Berühmt wurde er durch eine Tragödie, die neun Menschenleben kostete. P. Diddy, damals noch bürgerlich als Sean Combs unterwegs, organisierte 1991 ein Allstar-Basketballspiel auf einem Campus in Harlem. Großer Andrang vor und in der Turnhalle. Diddy hatte im Vorfeld – das kann er wirklich gut – ordentlich die Werbetrommel gerührt und einen Hype erzeugt, den er nicht mehr einfangen konnte. Zu viele Zuschauer drängten in die Halle. Ein tragfähiges Sicherheitskonzept fehlte. In einem engen Gang brach eine Massenpanik aus, neun junge Menschen wurden totgetrampelt.

Diddy, damals gerade 22 Jahre alt, musste sich plötzlich vor einem Millionenpublikum rechtfertigen. Als ihn auch seine Mutter zur Rede stellte, soll Diddy zum ersten Mal das getan haben, was er später noch öfter tun sollte: Er schlug zu. „Bitch“ soll er seine Mutter auch genannt haben – so schildert es jedenfalls sein Jugendfreund und ehemaliger Geschäftspartner Kirk Burrowes in der Netflix-Dokumentation „Sean Combs: The Reckoning“. Diddy streitet das nach wie vor ab. Wie eigentlich alles, was ihm vorgeworfen wird.

Und trotzdem sitzt er im Gefängnis. Anfang Oktober 2025 war Sean Combs zu knapp vier Jahren Haft verurteilt worden, weil er Frauen und männliche Sexarbeiter für sexuelle Darbietungen über die Grenzen von Bundesstaaten einfliegen ließ. Die Staatsanwaltschaft hatte jedoch elf Jahre Haft gefordert und Klage wegen noch abscheulicherer Vergehen erhoben: Sexhandel, Verschwörung zur organisierten Kriminalität und körperliche Gewalt.

Tatsächlich belegen Videoaufzeichnungen, wie Diddy seine damalige Lebensgefährtin im Hotel brutal attackiert. Die Jury befand aber, dass sie sich einfach aus der toxischen Beziehung hätte lösen können, aber trotz der Übergriffe immer bei ihm blieb, weil sie den luxuriösen Lebensstil nicht aufgeben wollte. Moralisch war Diddy da längst bankrott.

Der Rapper 50 Cent hat nun die mehrteilige Dokumentation veröffentlicht, die keinen Zweifel daran lassen soll, welches Monster Diddy ist. In viermal 50 Minuten Stream kommen allerhand Weggefährten zu Wort, die ihre eigene Horrorgeschichte mit Diddy schildern. Da sind natürlich die Ex-Partnerinnen, die Sängerinnen auch, die er in seinem Rap-Imperium unter Vertrag nahm. Oft vermischte sich das – ein Klassiker des Machtmissbrauchs. Mitarbeiterinnen soll Diddy per Mail sexuelle Angebote gemacht und Dickpics gleich mitgeschickt haben.

Den größten Redeanteil in der Dokumentation nimmt jedoch Kirk Burrowes ein, der auch so einige Horrorgeschichten anzubieten hat. Einmal habe ihn Diddy per Buzzer ins Büro zitiert – einfach nur, um zu zeigen, dass er gerade oral befriedigt wird. Die meisten Anteile seines Labels „Bad Boy Records“ übertrug Diddy laut Burrowes seiner Mutter, damit er den Opferangehörigen des verhängnisvollen Basketballspiels kein Geld zahlen muss. „Da merkte ich, wie er sich verändert hatte. Er wurde zu dem, was er heute ist“, sagt Kirk Burrowes in „The Reckoning“.

Trotz der vielen Unappetitlichkeiten wurde er Patenonkel von Diddys Kind – und schützte ihn lange. Burrowes rechnet in der Doku schonungslos mit sich selbst ab: „Ich war selbst Teil seiner Sekte.“ Sein Umdenken habe erst eingesetzt, als er selbst von Diddy über den Tisch gezogen wurde. Der habe ihm – so schildert es Burrowes – eines Tages einen Baseballschläger vor die Nase gehalten und alle Anteile von „Bad Boy Records“ gefordert, um einen großen Deal abschließen zu können. Diddy soll versprochen haben, die Anteile zurückzugeben. Was nie passierte. „Seitdem bin ich ausgelöscht“, sagt Burrowes und das erklärt auch seine furiose Wut, die sich wie ein Brand über die ganze Doku legt.

Es gibt so viele schlimme Dinge, die „The Reckoning“ aufwärmt. Einmal ließ Diddy seine Nachwuchskünstlerinnen von Manhattan nach Brooklyn und zurücklaufen, um für ihn einen Cheesecake zu holen. Vorher drohte er schreiend: „Wenn mein Cheesecake zu weich oder zerbröselt ist, lauft ihr noch mal.“ Eigentlich hat man schon nach einer Folge kapiert, was für ein unangenehmer Typ Diddy ist. Bei der zigsten Story hört man schon gar nicht mehr richtig hin, weil sie sich alle in ihrer Mischung aus Manipulation und Demütigung sehr ähneln. Aber es scheint, als wollte 50 Cent sichergehen und dem Zuschauer kein Detail ersparen.

Interessanter werden im Laufe der Dokumentation andere Dinge. Man erfährt etwas über den Streit der rivalisierenden Rap-Gangs der amerikanischen West- und Ostküste. Ihre prominentesten Vertreter Tupac Shakur und Notorious B.I.G. sollen sich eigentlich grün gewesen sein, aber ihre Labelchefs nicht. Diddy habe seinen Künstler Notorious B.I.G. immer wieder angestachelt, eine Feindschaft zu Tupac zu empfinden, weil er eifersüchtig auf deren Freundschaft gewesen sei. Die Doku lässt sich auf die immer wiederkehrende Spekulation ein, Diddy sei am kaltblütigen Mord an Tupac beteiligt gewesen.

Und was ist eigentlich mit der Musik? Diddy wird als völlig untalentierter Musiker gezeichnet. „Wie war er als Rapper?“, fragt eine Stimme im Off. „Scheiße!“, antwortet Mark Curry, ebenfalls Rapper, forsch und äfft Diddys verhunzten Flow nach. Aber Diddy habe ein Gespür für Hits und visuelles Storytelling gehabt. Es sind nahezu die einzigen positiven Worte, die in der epischen Erzählung über ihn fallen. Man hätte gerne mehr solcher Vielschichtigkeit gesehen, Begebenheiten, die auch warmherzige Momente von Diddy zeigen. Aber vielleicht gibt es die auch einfach nicht.

Diddy selbst hat natürlich schon reagiert. „Die sogenannte Dokumentation von Netflix ist schändlicher Rufmord“, ließ er aus dem Gefängnis über eine Sprecherin ausrichten.

„Sean Combs: The Reckoning“ ist seit dem 2. Dezember 2025 auf Netflix zu sehen.

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