wäre der MAGA-Loyale gerne in die große Politik eingestiegen. Trump aber ernannte ihn schon kurz nach Beginn seiner zweiten Regierungsperiode zum Chef des Kennedy Centers, des großen Kulturzentrums der Hauptstadt, das er inzwischen weitgehend auf seine Linie gebracht hat. Dessen Unterhalt wird zwar vom Staat finanziert, doch sein Programm muss sich, wie überall in den USA, durch eine Mischung aus Spenden, Sponsoring und Karteneinnahmen tragen. Dafür stehen 268 Millionen Dollar als Budget zur Verfügung.
Grenell hat nun verkündet, dass – was in den USA sonst nur bei den Saisoneröffnungskonzerten üblich war – nunmehr jedes Konzert des National Symphony (NSO) mit der Nationalhymne zu beginnen habe. Und für deren Dirigat können sich auch Sponsoren gegen einen gehobenen Obolus einkaufen. Ganz so wie auch bei der Münchner Wiesn betrunkene Gutbetuchte für Geld die Blaskapelle den Ententanz spielen lassen und dazu mitwedeln können.
Man könnte das als Triumphgeste eines patriotischen Parvenüs abtun, genauso wie den republikanischen Antrag, das Opernhaus des Centers nach der nicht eben für ihre Musiktheaterliebe bekannten Präsidentengattin in „Melania Trump Opera“ umzutaufen. Aber es kommt noch schlimmer, wie Recherchen der „Washington Post“ und der „New York Times“ nahelegen. Gegenwärtig findet im Kennedy Center auf Trumps Anordnung die Auslosung der Fußballweltmeisterschaft 2026 statt, drei Wochen lang, während des Weihnachtsgeschäfts.
Dafür mussten nicht nur kurzfristig Dutzende Veranstaltungen verschoben oder abgesagt werden, darunter auch ein Konzert des NSO wie ein Liederabend der Sopranistin Camilla Nylund. Die Fifa, die als Fußballweltverband zur WM in Amerika einen neuen Peace Price auslobt, der womöglich Donald Trump schmücken könnte, muss noch nicht einmal Miete für ihr Event zahlen, so die Recherchen; das allein seien fünf Millionen Dollar Einnahmen, die dem Center entgehen.
Immer öfter hat man im repräsentativ am Potomac gelegenen Kennedy Center, das mit Porträts von Trump und seinem Gefolge ausstaffiert wurde, kulturferne Wirtschaftsforen und Netzwerk-Events abgehalten, so auch einen arabischen Investorengipfel während des Staatsbesuches des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Weitere befreundete Politorganisationen bekämen, den Recherchen zufolge, Räume zu großzügigen Mietnachlässen.
Seit Trump als Chairman of the Board hier das Sagen, Aufsichtsrat und Verwaltung in weiten Teilen ausgetauscht und auf seinen Kurs gebracht hat, brechen Besucherzahlen und Spendeneinkommen ein. 40 Prozent Rücklauf, hätte man, beklagt sich Francesca Zambello als Intendantin der Oper, wie das NSO eine unabhängige Organisation, die ihre Räume anmietet. Sie denke schon laut über einen Opernauszug nach. Auch das Stuttgarter Ballett tanzte hier kürzlich vor leeren Reihen.
Jetzt hat der demokratische Senator Sheldon Whitehouse den neuen Chef des Centers, Richard Grenell, der Bereicherung bezichtigt und Seilschaften Grenells angeklagt, die sich am Budget des Kennedy Centers schadlos halten sollen. Zu den entgangenen Einnahmen kämen Hunderttausende Dollar für Champagnerempfänge, Geschäftsessen, Luxushotelübernachtungen und Gehälter für Parteigenossen, die auf die freigewordenen Posten geschoben worden seien. Grenell soll 2025 allein in einer Sommerwoche 11.000 Dollar für Dinners ausgegeben haben, was er als „übliche Geschäftsaufwendungen“ bezeichnet.
Whitehouse will wegen der Millionenverluste einen Untersuchungsausschuss einsetzen lassen: „Diese Maßnahmen verraten den vom Kongress festgelegten Zweck und lassen das Zentrum zu einem Sumpf aus Vetternwirtschaft und Selbstbereicherung werden.“
In der Vergangenheit wurde das 1971 eröffnete Kennedy Center von einem überparteilichen Vorstand geleitet. Trump verdrängte die von den Demokraten ernannten Treuhänder. Unter Grenells Leitung hat sich das Zentrum mehr und mehr zu einem Veranstaltungsort entwickelt, der den Freunden und Anhängern des Präsidenten dient und von seinen Verbündeten betrieben wird. Alle politisch unliebsamen Programme zu Themen wie Gleichstellung und Diversität, sind verschwunden. Festivitäten zu Weihnachten soll das Christliche besonders betonen.
Als nächste Plattform wird Trump am 7. Dezember 2025 erstmals die „Kennedy Center Honors“-Preisverleihung, eine der wichtigsten Kulturauszeichnungen der USA, beehren – und moderieren. Klar, dass die Preisträger 2025 auch ganz nach seinem Geschmack ausgesucht wurden: der stramm rechte Country-Sänger George Strait, Rambo-Schauspielveteran Sylvester Stallone, die Altherren-Rockgruppe Kiss, Ex-Disco-Queen Gloria Gaynor und der 83-jährige Musical-Sänger Michael Crawford, der in der Premiere des „Phantom of the Opera“, einem von Trumps Lieblingssingspielen, die Titelrolle spielte.
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